Ansagen an SPD und Grüne Lindner: Zeiten des Bazooka-Prinzips sind vorbei
22.07.2022, 12:54 Uhr (aktualisiert)
Christian Lindner hat aus dem Urlaub ein paar Botschaften für SPD und Grüne mitgebracht.
(Foto: picture alliance/dpa)
Gleich bei mehreren Themen macht FDP-Chef Lindner seinen Koalitionspartnern Ansagen: Wer weitere Entlastungen fordere, müsse sagen, woher das Geld kommen solle. Ein Bürgergeld ohne Sanktionen werde es keinesfalls geben. Und Laufzeitverlängerungen wären für SPD und Grüne doch gar kein so großer Schritt, sagt Lindner ntv.de.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat weiteren Entlastungen noch in diesem Jahr eine Absage erteilt. "Wir haben bereits enorm entlastet", sagte der FDP-Vorsitzende ntv.de. "Wir müssen fortwährend zusätzliche Ausgaben schultern, wenn es etwa um die Stabilisierung von Unternehmen in der Energiewirtschaft geht. Wer glaubt, im Bundeshaushalt gebe es noch irgendwo eine versteckte Schatzkiste, der irrt sich."
Vor wenigen Tagen hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gesagt, wegen der kräftig gestiegenen Gaspreise seien weitere Entlastungen für mittlere und geringe Einkommen im kommenden Jahr unausweichlich. Er sei sich sicher, "dass das Finanzministerium dafür noch Vorsorge schaffen wird", so der Grünen-Politiker.
SPD-Chefin Saskia Esken hatte zudem eine weitere Aussetzung der Schuldenbremse gefordert. Auch dies lehnte Lindner ab. "Inflation oder eine Rezession sind keine Gründe, die Schuldenbremse aufzuheben", sagte er. Deutschland könne sich Schulden nicht mehr leisten, weil der Staat inzwischen selbst hohe Zinslasten habe. "Für das nächste Jahr muss ich mit 30 Milliarden Euro Zinskosten planen. 2021 waren es 4 Milliarden Euro."
Lindner betonte, die Bundesrepublik erlebe auch ökonomisch eine Zeitenwende. "Wer noch in diesem Jahr mehr Geld ausgeben will, muss auch zugleich sagen, woher das Geld kommen soll. Einfach nur nach höherer Kreditaufnahme zu rufen, das werde ich im Interesse des Landes nicht akzeptieren können. Die Zeiten, in denen wir während der Pandemie nach dem Bazooka-Prinzip agiert haben, sind vorbei."
Bürgergeld kommt "auf gar keinen Fall" ohne Sanktionen
Einen Verzicht auf Sanktionen beim geplanten Bürgergeld lehnte Lindner kategorisch ab. Auf die Frage, ob die aktuell geltenden Aussetzung der Hartz-IV-Sanktionen beim Bürgergeld übernommen werde, sagte er: "Auf gar keinen Fall." Beim Bürgergeld müsse es bei Pflichtverstößen Sanktionen geben.
Zum 1. Juli war eine von der Ampel beschlossene Aussetzung der Hartz-IV-Sanktionen in Kraft getreten. Die Koalition reagierte damit auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019. Die SPD hatte in ihrem Wahlprogramm die Abschaffung von "sinnwidrigen und unwürdigen Sanktionen" versprochen, die Grünen hatten sich für eine Garantiesicherung ohne Sanktionen ausgesprochen. Im Koalitionsvertrag verständigten sich die Ampelparteien darauf, die bisherigen Sanktionen für ein Jahr auszusetzen.
Lindner sagte, wer beispielsweise Termine nicht wahrnehme, "dem muss durch Sanktionen eine Grenze aufzeigt werden können". Die von SPD und Grünen geforderte Erhöhung der Regelsätze lehnte Lindner ebenfalls ab. "Stattdessen müssen wir die Zuverdienstmöglichkeiten verbessern. Aus dem Bürgergeld darf kein bedingungsloses Grundeinkommen werden."
Lindner für Fracking und Laufzeitverlängerung
In der Debatte um eine drohende Gasknappheit sprach Lindner sich für die Suche "nach Lagerstätten von eigenen Gas- und Ölvorkommen in Europa" aus. Erdgasgewinnung durch "Fracking überall" sei in Deutschland zwar keine Option, sagte er. "Aber Vorkommen in der Nordsee zu nutzen, ist sinnvoll und machbar. Auch an Land wird es Situationen geben, wo die Nutzung unkonventioneller Gasvorkommen verantwortbar ist."
Zudem plädierte der Bundesfinanzminister für eine Verlängerung der Laufzeiten der drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke. "Wir sollten in dieser Notsituation nicht zu wählerisch sein", sagte Lindner. Langfristig sei Kernkraft keine wirtschaftlich sinnvolle Option. "In der kurz- und mittelfristigen Perspektive gehört eine befristete Laufzeitverlängerung aber ernsthaft auf den Tisch."
Ein Tempolimit als Gegenleistung für SPD und Grüne lehnte Lindner klar ab. "Wir haben gegenwärtig zwar einen hohen Ölpreis, aber keine Ölknappheit. Diese beiden völlig unterschiedlichen Themen miteinander zu vermengen, wäre nur ein politisches Basar-Geschäft. Das wird dem Ernst der Lage nicht gerecht."
Es gehe darum, Realitäten anzuerkennen - die FDP habe das schließlich auch getan. "Ich habe 100 Milliarden Euro an Krediten aufgenommen für das Sondervermögen Bundeswehr, weil der Rückstand bei der Ausstattung sonst nicht aufzuholen wäre", so Lindner. Eine befristete Laufzeitverlängerung sehe er für SPD und Grüne "als einen geringen Schritt, weil Sozialdemokraten und Grüne doch das gemeinsame Ziel teilen, eine sichere, möglichst günstige und klimafreundliche Energieversorgung zu haben". Für ihn sei eher erklärungsbedürftig, "warum man lieber Braunkohlekraftwerke bis ans Maximum wieder hochfährt, statt die sicheren, CO2-freien Kernkraftwerke eine ganz kurze Zeit länger zu betreiben".
(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 20. Juli 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, hvo/jga