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"Ein echter Stinkefinger" EU-Staaten versinken im Israel- und Ukraine-Streit

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Manche Staaten in der EU unterstützen vorrangig Israel, andere sind traditionell eher pro-palästinensisch.

Manche Staaten in der EU unterstützen vorrangig Israel, andere sind traditionell eher pro-palästinensisch.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Beim Thema Angriff auf die Ukraine sind sich die EU-Staaten noch größtenteils einig, nur um den wieder mal ausscherenden Viktor Orban gibt es beim Gipfel Ärger. Das Thema Israel und Gaza jedoch spaltet die Mitglieder der Europäischen Union nach wie vor deutlich - eine gemeinsame Leitlinie scheint in weiter Ferne.

Babylonische Sprachverwirrung ist noch ein freundlicher Ausdruck für den derzeitigen Zustand der Europäischen Union. Zum Nahost-Krieg gibt es ungefähr so viele Haltungen wie Sprachen. Beim EU-Gipfel in Brüssel trat die Spaltung offen zutage. Auch der russische Angriffskrieg sorgt weiter für Streit. Ungarns Krawallmacher Viktor Orban zeigte der Ukraine einen verbalen "Stinkefinger", wie Gipfelteilnehmer kritisierten.

Bundeskanzler Olaf Scholz stellte sich in Brüssel demonstrativ hinter Israel, das "ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien" sei. Er habe "keinen Zweifel", dass die israelische Armee die Regeln des Völkerrechts beachte. Vor rund zehn Tagen hatte Scholz als erster Regierungschef nach dem an Grausamkeit kaum zu überbietenden Angriff der radikalislamischen Hamas einen Solidaritätsbesuch in Israel abgestattet und dabei einen Grundsatz deutscher Politik bekräftigt: "Die Sicherheit Israels und seiner Bürgerinnen und Bürger ist deutsche Staatsräson."

In der EU sieht sich Deutschland auf einer Linie mit Österreich und Tschechien. Auch Ungarn und sogar Italien unter der Postfaschistin Giorgia Meloni unterstützen Israel. Andere - traditionell pro-palästinensische - Mitgliedsländer wie Belgien, Spanien oder Irland sehen das israelische Vorgehen dagegen deutlich kritischer. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez etwa sagte mit Blick auf die israelischen Luftangriffe: "Das Leid, das wir in Gaza sehen, ist inakzeptabel." Belgiens Regierungschef Alexander de Croo griff Israel wegen der Abriegelung des Gazastreifens in scharfen Worten an.

Zweifel an europäischer Rolle im Konflikt

Eigentlich soll der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die Leitlinien der europäischen Außenpolitik vorgeben. Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist dem Spanier dies weitgehend gelungen. Mit seinen Forderungen nach immer weiterer Militärhilfe für Kiew und schärferen Sanktionen trieb er nicht nur die Bundesregierung vor sich her. Im Nahost-Krieg hat sich Borrell jedoch mit als einseitig kritisierten Äußerungen ins Abseits gestellt. Eine geplante Israel-Reise platzte, weil die Regierung von Benjamin Netanjahu ihn wegen einer nach ihrer Ansicht zu Palästinenser-freundlichen Haltung auslud, wie Diplomaten unter vorgehaltener Hand berichten.

Damit stellt sich die Frage, wer überhaupt für das "Team Europa" spricht, wie es in Brüssel gerne genannt wird. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn stellt infrage, dass die Europäer wegen ihrer Spaltung überhaupt noch "Player" im Nahen Osten sein können, auch wenn sie die größten Hilfszahlungen an die Palästinenser leisten. Damit bleiben nur die USA als Vermittler.

US-Präsident Joe Biden spielt diese Rolle bisher "unglaublich geschickt", wie manche in der EU anerkennen. Er sagte Israel nach dem traumatischen Hamas-Angriff zwar Unterstützung zu. Zugleich rief er das Land aber auf, nicht die "Fehler" der USA nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 zu wiederholen und aussichtslose Kriege zu führen wie in Afghanistan und im Irak.

"Das ist ein echter Stinkefinger"

Beim EU-Gipfel nutzte der ungarische Regierungschef Orban die Zerrissenheit der EU, um die Partner einmal mehr genüsslich vorzuführen. Er sei "stolz" auf seine "Friedensstrategie", tönte der rechtsgerichtete Populist - meinte damit aber nicht den Nahen Osten, sondern den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und sein Treffen mit Präsident Wladimir Putin in China, das in der EU entgeistert aufgenommen worden ist.

Klartext sprach wieder einmal der Luxemburger Xavier Bettel, der nach einer Wahlniederlage zum vorerst letzten Mal an einem EU-Gipfel teilnahm. Über Orbans Äußerungen sagte er: "Das gegenüber einem Land, das jeden Tag unter russischen Raketen und Waffen leidet, das ist ein echter Stinkefinger."

Quelle: ntv.de, Stephanie Lob, AFP

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