Keine Änderung am Brexit-Deal EU kommt May kaum entgegen
13.12.2018, 15:56 Uhr
Im Januar soll das britische Unterhaus über Mays Brexit-Deal abstimmen.
(Foto: Reuters)
Einen Tag nach dem gescheiterten Misstrauensvotum gegen die britische Premierministerin wird May in Brüssel die Hand entgegengestreckt. Doch die Hilfsbereitschaft kennt klare Grenzen. Auch Deutschland pocht darauf, den Brexit-Vertrag so zu belassen, wie er ist.
Die im Brexit-Streit in Großbritannien schwer bedrängte Premierministerin Theresa May kann beim EU-Gipfel nur mit wenig Hilfe der europäischen Partner rechnen. Kanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs wollen zwar dazu beitragen, dass der EU-Austrittsvertrag eine Mehrheit im britischen Parlament findet und ein chaotischer Brexit Ende März 2019 vermieden wird. Der Spielraum ist aber denkbar gering.
Im Entwurf einer EU-Erklärung wird zwar bekräftigt, dass man die umstrittene Garantieregel für eine offene Grenze in Irland möglichst gar nicht und wenn überhaupt nur "für eine kurze Zeit" nutzen möchte. Die von Brexit-Hardlinern in London geforderte Befristung dieses Backstops will die EU aber laut Entwurf nicht zusagen. Regierungschefin May, die am Mittwochabend nur mit Mühe ein Misstrauensvotum überstand, dürfte damit einer Zustimmung im Unterhaus kaum näher kommen.
An der EU-Erklärung wird derweil noch gefeilt. Die letzte Fassung sollen die EU-Staats- und Regierungschefs erst in der Nacht fertigstellen. May sagte, sie rechne nicht mit einem unmittelbaren Durchbruch, aber sie hoffe "so schnell wie möglich" an den notwendigen "Zusicherungen" arbeiten zu können.
Ziel des Backstops ist es, Kontrollen und Schlagbäume zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland in jedem Fall zu vermeiden. Andernfalls wird politische Gewalt in der ehemaligen Bürgerkriegsregion befürchtet. Im Austrittsvertrag vorgesehen ist, dass ganz Großbritannien solange in der europäischen Zollunion bleibt, bis eine andere Lösung gefunden ist. Die Regelung trifft jedoch auf heftigen Widerstand im britischen Parlament und gilt als Hauptgrund, warum es dort bislang keine Aussicht auf eine Mehrheit dafür gibt. Die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei stört unter anderem, dass Großbritannien in der Zollunion keine eigenen Freihandelsverträge abschließen kann.
Abstimmung erst im Januar
May hatte eine für diese Woche Dienstag vorgesehene Abstimmung im Unterhaus über den Brexit-Deal kurzfristig abgesagt, weil sich eine Niederlage abzeichnete. Sie musste sich daraufhin am Mittwoch einem Misstrauensvotum in der eigenen Fraktion stellen, das sie mit nur 200 zu 117 Stimmen überstand. Zahlreiche Abgeordnete, unter anderem Ex-Brexit-Minister Dominic Raab, stellten ihre Zukunft als Premierministerin in Frage. May denkt jedoch nicht ans Aufgeben.
Ein von der Unterhausvorsitzenden Andrea Leadsom auf Twitter veröffentlichter Terminplan zeigt inzwischen, dass das britische Parlament nun erst im Januar über den Brexit abstimmt. May hatte zugesagt, bis zum 21. Januar über den Entwurf abstimmen zu lassen, bis zum 7. Januar pausiert das Parlament allerdings.
Bundestagt lehnt Änderungen ab
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Dass es bis dahin noch einmal zu einer Änderung am Brexit-Abkommen kommt, ist zumindest aus deutscher Sicht ausgeschlossen. Die EU sei schon jetzt an die Grenzen ihrer Verhandlungslinien gegangen, heißt es in einem Antrag, der mit den Stimmen der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD beschlossen wurde. Bundesaußenminister Heiko Maas lehnt Änderungen am Vertragstext ebenfalls ab. "Es gibt keine Grundlage dafür, dieses Abkommen wieder aufzudröseln", sagte der SPD-Politiker. "Daran wird sich auch nichts ändern." Die Bundesregierung werde ihre Planungen für einen Brexit ohne Abkommen fortsetzen. Dieser schlechteste Fall sei aber weder im britischen noch im europäischen oder deutschen Interesse.
"Wir haben natürlich auch unsere Grundsätze. Ich sehe nicht, dass wir dieses Austrittsabkommen noch einmal verändern", sagte auch Kanzlerin Merkel vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Das Abkommen sei sehr gut verhandelt; man könne aber über "zusätzliche Versicherungen" reden.
EU-Finanzrahmen ist höchst umstritten
Ein ungeordneter Brexit könnte Wirtschaftsvertretern zufolge spürbare Einschränkungen für britische Verbraucher bedeuten. Britische Häfen und Flughäfen wären bei einem ungeordneten Austritt Großbritanniens aus der EU "komplett verstopft" und Lieferketten vieler Unternehmen unterbrochen, warnte der Hauptgeschäftsführer der deutsch-britischen Industrie- und Handelskammer, Ulrich Hoppe, im SWR. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger brachte eine mögliche Fristverlängerung für den EU-Austritt ins Spiel. Man wolle den Brexit nicht verzögern. Andererseits sei es möglich, der britischen Regierung ein halbes Jahr Verlängerung zuzugestehen, das sei nicht das Problem, sagte Oettinger dem SWR.
Neben dem Brexit wollen die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem letzten Gipfel in diesem Jahr erstmals die Finanzplanung für die Zeit ab 2021 diskutieren. Umfang, Verteilung und Regeln des künftigen EU-Finanzrahmens sind höchst umstritten - auch weil der Brexit mittelfristig ein großes Loch in den EU-Haushalt reißen wird. Oettinger hatte deshalb vorgeschlagen, Gelder für Landwirte und strukturschwache Regionen zu kürzen. Investitionen in Bereiche wie Forschung, Jugend und digitale Wirtschaft sollen hingegen aufgestockt werden. Bislang ist dazu aber keine Einigung absehbar. Die Entscheidung soll wohl bis Herbst 2019 aufgeschoben werden.
Quelle: ntv.de, ftü/dpa/rts