Politik

Vorwürfe, Verhaftungen, Anklagen Erdogans Kampf gegen die Freiheit

Zahlreiche Gülen-Anhänger mit türkischen Fahnen begrüßten Dumanli, als er den Justizpalast in Istanbul verließ.

Zahlreiche Gülen-Anhänger mit türkischen Fahnen begrüßten Dumanli, als er den Justizpalast in Istanbul verließ.

(Foto: REUTERS)

Staatskritik wird in der Türkei nach wie vor nicht gern gesehen. Präsident Erdogan geht mit eiserner Hand gegen Regierungsgegner vor. Diejenigen, die nicht im Exil leben, werden kurzerhand verhaftet. Eine Auflistung der jüngsten Ereignisse finden Sie hier.

Der Fall Pinar Selek

Seit nunmehr 17 Jahren wird die kritische türkische Soziologin Pinar Selek immer wieder wegen der angeblichen Beteiligung an einem Bombenanschlag angeklagt und immer wieder freigesprochen, aktuell zum vierten Mal. Seleks Anwältin sagte, der Fall könnte nun ans Verfassungsgericht überwiesen werden. Sie habe mit Selek in deren Exil in Frankreich telefoniert. Ihre Mandantin sei "sehr, sehr glücklich" über das jüngste Urteil.

Obwohl Selek zuvor bereits dreimal freigesprochen wurde, hatte die Staatsanwaltschaft dennoch Anfang des Monats erneut lebenslange Haft für sie beantragt. Die Anklage wirft der Soziologin und Schriftstellerin vor, an einem Sprengstoffanschlag auf einen Markt in Istanbul 1998 beteiligt gewesen zu sein, bei dem sieben Menschen starben. Gutachter fanden allerdings Hinweise auf eine Gasexplosion. Selek hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Umgang mit kritischen Journalisten

Der kürzlich aus der Haft entlassene Chefredakteur der Zeitung "Zaman", Ekrem Dumanli, hier bei einer Pressekonferenz in Istanbul.

Der kürzlich aus der Haft entlassene Chefredakteur der Zeitung "Zaman", Ekrem Dumanli, hier bei einer Pressekonferenz in Istanbul.

(Foto: REUTERS)

Ein Gericht in Istanbul hat kürzlich die Freilassung von Ekrem Dumanli und weiterer Verdächtigter angeordnet. Dumanli, Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Zaman" und dutzende weitere Journalisten waren wegen der angeblichen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhaftet worden und saßen sechs Tage in Haft. Die meisten von ihnen sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Allerdings darf Dumanli die Türkei nicht verlassen. Das deutet daraufhin, dass ihm der Prozess gemacht werden soll. Dumanli sagte, das gegen ihn von "korrupten Justizbehörden" angestrengte Verfahren erinnere ihn an "Filme aus Hollywood".

Der ebenfalls verhaftete Chefredakteur des Samanyolu-Fernsehsenders, Hidayet Karaca, der zur gleichen Pressegruppe gehört wie "Zaman", muss sich seinerseits wegen "Bildung und Betreibens einer terroristischen Organisation" verantworten. Der "Zaman"-Website zufolge sagte er: "Diejenigen, die diese Entscheidung trafen, werden eines Tages vor Gericht erscheinen." Karacas Festnahme soll mit der Ausstrahlung der populären Serie "Tek Türkiye" zusammenhängen, die in den Kurdengebieten spielt.

Präsident Erdogan hat sich gegen die EU-Kritik an den Festnahmen verwahrt. Die betroffenen Medien stehen dem in den USA lebenden Prediger und Erdogan-Erzfeind Fethullah Gülen nahe.

Erdogans Erzfeind - Imam Fethullah Gülen

Die Nachrichtenagentur Anadolu meldete unterdessen, die Staatsanwaltschaft habe einen Haftbefehl gegen Fethullah Gülen wegen Bildung einer "kriminellen Vereinigung" beantragt. Zuvor hatte der Fernsehsender TRT gemeldet, dass das Istanbuler Gericht die Auslieferung des im US-Exil lebenden Predigers wegen der "Leitung einer terroristischen Organisation" gefordert habe. Die Meldung strich der Sender später aber von seiner Website, ohne dafür eine Erklärung abzugeben.

Fethullah Gülen war jahrelang enger Verbündeter Erdogans. Nun gilt er als sein größter Widersacher.

Fethullah Gülen war jahrelang enger Verbündeter Erdogans. Nun gilt er als sein größter Widersacher.

(Foto: AP)

Der einflussreiche Imam hatte sich 1999 in die USA abgesetzt, weil ihm in der Türkei ein Prozess drohte. Er lebt seitdem im selbstgewählten Exil im US-Bundesstaat Pennsylvania. Eine Auslieferung lehnten die USA wiederholt ab. Der 73-Jährige war über Jahre ein enger Verbündeter Erdogans. Vergangenes Jahr überwarfen sich die beiden Männer aber. Mittlerweile gilt Gülen als Erzfeind des Präsidenten. Erdogan wirft Gülen vor, an der Errichtung eines "Parallelstaates" zu arbeiten sowie Presse und Justiz gegen ihn aufzuhetzen.

Vor einem Jahr wurden im Zuge von Ermittlungen wegen einer ausgedehnten Korruptionsaffäre zahlreiche Geschäftsleute und Politiker von Erdogans islamisch-konservativer Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) festgenommen. Die eingeleiteten Korruptionsverfahren wurden inzwischen aber allesamt eingestellt.

Die USA und die Europäische Union warfen ihrem Nato-Verbündeten daraufhin die Verletzung von Grundrechten und der Pressefreiheit vor. Erdogan konterte, Brüssel solle sich "um seine eigenen Angelegenheiten kümmern". Die Türkei strebt eigentlich einen Beitritt zur Europäischen Union an. Die jüngsten Ereignisse dürften dem aber kaum förderlich sein.

Quelle: ntv.de, spt/AFP/dpa

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