Wer kann mit wem koalieren? Drei Fraktionen, sechs Meinungen
24.09.2013, 18:18 Uhr
Wäre Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün besser? In allen drei betroffenen Parteien gibt es darüber unterschiedliche Meinungen.
(Foto: dpa)
Die Tage nach der Bundestagswahl sind enorm spannend: SPD und Grüne ringen mit sich selbst, ob sie lieber eine Koalition mit CDU und CSU eingehen oder in der Opposition bleiben. Die Union versucht, beide gegeneinander auszuspielen - und hat dabei einen entscheidenden Vorteil.
Die Bundestagswahl brachte ein Ergebnis, über das vor der Wahl niemand sprechen wollte. SPD und Grüne wollten miteinander koalieren, doch es reicht nicht. Nach dem Ausscheiden der FDP kann die Union ihre Wunsch-Koalition nicht fortführen. Die Diskussionen, die auf der Strecke blieben, werden ab diesem Dienstag nachgeholt.
Die größte Richtungsentscheidung haben die Grünen zu treffen: Ist eine Koalition mit CDU und CSU denkbar oder ist sie es nicht? Für beide möglichen Antworten finden sich starke Fürsprecher. Die Parteilinken wie Hans-Christian Ströbele oder Anton Hofreiter wollen lieber ein Bündnis mit der Linkspartei ermöglichen. Die Realos in der Partei verweisen auf Baden-Württemberg, wo die Grünen dank ihres wirtschaftsfreundlichen Kurses sogar den Ministerpräsidenten stellen.
Grüne fangen mit Erneuerung an
Welchen Weg die Fraktion am Ende wählt, ist längst noch nicht ausgemacht. Zumindest personell hat sie einen ersten Schritt in Richtung Union gemacht. Zwar kündigte Jürgen Trittin an, die Sondierungsgespräche führen zu wollen, allerdings will er sich nicht wieder zum Fraktionschef wählen lassen. CSU-Chef Horst Seehofer hatte im "Spiegel" gesagt: "Mit den Grünen von heute, mit Jürgen Trittin und Volker Beck, könnte es sowieso keine Gespräche geben." Auch Renate Künast wird sich nicht mehr zur Fraktionsvorsitzenden wählen lassen. Der CDU-Abgeordnete Jens Spahn sagte bei n-tv über die Grünen: "Wir sollten zumindest einmal miteinander reden." Die Veränderungen in der Grünen-Fraktion machten "eine Zusammenarbeit leichter", sagte er später bei "Phoenix".
Trittin begründet seinen Rückzug damit, dass ein neuer Fraktionsvorstand die Partei unbelastet in den Wahlkampf 2017 führen müsse, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Von einer persönlichen Schuld für das schlechte Wahlergebnis sprach Trittin nicht. Viele in der Partei werfen ihm vor, sich zu sehr auf Themen wie Mindestlohn und Steuern konzentriert zu haben statt das grüne Kernthema Energie nach vorne zu stellen. Parteilinke betonen allerdings auch, dass es für diesen Kurs eine breite Unterstützung in der Partei gab.
SPD setzt Signal Richtung CDU/CSU
Nachfolger von Künast und Trittin wollen nun die bisherige Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt und der Verkehrsausschuss-Vorsitzende Anton Hofreiter werden. Das würde der klassischen Struktur in Spitzenämtern der Grünen entsprechen: je eine Frau und ein Mann, je ein Vertreter des linken und einer des Realo-Flügels.
Göring-Eckardt hatte im Wahlkampf zwar nur von Rot-Grün gesprochen, gilt aber Vielen in der Union als mögliche Gesprächspartnerin. Hofreiter ist dem linken Flügel zuzuordnen und würde lieber in die Opposition gehen oder sogar Gespräche mit der Linkspartei aufnehmen – was aber nur Sinn ergibt, wenn die SPD ihre ablehnende Haltung zur Linken ablegt.
Ob die Sozialdemokraten das tun, ist noch nicht geklärt. Einen ersten Hinweis gab es bei der Wiederwahl von Frank-Walter Steinmeier als Fraktionsvorstand. Das könnte zwar auch nur eine Übergangslösung sein, doch sein gutes Wahlergebnis von 91 Prozent spricht dafür, dass die SPD lieber ihren bisherigen Kurs fortsetzen möchte, als sich der Linkspartei zu öffnen. Gibt es also doch wieder eine Große Koalition? Debattiert wird das in der SPD erst am Mittwoch, wenn sich die Fraktion wieder trifft.
CDU und CSU halten sich alles offen
Auch in der CDU gibt es unterschiedliche Meinungen in der Frage, ob man eher mit der SPD oder mit den Grünen verhandeln sollte. Selbst die Äußerungen von Horst Seehofer lassen sich so lesen, dass er im Prinzip gerne mit den Grünen regieren würde, solange Trittin keine wesentliche Rolle dabei spielt. Auch der wiedergewählte Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder bemühte sich, Verhandlungen mit den Grünen als unwahrscheinlich darzustellen, sie aber nicht auszuschließen.
Würde die Union also in Wirklichkeit gerne ein schwarz-grünes Experiment eingehen? Das ist damit noch lange nicht gesagt. Dass die Frage in der Union so offen ist, wie sie es darstellt, ist eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass sich die Christdemokraten die schwarz-grüne Option offenhalten, um in den Verhandlungen mit der SPD stärker zu sein. Legt sich die CDU zu früh auf die SPD fest, könnte diese in den Koalitionsverhandlungen mehr für sich herausholen.
In diesen Machtspielen hat die Union derzeit einen entscheidenden Vorteil: Sie muss sich keinen internen Debatten stellen. Nach dem überragenden Wahlergebnis wurde der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder mit großer Mehrheit wiedergewählt. Grüne und SPD brauchen dagegen noch einiges an Zeit, bis sie wissen, wohin sie eigentlich wollen.
Quelle: ntv.de