Politik

Gerd Langguth im Interview "Es gibt kein Patentrezept"

Der Politologe Gerd Langguth glaubt nicht, dass es für die Union ein Mittel gibt, die Erosion als Volkspartei aufzuhalten, "weil das das Ergebnis langfristiger Wählerentwicklungen ist". Die CDU müsse sich fragen, "ob sie die klassischen grünen Milieus nicht auch für sich gewinnen kann". Dies sei jedoch ein langfristiger Prozess.

Gerd Langguth ist Honorarprofessor für Politische Wissenschaften an der Uni Bonn. Sein jüngstes Buch trägt den Titel: "Kohl - Schröder - Merkel. Machtmenschen".

Gerd Langguth ist Honorarprofessor für Politische Wissenschaften an der Uni Bonn. Sein jüngstes Buch trägt den Titel: "Kohl - Schröder - Merkel. Machtmenschen".

(Foto: picture-alliance/ dpa)

n-tv.de: Glauben Sie, dass die CDU jetzt ereilt, worunter die SPD schon seit Jahren zu leiden hat - das Ende der Volksparteien?

Gerd Langguth: Die CDU tut sich seit Jahrzehnten mit den großen Städten schwer. Das Problem ist nicht neu.

Ist Bremen nicht doch ein Signal dafür, dass die Erosion der Volksparteien jetzt auch bei der Union angekommen ist?

Die Erosion der Volksparteien ist bei der CDU schon längst angekommen, sie steht nur noch besser da als die SPD.

Aber was kann die Union tun, um die Erosion zu verlangsamen oder sogar aufzuhalten?

Ich denke, dass es da kein Mittel gibt, weil das das Ergebnis langfristiger Wählerentwicklungen ist. Es hängt auch sehr stark an Personen: Als Ole von Beust von Beust in Hamburg von Bord ging, hat die CDU ihren vorerst letzten Politiker verloren, mit dem sie in den Großstädten punkten konnte.

Können die Grünen die Lücke füllen, die sich hier auftut?

In den Großstädten können die Grünen diese Lücke zweifelsohne füllen. Sie stehen in allen Großstädten relativ gut da. Großstädte sind ja häufig auch Universitätsstädte und bieten damit das entsprechende Wählerpotenzial. Ich glaube allerdings auch, dass die Grünen die CDU so schnell nicht ersetzen können, denn dazu gehört mehr, als mit Studenten gute Stimmenergebnisse zu bekommen. Dazu gehört, dass man auch außerhalb der eigenen Kernwählerschaft reüssiert.

Die CDU macht gelegentlich den Eindruck, als wolle sie den Grünen nacheifern. Gleichzeitig werden schwarz-grüne Bündnisse regelrecht verteufelt. Wäre nicht eine umgekehrte Strategie sinnvoller: Koalitionen mit den Grünen bei Wahrung eines konservativen Profils?

Das versucht die Union ja schon in einer ganzen Reihe von Städten, beispielsweise in Bonn. Da funktioniert die Koalition sehr gut. Mit Blick auf schwarz-grüne Koalitionen sehe ich eher das Problem, dass es bei den Grünen auf Bundesebene starke Vorbehalte gegen die CDU gibt.

Der schleswig-holsteinische CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher hat seine Partei jetzt aufgefordert, verstärkt um Zuwanderer zu werben und auf Verbraucherschutzthemen wie gesunde Ernährung zu setzen.

Das alleine wird nicht reichen. Es ist sicherlich sinnvoll, aber es ist nicht die goldene Formel, mit der das Problem erledigt wird.

Welche Formel wäre das?

Das ist sehr schwer. Die CDU muss in allen Altersschichten in den Großstädten gewinnen können. Das muss bei der Jugend beginnen - die CDU muss eine jugendgestützte Partei sein. Die Grünen haben das in einzelnen Städten und Stadtteilen vorgemacht. Das wird die CDU so nicht schaffen können, aber sie muss sich die Grünen in diesem Punkt zum Vorbild nehmen. Die CDU muss sich fragen, ob sie die klassischen grünen Milieus nicht auch für sich gewinnen kann. Das Ganze ist aber ein langfristiger Prozess.

Die Junge Union ist eher konservativer als die Mutterpartei. Kann das ein Weg sein, um wieder erfolgreicher zu werden?

Nein. Die Wahlen werden in der Mitte gewonnen.

In Berlin finden im September Abgeordnetenhauswahlen statt, dabei wird die CDU von rechts von zwei Parteien attackiert. Sehen Sie die Gefahr, dass der Union das gleiche Schicksal droht wie der SPD mit der Linkspartei?

Diese Mini-Parteien nehmen der CDU Stimmen weg, eine nachhaltige Bedrohung stellen sie wohl eher nicht dar. Spannender finde ich die Frage, ob die Grünen auch in Berlin stärker werden als die CDU.

Und?

Es ist möglich.

Mit Gerd Langguth sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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