"Das Verhalten ist ungehörig" FDP sägt an Murphys Stuhl
03.12.2010, 17:10 UhrDie FDP-Spitze bemüht sich im Fall des Informanten der US-Botschaft in Berlin um Schadensbegrenzung. Nach der Enttarnung ihres Maulwurfs gibt es jetzt Stimmen in der FDP-Bundestagsfraktion, die eine Abberufung von US-Botschafter Murphy verlangen. Für die Bundesregierung ist das kein Thema. Die Opposition sieht darin ein Ablenkungsmanöver der Liberalen.
Knapp eine Woche nach den Wikileaks-Enthüllungen über Einschätzungen der US-Botschaft zu deutschen Regierungsmitgliedern ist eine heftige Debatte über eine Abberufung von Botschafter Philip Murphy entbrannt. Kanzlerin Angela Merkel und Politiker von Union und Grünen verwahrten sich gegen solche Forderungen aus der FDP. Die Liberalen, aus deren Reihen Murphys Informant stammt, bemühten sich derweil um Schadensbegrenzung.
"Die Bundesregierung fordert ausdrücklich nicht die Abberufung des Botschafters", sagte Merkels Sprecher Steffen Seibert. Das deutsch-amerikanische Verhältnis sei belastbar und wichtig. Seibert verwies darauf, dass die Bundesregierung von den USA bereits vor der Veröffentlichung der vertraulichen Dokumente durch Wikileaks "erklärende Anrufe" erhalten habe.
Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz, stärkte Murphy demonstrativ den Rücken. "Die Forderung nach einer Abberufung ist abwegig", sagte Polenz. "Der Botschafter ist nicht für die Veröffentlichung von Wikileaks verantwortlich." Betroffen sei zudem der gesamte diplomatische Dienst der USA. Wie Philip Murphy deutsche Politiker beurteile, sei im Übrigen seine Sache.
Zweifel in den Regierungsfraktionen
In den schwarz-gelben Regierungsfraktionen und vor allem der FDP gibt es dennoch Zweifel, ob Murphy nach der Veröffentlichung vertraulicher Berichte aus seiner Botschaft noch das volle Vertrauen seiner Gesprächspartner genießt. Der FDP-Abgeordnete Hans-Michael Goldmann forderte die US-Regierung auf, Murphy aus Berlin abzuberufen. "Das Verhalten von Herrn Murphy ist ungehörig. So ein Botschafter muss nach Hause geholt werden", sagte er der "Bild"-Zeitung. Der FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai und der FDP-Verkehrsexperte Patrick Döring kritisierten, Murphy sei kein vertrauensvoller Gesprächspartner mehr.
Aber auch in der Union gibt es Zweifel: Der stellvertretende außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl-Georg Wellmann, wies zwar die Abzugsforderung zurück. Er sagte aber: "Es ist Sache der USA zu entscheiden, wie und mit wem sie angesichts dieser Berichte ihre Aufgaben in Deutschland effektiv erledigen wollen." Die ganze Sache sei außerordentlich unglücklich. "Es gibt ein allgemeines Unverständnis unter deutschen Parlamentariern über den Umgang mit sensiblen Daten in den USA", sagte Wellmann.
Opposition spricht von "Ablenkungsmanöver"
Die Grünen werteten die Forderungen aus der FDP nach Abberufung Murphys als Ablenkungsmanöver von parteiinternen Problemen. "Nur weil die FDP ihren Laden nicht im Griff hat, kann man nicht die Abberufung des Botschafters verlangen", sagte der Vorsitzende der Grünen Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin. Das sei völlig überzogen.
Auch die Linkspartei hält eine Abberufung Murphys für falsch. Die FDP solle lieber ihre Büroleiter besser auswählen, sagte Linken-Politiker Stefan Liebich. Allerdings sollten auch die USA die Daten vertraulicher Gespräche besser schützen.
FDP hält den Ball flach
In FDP-Kreisen hieß es, der inzwischen suspendierte Büroleiter von Parteichef Guido Westerwelle, Helmut Metzner, habe nie mit Murphy selbst gesprochen. Er habe vielmehr auf Arbeitsebene Kontakt mit einem Botschaftsmitarbeiter gehabt, der die Informationen in indirekter Rede weitergegeben habe. Außerdem sei Westerwelles entscheidendes Büro derzeit im Auswärtigen Amt, hieß es in der Parteispitze. Das Büro in der Parteizentrale, das Metzner seit Jahresanfang leitete, sei vor allem für die Terminkoordination zuständig. Auch schon zu Oppositionszeiten sei Westerwelles wichtigstes Büro nicht das in der Parteizentrale sondern das des FDP-Fraktionschefs gewesen.
Quelle: ntv.de, rts