Ermittlungen im Fall Nemzow Es war ein minutiös geplanter Auftragsmord
28.02.2015, 12:03 Uhr
Die Sanitäter konnten nichts mehr für Nemzow tun.
(Foto: imago/ITAR-TASS)
Die ganze Welt drängt Russland, die Mörder von Boris Nemzow zu suchen und zur Verantwortung zu ziehen. Schon wenige Stunden nach der Tat melden sich die Ermittler mit einem Zwischenstand und bestätigen die schlimmsten Befürchtungen.
Der Mord an dem russischen Oppositionellen Boris Nemzow war nach ersten Angaben der Ermittler "minutiös geplant". Auch der Tatort sei sehr genau ausgewählt worden, erklärte das zuständige Ermittlungskomitee. Der 55-jährige Kritiker von Präsident Wladimir Putin war am Freitagabend kurz vor Mitternacht im Herzen Moskaus auf offener Straße erschossen worden.
Den Ermittlern zufolge wurde aus einem Auto heraus auf Nemzow gefeuert, der mit seiner "weiblichen Begleitung" zu seiner nahe gelegenen Wohnung gehen wollte. Das Paar war auf einer Brücke, die sich unmittelbar am Kreml befindet. Es sei "offensichtlich", dass die "Organisatoren und Ausführenden des Verbrechens" wussten, welchen Weg Nemzow nehmen würde, hieß es in der Erklärung weiter.
Die Ermittler gehen von einem politischen Auftragsmord aus. Die Täter könnten demnach das Ziel gehabt haben, die Lage in Russland zu destabilisieren. Verfolgt werde auch eine islamistisch-extremistische Spur, sagte der Sprecher der russischen Ermittlungsbehörde Wladimir Markin. Demnach soll Nemzow Drohungen erhalten haben, weil er sich nach dem Terroranschlag auf das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo" mit den Journalisten solidarisch gezeigt hatte. Die Ermittler gehen zudem einer möglichen ukrainischen Spur nach. Nemzow galt als glühender Unterstützer der prowestlichen Führung in Kiew. Demnach halten es die Fahnder für möglich, dass außer Kontrolle geratene Kräfte in der Ukraine, die Russland schaden wollten, für den Auftragsmord verantwortlich seien. Markin sagte, dass nicht zuletzt die geschäftlichen Kontakte des früheren Vize-Regierungschefs und Energieministers untersucht würden.
Hoffnung auf Tatvideo
Über Täter und Hintermänner ist bisher nichts bekannt. Nemzow wurde mehrmals in den Rücken geschossen, Zeugen berichteten von insgesamt sieben Schüssen. Vier Kugeln trafen Nemzow demnach in den Rücken. Der oder die Täter nutzten den Angaben der Ermittler zufolge offenbar eine Makarow-Pistole, wie sie vom russischen Militär und der Polizei verwendet wird. Am Tatort seien sechs Patronenhülsen verschiedener Hersteller gefunden worden, was die Fahndungsarbeit erschwere. Die Zeugen des Mordes wurden laut dem Komitee bereits vernommen. Darunter war auch Nemzows Begleiterin.
Der Friedensnobelpreisträger und frühere Kremlchef Michail Gorbatschow sagte: "Die Verbrecher müssen gefunden werden, aber auf solche Delikte lassen sich Täter ein, die gewöhnlich schwer ausfindig zu machen sind." Der Tatort auf der "Großen Moskauer Brücke" wird auch videoüberwacht. Den Ermittlern zufolge werden nun die Aufnahmen der Videoüberwachung gesichtet sowie die Telefonverbindungen im Umfeld des Tatorts rekonstruiert.
Am 10. Februar hatte Nemzow noch in einem Interview gesagt, er habe nicht so große Angst wie seine Mutter, dass ihn Putin umbringen lasse. "Wenn ich sehr große Angst davor hätte, würde ich keine politische Partei führen, würde ich nicht das tun, was ich tue."
Quelle: ntv.de, sba/dpa