Politik

Polen baut den Rechtsstaat ab EU leitet Vertragsverletzungsverfahren ein

Zehntausende Polen protestieren gegen die Justizreform.

Zehntausende Polen protestieren gegen die Justizreform.

(Foto: REUTERS)

Nun also handelt die EU. Wegen eines Gesetzes, das die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte weiter einschränkt, beschließt sie ein Vertragsverletzungsverfahren. Der Chef der Regierungspartei, Kaczynski, glaubt dagegen: Die Gerichte sind "krank".

Seit Monaten demontiert die polnische Regierung die unabhängige Justiz in Polen, nun reagiert die EU: Sie leitete das bereits angekündigte Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land ein. Dies sei nach der Veröffentlichung eines der Gesetze im polnischen Gesetzesblatt geschehen, teilte die EU-Kommission mit. Ein Vertragsverletzungsverfahren kann zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und Geldstrafen führen.

Trotz Proteste der EU unterzeichnete Polens Präsident Andrzej Duda in dieser Woche ein Gesetz, das die Unabhängigkeit der Justiz weiter einschränkt. Konkret soll der polnische Justizminister künftig alle leitenden Richter an den gewöhnlichen Gerichten einschließlich der Berufungsgerichte ernennen oder entlassen können. Bei zwei weiteren Gesetzen, die bereits vom Parlament verabschiedet worden waren und die einen massiven Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz bedeuten, legte der Präsident ein Veto ein.

Die EU-Kommission liegt seit Anfang 2016 mit Warschau im Clinch, als die nationalkonservative Regierung die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts beschnitt. Damals leitete die EU-Kommission ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen ein - erstmals überhaupt in der EU-Geschichte.

Zehntausende gehen auf die Straße

Alle Versuche, daraufhin im Dialog oder mit Empfehlungen zum Ziel zu kommen, scheiterten jedoch. Warschau trieb in den vergangenen Wochen dann weitere Justizreformen voran - trotz der Proteste Zehntausender Menschen. Seit Ende 2015 hat die mit absoluter Mehrheit regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) massiv das Land umgebaut. Unter anderem tauschte sie auch die  Geheimdienstchefs austauschen und plante, die polnischen Medien zu "repolonisieren".

Der Europarechtler Volker Boehme-Neßler sprach im Interview mit n-tv.de zu den geplanten Justizänderungen von einem "gravierenden Eingriff in die Unabhängigkeit der Gerichte": "Es passt nicht zum Rechtsstaat, dass je nach politischer Mehrheit oberste Richter entlassen werden." Wenn Polen seinen Rechtsstaat abschaffe, sei das keine Kleinigkeit.

Der Chef der PiS-Partei, Jaroslaw Kaczynski, der als eigentlicher Strippenzieher hinter den Reformen steckt, verteidigte in dieser Woche die Justizgesetze. Die Gerichte in Polen seien "krank", sagte er dem Sender "Radio Maryja". Es reiche nicht, die Symptome zu behandeln. Notwendig sei eine tiefgreifende "chirurgische Operation".

Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa

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