Politik

Pragmatismus in Brüssel EU-Vertreter setzen auf Macron

Der fremde Freund: Die EU versammelt sich hinter Macron.

Der fremde Freund: Die EU versammelt sich hinter Macron.

(Foto: imago/Cronos)

Bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich geht es um viel mehr als nur um nationale Interessen: Die französischen Wähler haben das Schicksal der EU in der Hand. Doch auch falls Macron gewinnt, ist die Zukunft Europas ungewiss.

Verschiedene Vertreter der Europäischen Union haben Emmanuel Macron bei der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahl ihre Unterstützung zugesagt. Darunter befinden sich auch namhafte EU-Politiker aus Frankreich wie etwa der Sozialist und EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici oder der EU-Chefunterhändler für den Brexit, der Konservative Michel Barnier.

Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wünschte dem unabhängigen Kandidaten Macron "viel Glück", ohne Marine Le Pen vom Front National mit einem Wort auch nur zu erwähnen. Den Gratulationen aus Brüssel schlossen sich der EVP-Fraktionschef im EU-Parlament, Manfred Weber, und der Europa-Grünen-Chef Reinhard Bütikofer mit dem Aufruf an alle Demokraten in Frankreich an, Macron zu wählen.

Nachdem am Sonntagabend zunächst nur zählte, dass neben Le Pen vom rechtsextremen Front National nicht auch noch der Linksradikale Jean-Luc Melenchon in die Stichwahl um das Präsidentenamt am 7. Mai zieht, konzentrieren sich in Brüssel nach dem ersten Wahlgang nun alle Hoffnungen auf Macron.

Dabei geht es den EU-Politikern nicht allein um die nationalen Interessen Frankreichs, schließlich geht es bei der Stichwahl um nicht weniger als um den Fortbestand der EU. Während ein Brexit für die Staatengemeinschaft zwar schmerzlich ist, rüttelt er nicht unbedingt an den Grundfesten der EU. Ein Austritt vom Gründerstaat Frankreich kann und will sich in Brüssel kaum jemand vorstellen.

Was würde Macrons Wahl für die EU bedeuten?

Für die Vertreter der EU könnte es ein kurzes Frühlingserwachen werden, wenn Macron tatsächlich in zwei Wochen der neue Präsident Frankreichs ist. Denn in konkreten Vorhaben muss Macron selbst noch Farbe bekennen, inwieweit er einer gemeinsamen EU-Linie folgen will. Oder er muss womöglich schmerzhafte Kompromisse eingehen, weil er sonst im heimischen Parlament scheitern würde. Die Abgeordneten müssen sich bereits im Juni zur Wahl stellen. Macrons noch junge Bewegung "En Marche" dürte dort kaum eine Mehrheit erringen.

Deshalb ist noch völlig offen, ob er Wahlversprechen wie die Schaffung eines Parlaments für die Eurozone überhaupt in die Tat umsetzen kann – zumal dies wohl EU-Vertragsänderungen nötig machen würde, was wiederum nicht zuletzt in Frankreich ein Referendum mit all seinen Unabwägbarkeiten nach sich zöge. Es wird zudem viele Bereiche geben, in denen getestet wird, ob Macron zu den berühmten EU-Kompromissen, in denen politische Gegner daheim gerne einen Verrat an nationalen Interessen erkennen, überhaupt fähig ist.

Fraglich ist zum Beispiel wie er sich in den Brexit-Verhandlungen positionieren wird, in denen es schließlich um die wirtschaftlichen Beziehungen Frankreichs zum wichtigen Handelspartner geht. Ungewiss ist auch, welcher Linie Macron im für Frankreich so wichtigen Anti-Terror-Kampf folgen wird. So könnte er womöglich von den europäischen Partnern mehr Zusammenarbeit der Geheimdienste verlangen und auf eine engere Kooperation im militärischen Bereich pochen, um gegen den Islamischen Staat auch in Syrien vorzugehen.

Kritik am deutschen Handelsüberschuss

Zudem könnte Macron seine Kritik am Handelsüberschuss Deutschlands in Realpolitik umsetzen. Verbündet er sich mit der EU-Kommission – die den deutschen Überschuss seit vielen Jahren moniert, der aber in dieser Frage bisher mächtige Verbündete unter den Mitgliedsstaaten fehlen –, könnte das Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft haben. Alternativ könnte sich Macron, weil er daheim womöglich ein Parlament gegen sich hat, der Linie von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble anschließen, der eine stärkere zwischenstaatliche Kooperation postuliert und damit auch die Macht von EU-Kommission und EU-Parlament beschneiden will.

Und wird Macron sein Land wirklich darauf trimmen, die Defizitkriterien der EU wieder einzuhalten, oder lieber erst Geld in die Hand nehmen, um die französische Wirtschaft noch mehr in Schwung zu bringen? All diese Fragen wird er mit der EU klären müssen. Womöglich wird dann die Erleichterung in Brüssel sehr schnell in Ärger umschlagen. Allerdings – in der EU dürfte auch dann immer noch die Erkenntnis vorherrschen, dass es besser ist, einen schwierigen Partner zu haben als überhaupt keinen Partner.

Quelle: ntv.de, lou/rts

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