Selbst Republikaner zweifeln Mit seiner Anti-Klima-Haltung muss sich Trump auf Gegenwind einstellen
08.11.2024, 18:11 Uhr Artikel anhören
Donald Trump wurde am 5. November 2024 zum zweiten Mal zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt.
(Foto: Reuters/Mike Segar)
Dass Donald Trump für Umweltschutz wenig übrig hat, ist kein Geheimnis. Angesichts immer neuer Extremwetter stellt sich aber auch in den USA die Frage: Was bedeutet seine Präsidentschaft für das Klima? Aufschluss gibt ein Blick in die Pläne seines Unterstützernetzwerks.
"Project 2025" ist ein fast 1000-seitiges Positionspapier, das von etwa 140 ehemaligen Mitarbeitern der alten Trump-Administration geschrieben wurde. Obwohl Trump selbst jegliche Beteiligung bestreitet und vorgibt, den Inhalt gar nicht zu kennen, gelten die beschriebenen Positionen als deckungsgleich mit seinen.
In Sachen Klimaschutz liest sich das Papier wie eine Kampfansage. Trumps Unterstützernetzwerk fordert darin im Prinzip freie Bahn für Öl und Gas. Dafür sollen Restriktionen und mahnende Behörden aus dem Weg geräumt werden. Die Nationale Wetterbehörde NOAA etwa soll regelrecht "ausgeweidet" werden. Auch das Budget der Umweltschutzbehörde EPA wollen die Autoren radikal zusammenstreichen. Emissionsbeschränkungen sollen fallen, dafür die Gewinnung fossiler Energien beschleunigt und gefördert werden. Trump selbst hatte sich in der Vergangenheit oft ähnlich kämpferisch gezeigt, sich über nachhaltige Energiewirtschaft lustig gemacht und Klimaschutz im Allgemeinen als Wirtschaftsbremse verteufelt.
Unter Biden wurde der Klimaschutz gestärkt
Allerdings gibt es zu Trumps vermeintlich wirtschaftsfreundlichen Positionen auch einen recht überzeugenden Gegenentwurf. Denn mit dem Inflation Reduction Act (IRA) hat der amtierende Präsident Joe Biden das bislang größte staatliche Förderprogramm der US-Geschichte aufgelegt. Es ist ein Riesenerfolg: Rund 361 Milliarden Dollar sind bereits in neue Technologien geflossen. Durch die Investitionen in saubere Energie wurden mehr als 330.000 neue Arbeitsplätze in den USA geschaffen, die meisten davon in der Batterietechnologie und -herstellung und sehr viele auch in Bundesstaaten, die traditionell republikanisch wählen. Mehr als ein Dutzend republikanische Mitglieder des Repräsentantenhauses haben Trump bereits gebeten, die Steuervorteile aus dem IRA nicht zu streichen. Selbst Öl-Riesen wie Exxon Mobile sprachen sich für eine Beibehaltung des IRA aus.
Das bringt Trump in eine Zwickmühle. "Project 2025" kündigt zwar an, dass eine republikanische Regierung unter Trump mit dem klimapolitischen Vermächtnis der Biden-Regierung Schluss machen werde. Das würde aber, so eine aktuelle Analyse des überparteilichen Thinktanks "Energy Innovation Policy & Technology" zu Verlusten in Billionenhöhe führen. Während der IRA laut den Forschern zu einem Wachstum von 730 Milliarden Dollar pro Jahr beitragen würde, gebe es mit dem Plan von "Project 2025" einen jährlichen Verlust von 150 Milliarden Dollar. Mit anderen Worten: Wenn es Trump ernst meint mit "America First", dann müsste er den IRA fördern.
Trumps Unberechenbarkeit bleibt ein Risiko
Für welchen Weg sich Trump entscheiden wird, bleibt vorerst offen. Dabei stellt gerade die berüchtigte Unberechenbarkeit des gerade erst wiedergewählten künftigen US-Präsidenten einen der größten Risikofaktoren dar. Viele Beobachter befürchten einen Schaden für das Land - und das sowohl aus klima- als auch wirtschaftspolitischer Sicht.
Auch Alden Meyer von der Denkfabrik "E3G" glaubt, dass Trumps Amtsübernahme für das Land einen Rückschritt bedeutet. Trotzdem blickt er nicht ganz pessimistisch in die Zukunft: "George Bush hat schon 1992 in Rio gesagt, der Lebensstil der Amerikaner ist nicht verhandelbar. Es gab immer schwierige Phasen in der Zusammenarbeit mit den USA, das wird jetzt eine weitere", sagt er. Entscheidend werde sein, wie der Rest der Welt reagiere. "Als die USA 2018 das Pariser Agreement verließen, folgte ihnen kein anderes Land. Mittlerweile stellt Europa mehr Geld für die Energiewende bereit als die USA. Wenn der Rest der Welt bei der Klimakonferenz in Baku einen Erfolg will, dann kann sie das tun", so Meyer.
Das "Project 2025" zeigt aber auch, dass eine zweite Präsidentschaft Trump nicht mehr so unvorbereitet über die Bühne gehen wird wie die erste. Das Positionspapier ist eindeutig neoliberal und autoritär. Der dort formulierte Politikstil erinnert an den argentinischen Präsidenten Javier Milei, der dort den "Staatsabbau mit der Kettensäge" durchführte.
Große Chance für China und die EU
Ganz so weit sollte es in den USA nicht kommen, aber: "Die Wahl eines Klimawandelleugners zum US-Präsidenten ist sehr gefährlich für die Welt", kommentiert etwa Bill Hare, ein ehemaliger Autor der Berichte des Weltklimarats (IPCC). "Allerdings steht Trump nicht über den Gesetzen der Physik. Die USA selbst werden der größte Verlierer seiner Politik sein", führt er aus. Zuletzt richteten mehrere Hurrikane, Stürme und Waldbrände verheerende Schäden in den USA an, die die Versicherungen Milliarden kosten.
Auch aus Wettbewerbsgründen seien die USA auf klimafreundliche Alternativen zu fossilen Energieträgern angewiesen, sagen Fachleute. Li Shuo vom "Asia Society Policy Institut" glaubt, dass die USA insbesondere von China abgehängt werden könnten. "Nicht die nationale US-Politik wird der große Treiber sein." Es sei vielmehr die Energiewende, die die Wirtschaft weltweit vorantreibe.
China und die EU haben nun die Chance, weltweit führend zu werden bei der Transformation des Energiesystems. "Die EU kann eine tragende Rolle spielen bei den Investitionen in Erneuerbare Energien in Afrika und Lateinamerika", sagt Alex Scott vom italienischen Thinktank ECCO. Und Christiana Figueres, Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention von 2010 bis 2016, sagt: "Das Ergebnis dieser Wahl wird die laufenden Veränderungen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft nicht aufhalten. Saubere Energietechnologien werden fossile Brennstoffe weiterhin übertreffen." Sie seien gesünder, schneller, sauberer, häufiger und vor allem billiger und effizienter als fossile Brennstoffe. Vielleicht bringt das auch den ehemaligen Geschäftsmann Trump noch zur Einsicht.
Quelle: ntv.de