
Gekämpft und verloren: Kubicki, Dürr und Lindner am Wahlabend.
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Sie haben gekämpft, doch am Ende hat es nicht gereicht. Zum zweiten Mal nach 2013 fliegt die FDP aus dem Bundestag. Parteichef Lindner kündigt seinen Rückzug an. Seine Nachfolge ist völlig offen. Ebenso das Schicksal der Partei.
Der nächste Bundestag wird ohne eine dezidierte liberale Stimme auskommen müssen: Die FDP verpasst den Wiedereinzug ins Parlament und geht damit zum zweiten Mal nach 2013 in die außerparlamentarische Opposition. Parteichef Christian Lindner kündigte in der ARD an, nicht noch einmal für den Vorsitz kandidieren zu wollen. Damit geht eine Ära zu Ende - für die FDP, aber auch für das Land.
Im TV-Duell hatte CDU-Chef Friedrich Merz gesagt, ohne FDP wäre der Bundestag ärmer, aber dennoch lebensfähig. Kanzler Olaf Scholz schloss sich dem an. Wie sie das meinten, sagten sie nicht. Aber es gab auch andere Stimmen, die schon vorab ihr Bedauern äußerten - für den Fall, dass es diesmal nicht reichen würde. Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel zum Beispiel, oder der Philosoph Peter Sloterdijk.
Der Bundestag wird tatsächlich um eine wichtige Stimme ärmer. Nicht nur, weil keine andere Partei so vehement auf solide Staatsfinanzen, insbesondere die Einhaltung der Schuldenbremse drängt. Man muss in diesem Punkt nicht jede Meinung der Liberalen teilen. Vor allem nicht in dieser historischen Lage. Aber die Argumente sind berechtigt und verdienen es, gehört zu werden.
Doch man verkennt die FDP, wenn man sie auf die Schuldenbremse verengt. Andere Themen sind für das liberale Weltbild ebenso zentral: Der Aufstieg durch Bildung beispielsweise. Das klare Bekenntnis zur Eigenverantwortung und Eigeninitiative. Wer eher links steht, mag da nur Egoismus oder einen Mangel an Solidarität hören. Doch ohne Eigenverantwortung kann eine Gesellschaft nicht funktionieren.
Ermöglicherin linker Politik?
Man muss gar nicht groß fragen, ob diese Themen, diese Werte noch relevant sind. Sie sind es auf jeden Fall. Die Frage bei der FDP war und ist eher immer, ob andere Parteien nicht ebenso liberal sind. Aber auch diese Frage führt am Kern des Warums vorbei. Warum der FDP die Wähler von der Fahne gegangen sind, ist offenkundig: Es lag an der Ampel.
Das sagt auch Lindner selbst. Nachdem zu Beginn der Ampel noch Aufbruchsstimmung herrschte, viel vom Zauber des Anfangs die Rede war, verlegte sich der Parteichef irgendwann darauf zu betonen, dass die FDP vor allem aus staatspolitischer Verantwortung in die Regierung eingetreten sei. Also weil sie musste. Für das Land. Aber nicht, weil sie gewollt hätte. Der Unmut an der Basis war deutlich. Ende 2023 gab es gar einen Mitgliederentscheid über den Verbleib in der Ampel. Die FDP galt manchen als Ermöglicherin linker Politik.
Lindner bemühte sich nach Kräften, genau diesen Eindruck zu vermeiden. Doch das bedeutete ständige öffentliche Kritik an den Partnern. Er hatte zwar nicht unrecht, wenn er sagte, die anderen attackierten ihn doch auch ständig. Doch letztlich fand sich der Parteichef in einer Wie-man's-macht-ist-es-verkehrt-Lage wieder. Entweder er war zu zahm für die eigene Basis oder er befremdete bürgerliche Wähler mit seinem breitbeinigen Auftreten. Die mit der vom wirtschaftsfreundlichen Merz geführten CDU eine attraktivere Alternative hatten. Die D-Day-Affäre schlug genau in diese Kerbe. Auch wenn Lindner stets bestritt, dass er das Ampel-Aus provozieren wollte.
Ein weiterer Grund könnte ausgerechnet das neue Wahlrecht sein. Das hatte die FDP mitbeschlossen, um den Bundestag endlich zu verkleinern. Doch da es nun keine Sitz-Garantie für direkt gewählte Kandidaten gibt, wurde die Zweitstimme deutlich aufgewertet. Das wiederum veranlasste die Union dazu, vehement für beide Stimmen zu werben. Das könnte zu Lasten der FDP gegangen sein.
Wer wird der nächste Lindner?
Hinzu kam: Parteien, die mit der Fünfprozenthürde ringen, haben es immer schwer. Es ist eine Art Todeszone. Kommt die Partei nicht in den Bundestag, ist die Stimme verloren. Wer in so einer Lage für eine Partei stimmt, muss wirklich überzeugt sein. Dagegen anzukämpfen, ist schwer. Genau darauf wies Merz hin, als er sagte: Vier Prozent für die FDP sind vier Prozent zu wenig für die Union.
Die Frage ist nun, wie es weiter geht. Ob es noch weitergeht. Als die FDP 2013 aus dem Bundestag ausschied, übernahm Christian Lindner das Ruder. In seinem Buch "Schattenjahre" beschreibt er eindringlich, wie mies die Lage der Partei war. Das Medieninteresse sei erloschen und in den Umfragen sei die FDP teilweise nur noch unter den Sonstigen geführt worden. Das Geld war knapp. Doch immerhin war sie noch in den Landtagen von elf Bundesländern vertreten. Derzeit sind es nur noch neun. Bayern und Niedersachsen sind weggebrochen. Dafür ist Bremen hinzugekommen.
Damals baute Lindner die Partei wieder auf, erfand sie neu, deklinierte den Liberalismus neu durch. In Nordrhein-Westfalen und 2017 wie 2021 im Bund feierte er sensationelle Erfolge. Seit zwölf Jahren ist er nun im Amt, länger als Hans-Dietrich Genscher. Die "Süddeutsche Zeitung" nannte ihn einmal den besten Vorsitzenden, den die Partei je gehabt habe. Sein Ende hat Tragik: Er ist derjenige, der die Partei wieder in Bundestag und Regierungsverantwortung hineingeführt hat und er ist es, unter dem sie erneut ausscheidet.
Noch ist völlig offen, wer die Nachfolge Lindners antreten könnte. Natürlich gibt es ein paar Namen. Johannes Vogel, der parlamentarische Geschäftsführer beispielsweise oder Konstantin Kuhle, der Landeschef von Niedersachsen. Auch der bisherige Fraktionschef Christian Dürr könnte weiter Führungsaufgaben übernehmen. Positioniert hat sich niemand, im Wahlkampf wäre das auch unangebracht gewesen. Klar ist nur eines: Die FDP kämpft jetzt wieder ums Überleben.
Quelle: ntv.de