Nach Schredder-Skandal Friedrich will neuen Verfassungsschutz
03.07.2012, 16:32 Uhr
Zukunft ohne "Schlapphut-Image"? Der deutsche Verfassungsschutz steht vor einer ungewissen Zukunft.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Schock sitzt immer noch tief. Die Verfassungsschutz-Affäre ist mit dem Abschied des Behördenchefs Fromm noch längst nicht ausgestanden. Minister Friedrich dringt jetzt auf Reformen. Der Bundestag will unterdessen die Hintergründe der Aktenvernichtung aufklären.
Nach dem Rückzug von Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm wird es weitere Konsequenzen aus den Ermittlungspannen in der Neonazi-Affäre geben. Innenminister Hans-Peter Friedrich kündigte eine Reform des Inlandsgeheimdienstes an. Auch der Ruf nach weiteren personellen Veränderungen wurde laut. Dabei fiel der Name von Bundeskriminalamtschef Jörg Ziercke.

Der eine hat keine Arbeit mehr, der andere bald noch mehr als bisher: Ex-Verfassungsschutz-Chef Heinz Fromm und Innenminister Hans-Peter Friedrich.
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Friedrich war dem Wunsch Fromms auf Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand zum 31. Juli nachgekommen. Wenige Tage zuvor war bekanntgeworden, dass nach dem Auffliegen des Neonazi-Trios Verfassungsschützer im vergangenen November Akten zur Beobachtung der rechten Szene geschreddert haben. Friedrich sagte dazu im Deutschlandfunk, so etwas dürfe nicht passieren und dürfe auch nicht ohne Konsequenzen bleiben. Nach dem Ausscheiden Fromms "werden wir ganz in Ruhe über Reformen oder über Veränderungen beim Verfassungsschutz reden".
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle forderte sogar einen umfassenden Umbau aller Sicherheitsbehörden in Deutschland. "Nach der Aufklärung der aktuellen Vorfälle sollte die Koalition sich an eine grundlegende Reform der Strukturen der Sicherheitsinstitutionen machen", sagte Brüderle der "Rheinischen Post". Zugleich forderte der FDP-Politiker eine stärkere Verzahnung der Landesämter und des Bundesamts für Verfassungsschutz.
Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte, der Verfassungsschutz müsse sich vom Schlapphut-Image verabschieden. "Verfassungsschützer müssen nicht in erster Linie Geheimdienstler sein, sondern geschulte Demokraten, mit einem richtigen Gespür für die Gefahren, die unserer Demokratie drohen." Auch das Parlamentarische Kontrollgremium könnte "noch professioneller arbeiten", wie der Vergleich mit den USA zeige, wo die beiden Kontrollausschüsse jeweils rund 60 Mitarbeiter hätten.
Abschaffen oder erneuern?
Auch der Grünen-Chef Cem Özdemir forderte im "Hamburger Abendblatt": "Der Verfassungsschutz auf Bundes- und Landesebene gehört komplett auf den Prüfstand." Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, plädierte sogar dafür, über seine Abschaffung nachzudenken.
Der Untersuchungsausschuss zur Neonazi-Affäre kam inzwischen zu weiteren Zeugenvernehmungen zusammen. Am Donnerstag soll auch Fromm dem Gremium Rede und Antwort stehen. Der Ausschuss untersucht, wie es zur Mordserie der Neonazi-Terroristen kommen konnte, die zehn Menschen getötet haben und trotzdem jahrelang untertauchen konnten.
Der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy schloss weitere Rücktritte nicht aus. "Je mehr man unter den Teppich kehren möchte, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man irgendwann über den Teppich stolpert", sagte der SPD-Politiker. Manuel Höferlin wurde deutlicher. "Der Rückzug Fromms reicht nicht aus. Aus dem Versagen der Sicherheitsbehörden müssen weitere personelle Konsequenzen folgen", sagte der FDP-Innenexperte der "Bild"-Zeitung. "Das betrifft insbesondere BKA-Chef Jörg Ziercke."
Am Donnerstag soll vor dem Untersuchungsausschuss auch der Beamte erscheinen, der im vergangenen November die Aktenvernichtung angeordnet hat. "Wir müssen sehen, ob etwas vertuscht werden sollte", sagte SPD-Obfrau Eva Högl.
Quelle: ntv.de, dpa