Politik

Paris unter Schock "Es war wie im Krieg"

Blumen und Kerzen vor der Konzerthalle, in der Terroristen am Freitag ein Massaker verübt haben.

Blumen und Kerzen vor der Konzerthalle, in der Terroristen am Freitag ein Massaker verübt haben.

(Foto: dpa)

Keine 24 Stunden, nachdem eine Serie von Anschlägen die französische Hauptstadt erschüttert hat, herrscht in Paris Fassungslosigkeit. Viele Einwohner haben Angst vor weiteren Attentaten.

Mehrere Kerzen brennen an der Ecke des Boulevard Richard-Lenoir und der Rue Oberkampf im 11. Arrondissement von Paris. Daneben haben Menschen Blumen niedergelegt. Der Teil des Boulevards, in dem sich der Konzertsaal Bataclan befindet, ist abgesperrt. Mehrere Polizeiautos stehen davor. Hier haben sich einige Menschen versammelt. Ihre Gesichter sind ernst, fassungslos. Viele sind gekommen, um zu versuchen zu begreifen, was hier in der Nacht zuvor passiert ist.

Es war gegen 21.20 Uhr, als sich am Freitag an mindestens sechs verschiedenen Orten in Paris mehrere Schießereien und Explosionen ereigneten. Die Gegend nahe des Stade de France, im Norden der Stadt, wo das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Frankreich stattfand, wurde von drei Explosionen erschüttert. Fast zeitgleich stürmten schwer bewaffnete Angreifer die Konzerthalle Bataclan im Stadtzentrum, schossen wahllos in die Menge und töteten mindestens 89 Menschen. Einige der Besucher konnten in das Attitude Café, ein Stück die Straße hinunter, fliehen. "Da waren überall Menschen mit Schusswunden, Blut und Geschrei", erzählt der Barmann bitter. In zwei Restaurants nahe des Place de La République sowie etwas weiter südlich in der Rue de Charonne und in der Brasserie Comptoire Voltaire kam es ebenfalls zu Schießereien.

Eine kaputte Armbanduhr vor dem Bataclan.

Eine kaputte Armbanduhr vor dem Bataclan.

(Foto: dpa)

"Das alles erscheint mir komplett irreal, ich fühle mich einfach machtlos", sagt der 20-jährige Tancredé. "Ich war im Sommer öfters im Bataclan, das war das erste, woran ich denken musste." Gemeinsam mit seinem Bruder Alban legt er einen Blumenstrauß an der Absperrung am Boulevard Richard-Lenoir nieder. "Bekannte von mir waren gestern im Bataclan, sie konnten sich in einer Bar in der Nähe in Sicherheit bringen", erzählt Alban. "Auch wenn wir heute noch die Angst im Hinterkopf behalten, es war uns ein Anliegen, herzukommen, unser Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer auszudrücken und Einigkeit zu zeigen", fährt er fort.

Keine 24 Stunden nach dem Anschlag steht Paris unter Schock. Staatspräsident François Hollande hatte kurz nach den Ereignissen den Ausnahmezustand ausgerufen und die Pariser dazu aufgefordert, vorerst zu Hause zu bleiben. Zwar sieht man am Samstagnachmittag einige Menschen auf den Straßen, allerdings viel weniger als gewöhnlich. Immer wieder ertönen Polizeisirenen. Die meisten Bekleidungsgeschäfte haben geschlossen, geöffnet sind hauptsächlich Lebensmittelläden, Bars und Boulangerien. Auch vor dem Rathaus des 11. Arrondissements liegen Blumen. Dort wurde eine Stelle zur psychologischen Erstbetreuung der Opfer eingerichtet.

Ein Stück weiter, den Boulevard Richard-Lenoir hinunter, auf der anderen Straßenseite auf Höhe des Bataclan, blickt Teixeira Cabral fassungslos auf die Konzerthalle. "Ich habe zwei große Anschläge in Paris miterlebt, 1981 und 1995, aber was gestern passiert ist, war mit Abstand das Schlimmste", stammelt die 53-Jährige. "So habe ich die Stadt noch nie erlebt. Als ich nachts nach Hause gekommen bin, ist mir meine 11-jährige Tochter in die Arme gefallen und hat gerufen: 'Mama, zum Glück bist du am Leben!' Ich habe jetzt Angst, um mich und um meine Kinder."

"Es hat keinen Sinn, sich zu fürchten", widerspricht Doukas Constantin, der sein Rad den Boulevard entlang schiebt. "Wir müssen lernen, uns zu schützen."

Auch am anderen Ende der Absperrung, an der Kreuzung des Boulevard Richard-Lenoir und des Boulevards Voltaire, haben sich mehrere Menschen versammelt. "Ich wohne  genau hier", sagt Sheherazade Bahri und deutet auf das Gebäude an der Kreuzung. Die Künstlerin steht im Schlafanzug und mit Hausschuhen auf der Straße und starrt hinüber zur Konzerthalle. "Gegen 22 Uhr habe ich gestern draußen Krach gehört, aber ich habe natürlich nicht gleich verstanden, was los war. Dann hörte ich Polizeisirenen. Durch das Fenster sah ich Einsatzfahrzeuge, Menschen rannten davon und schrien. Ich hatte Angst, dass einige der Täter versuchen würden, in das Gebäude einzudringen und weitere Geiseln zu nehmen", erzählt Bahri, "Man hatte den Eindruck, da draußen herrscht Krieg."

Quelle: ntv.de

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