
Markus Söder ist und bleibt Ministerpräsident von Bayern. Das zumindest ist schon mal klar.
(Foto: dpa)
Die große Bühne gehört heute eigentlich anderen: Grüne und FDP entscheiden sich einmütig, eine Ampelkoalition mit der SPD zu versuchen. Es wäre ein historisches Projekt. Doch den bemerkenswertesten Auftritt des Tages legt ein anderer hin: CSU-Chef Markus Söder.
Eigentlich ist es bloß das Offensichtliche, das CSU-Chef Markus Söder an diesem Tag ausspricht: Deutschland wird in den kommenden vier Jahren - aller Voraussicht nach - von einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP regiert. Die Entscheidungen der beiden vermeintlich kleineren Parteien zu Sondierungsgesprächen mit den Sozialdemokraten seien eine "De-facto-Absage an Jamaika". Die Geschicke des Landes werden nach 16 Jahren erstmals wieder nicht von der Union mitbestimmt.
Wer in den vergangenen Tagen genau hingehört hat, war - allen Vertraulichkeitsbeschwörungen zum Trotz - auf diese Wahrheit natürlich längst vorbereitet. Umfrage um Umfrage ergab eine deutliche Neigung der Wählerinnen und Wähler für die Ampel. Die SPD als potenzielle Kanzlerpartei: sortiert und mit klarer Führungsstruktur. Die CDU als potenzielle Kanzlerpartei: fahrig, ausgestattet mit einem angeschlagenen Anführer. Die Ampel: verströmt Aufbruch und Erneuerung. Jamaika: eher mühsam und hat auch 2017 schon nicht geklappt.
Ist Söders Auftritt also banal und nicht weiter der Rede wert? Keineswegs. Denn er zeigt, wie Markus Söder Politik macht: Ihm gelingt es, eine Niederlage im Vorbeigehen von sich abzufedern und zugleich allen Beteiligten noch je einen Hieb mitzugeben.
Der Hieb für die kleineren Ampel-Parteien: "Wir bedauern die Entscheidung ausdrücklich", sagt Söder. Und: Es hätte sich in seinen Augen gelohnt, eine Jamaika-Lösung zu versuchen. Aber: Jetzt kommt es eben anders, und zwar genauso, wie es sich die meisten Menschen wünschten. Die Ampel sei "spannend". Dies ist in etwa das Gleiche wie die Antwort "interessant" auf die Frage, wie das Essen schmeckt. Söder lässt auch mehrmals die leicht beleidigte Formulierung fallen, er hoffe, dass die Hoffnungen an die Ampel nicht enttäuscht werden. Auf Anrufe von Lindner oder den Grünen warten will er jedenfalls nicht. Es gehe da auch um "Selbstachtung und Würde". Was es aber auch bedeutet: Weder die FDP noch die Grünen haben jetzt noch ein Druckmittel in den Ampel-Gesprächen gegenüber der SPD. Denn die Rückfalloption Jamaika ist nicht mehr möglich, ohne zuvor ein Scheitern einzugestehen.
Der Hieb für Olaf Scholz: Söder sagt auch: "Wenn die Ampel scheitert, und wenn es ein Scheitern der Ampel gibt, dann ist auch Olaf Scholz als Kanzlerkandidat gescheitert." Auch das klingt wie eine Selbstverständlichkeit, doch das ist es nicht. Denn ein Scheitern wäre ja vor allem denkbar wegen Differenzen der kleineren Partner untereinander. 2017 kam Jamaika nicht zustande, weil die FDP absprang, nicht weil Angela Merkel nicht wollte. Söder baut mit dieser kleinen Andeutung zusätzlichen Druck auf den amtierenden Finanzminister auf. Verdammt zum Erfolg: Das ist nicht eben die stärkste Position, um Verhandlungen zu führen.
Der Hieb für Armin Laschet: Söder hat auch in den vergangenen Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, um anzudeuten, dass die CDU die Wahl für die Union verloren hat. Armin Laschet war der falsche Kandidat, mit Söder wäre es besser gelaufen. Direkt darauf angesprochen ist er freilich stets die Loyalität in Person. Auch heute antwortet er auf eine Frage nach Laschets Zukunft, das gehe nur die CDU etwas an: "Zu Entscheidungen der Schwesterpartei kann ich nichts sagen." Den Geist der Zusammenarbeit der vergangenen Tage beschreibt er blumig, die Zusammenarbeit mit Laschet in der Vorsondierungsphase hat in seinen Augen "sehr gut" funktioniert. Aber: Für die Union beginne jetzt "ein neuer Zeitabschnitt, auf den man sich jetzt vorbereiten muss". Das ist nicht besonders schwer zu deuten.
Gravierender ist aber der Zeitpunkt seines Auftritts: Söder wartet nicht etwa, bis Laschet das Geschehen kommentiert. Im Gegenteil. Er zwingt Laschet zu einem parallelen, improvisierten Statement auf den Fluren des Düsseldorfer Landtags. Und während es Markus Söder ist, der alle Jamaika-Hoffnungen beerdigt, wirkt Laschet so, als klammere er sich unterwürfig an seine letzte Machtoption. Der Noch-Ministerpräsident von NRW sagt: "Wir haben signalisiert: Wir stehen auch zu weiteren Gesprächen bereit. Aber die Entscheidung, mit wem man in welcher Reihenfolge spricht, liegt bei FDP und Grünen." Söders Haltung klingt souveräner: Die Union werde nicht "in einer Art Dauer-Lauerstellung" bleiben. Und wenn sie es nicht hinbekommen, dann kann man ja immer noch reden.
Laschet bleibt am Ende dieses Prozesses womöglich gar nichts mehr. Kanzler wäre im für ihn negativsten Szenario Olaf Scholz. Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen wird, da besteht kaum Zweifel mehr, Hendrik Wüst. CDU-Chef könnte, da sind die Signale von immer prominenteren Vertretern der Partei eindeutig, bald ein anderer sein. Laschet wäre dann einfacher Bundestagsabgeordneter. Das ist aller Ehren wert, aber doch sehr viel weniger, als sich Laschet erhofft hatte.
Und Söder? Der CSU-Chef fällt weich. Er geht als derjenige aus der Episode, mit dem es besser gelaufen wäre, ohne das unter Beweis stellen zu müssen. Für ihn zählt die Landtagswahl in Bayern im Jahr 2023 jetzt mehr, für 2025 könnte er dann als unverbrauchter Spitzenkandidat der Union in die Bundestagswahl gehen, sofern ihm der CDU-Chef dann das Feld überlässt. Armin Laschet dürfte dies dann aber nicht mehr sein.
Quelle: ntv.de