Politik

Häuserkampf in der Grenzstadt Dschihadisten fallen in Kobane ein

Häuserkampf im Osten und Süden der Grenzstadt: IS-Milizen dringen in Kobane ein.

Häuserkampf im Osten und Süden der Grenzstadt: IS-Milizen dringen in Kobane ein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Fällt die nordsyrische Stadt Kobane in die Hände der IS-Terroristen? Offenbar gelingt es den kurdischen Kämpfern nicht, die Stadtgrenzen zu verteidigen. Inzwischen toben die Kämpfe in den Straßen der Stadt. Die Türkei dämpft Hoffnungen auf schnelle Hilfe.

Trotz heftiger Gegenwehr kurdischer Kämpfer ist die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in die nordsyrische Grenzstadt Kobane eingedrungen. Die IS-Kämpfer lieferten sich erstmals Straßenkämpfe mit den Kurden im Ostteil der Stadt, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilt. Kurdische Kämpfer und IS-Milizionäre kämpften "in den Straßen, zwischen den Gebäuden", sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Erste Flaggen des selbsternannten Kalifats wehen an den Rändern der Stadt.

"Die Straßenkämpfe haben begonnen und erstmals gibt es Kämpfe in den Viertel am Ostzugang von Kobane, in den Vierteln Maktala al-Dschadida und Kani Arabane", sagte Rahman. Neuesten Angaben zufolge haben die IS-Kämpfer mittlerweile drei Stadtteile im Osten Kobanes erobert. Die IS-Kämpfer hätten eine Industriezone und die Viertel Maktala al-Dschadida und Kani Arabane in ihre Gewalt gebracht, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am späten Montagabend mit. Trotz heftiger Gegenwehr der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und Luftangriffen der internationalen Militärallianz rücken die Dschihadisten seit Tagen unaufhaltsam auf Kobane vor.

Der örtliche Kurdenvertreter Idris Nahsen bestätigte am Telefon, dass es im Ostteil der Stadt heftige Gefechte gebe. Der kurdische Journalist Mustafa Bali sagte der Nachrichtenagentur AFP, angesichts der Straßenkämpfe hätten die kurdischen Milizen die verbleibenden Zivilisten aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Allein am Montagabend seien rund 2000 Zivilisten aus Kobane geflohen. Die auf Arabisch Ain al-Arab genannte Stadt liegt direkt an der türkischen Grenze. Bereits mehr als 186.000 Menschen flohen vor den Kämpfen in die Türkei. Ankara hat zwar Truppen an der Grenze zusammengezogen, doch bisher nicht in die Kämpfe eingegriffen.

Laut der Beobachtungsstelle waren IS-Kämpfer bereits in der Nacht zu Montag nach Kobane eingedrungen, doch dort in einen Hinterhalt der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) geraten. 20 Dschihadisten seien getötet worden.

Türkei will keine Bodentruppen schicken

Derweil hat die türkische Regierung den Kurden in Kobane Unterstützung zugesagt. Einen schnellen Einsatz von Bodentruppen stellte Ankara aber nicht in Aussicht. "Wir werden alles nur Mögliche unternehmen, um den Menschen in Kobane zu helfen", sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu dem US-Sender CNN. "Bodentruppen zu schicken ist aber natürlich eine andere Entscheidung."

Wenn man in Kobane eingreife, müsse man in ganz Syrien intervenieren. "Wir arbeiten jetzt mit den Mitgliedern der Koalition daran, was als nächstes gegen Isis (IS) zu tun ist - nicht nur in Kobane." Davutoglu sagte, im Kampf gegen IS müsse eine "integrierte Strategie" in Syrien, im Irak und auch im Libanon verfolgt werden. Diese Strategie müsse humanitäre, politische und militärische Aspekte umfassen. Es gehe zunächst darum, die Leben jener Menschen zu retten, die aus Kobane fliehen. Nach kurdischen Angaben sind mehr als 2000 Menschen vor der vorrückenden IS-Miliz in Kobane in Sicherheit gebracht worden.

Zivilisten sterben bei Luftschlägen

Mit international koordinierten Luftschlägen sollen die Terroristen in die Defensive gedrängt werden. Laut Medienberichten sind bei den Angriffen auf Stellungen des IS im Irak aber auch zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen. Wie die nationale irakische Nachrichtenagentur unter Berufung auf Mediziner berichtete, starben bei einem Bombardement der Ortschaft Hit westlich von Ramadi 22 Menschen, darunter 4 Kinder. Getroffen wurden demnach ein Markt und ein Wohnhaus. Etwa 70 Meter davon entfernt habe eine IS-Versammlung stattgefunden.

Das irakische Nachrichtenportal "Sumaria News" berichtete von 18 Toten bei den Luftschlägen, unter denen 8 Kinder sein sollen. Es sei wahrscheinlich, dass internationale Kampfflugzeuge versehentlich Wohnhäuser bombardiert hätten, hieß es.

Ex-Minister: Obama mitverantwortlich für IS-Aufstieg

Vor einem jahrzehntelang dauernden Kampf gegen den IS warnt unterdessen der frühere US-Verteidigungsminister Leon Panetta. "Ich denke, wir stehen vor einer Art von Dreißigjährigem Krieg", sagte Panetta der US-Zeitung "USA Today". Der Kampf könnte sich dabei auch auf Bedrohungen durch islamistische Gruppierungen in Ländern wie Libyen, Nigeria, Somalia und Jemen ausweiten.

Panetta bringt am Dienstag eine Autobiografie heraus, in der er die Politik von US-Präsident Barack Obama für den Aufstieg der IS-Miliz mitverantwortlich macht. In dem Buch "Worthy Fights" ("Lohnende Kämpfe") kritisiert Panetta, dass das Weiße Haus Ende 2011 trotz Warnungen vor einem neuerlichen Chaos im Irak die dort stationierten US-Soldaten komplett abgezogen habe. "Es war für mich und viele andere klar, dass der Abzug aller unserer Kräfte die zerbrechliche Stabilität gefährden würde, die den Irak damals kaum zusammengehalten hat", heißt es in vorab veröffentlichten Auszügen.

In der "USA Today" beklagte Panetta, dass die Entscheidung des Präsidenten ein "Sicherheitsvakuum" im Zweistromland hinterlassen habe. Außerdem warf er Obama vor, nicht rechtzeitig gemäßigte Rebellengruppen im Kampf gegen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad unterstützt zu haben. Noch habe der Präsident aber die Möglichkeit, "den Schaden zu reparieren", sagte Panetta, der von Juli 2011 bis Februar 2013 das Pentagon führte und davor an der Spitze des Geheimdienstes CIA stand.

Quelle: ntv.de, fma/AFP/dpa/rts

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