Politik

FDP kommt doch noch auf fünf Prozent Große Koalition am wahrscheinlichsten

Bouffier, Schäfer-Gümbel, Al-Wazir und Wissler wollen alle regieren. Bloß wer mit wem?

Bouffier, Schäfer-Gümbel, Al-Wazir und Wissler wollen alle regieren. Bloß wer mit wem?

(Foto: dpa)

Die Wahlen um den Wiesbadener Landtag führen zu den gefürchteten "Hessischen Verhältnissen". Schwarz-Gelb ist abgewählt, aber auch Rot-Grün hat keine Mehrheit. Da die FDP den Einzug in den Landtag schafft, ist eine Große Koalition am wahrscheinlichsten.

In Hessen ist das eingetreten, was viele befürchtet haben. Ergebnis der Landtagswahl sind die berüchtigten "Hessischen Verhältnisse". Klare Mehrheiten der klassischen Lager: Fehlanzeige. Die CDU wird zwar stärkste Kraft, doch so richtig zufrieden sein kann sie mit dem Ergebnis nicht: Die Koalition mit der FDP ist am Ende. Die Liberalen kommen zwar knapp in den Landtag, doch laut vorläufigem Endergebnis verpassen die beiden Parteien die absolute Mehrheit. Ministerpräsident Volker Bouffier muss sich einen neuen Koaltionspartner für seine CDU suchen.

Doch auch für die Opposition lief die Wahl nicht wie gewünscht. Zwar rief SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel seinen Genossen zu: "Das ist ein richtig geiler Abend!" - doch auch Rot-Grün verpasst die Mehrheit. Beide Parteien legten zu, doch es reicht nicht. Der Grund dafür ist das Comeback einer zumindest in Hessen totgeglaubten Partei: Die Linke schaffte wider Erwarten den Einzug in den Wiesbadener Landtag. Spitzenkandidatin Janine Wissler kam daher in einer ersten Runde der Spitzenkandidaten im Hessischen Rundfunk auch kaum aus dem Strahlen heraus. Sie brachte sogleich Rot-Rot-Grün ins Spiel. Doch wie lange Wisslers gute Laune anhält, ist fraglich. Denn wahrscheinlich ist eine rot-rot-grüne  Koalition nicht. SPD und Grüne dürften eher an einem Bündnis mit der CDU interessiert sein.

Zwar hatte Schäfer-Gümbel vorsichtshalber eine Koalition mit der Linkspartei formal nicht ausgeschlossen – doch eine politische Basis sah er mit den Linken auch nicht. Das Gleiche hat er zwar über die CDU gesagt – doch verbindet die beiden großen Parteien nicht eine derart schmerzvolle Geschichte wie SPD und Linke.

SPD sollte nicht in die Ypsilanti-Falle tappen

Zwar haben die hessischen Sozialdemokraten mit dieser Landtagswahl viel Vertrauen bei den Wählern zurückgewonnen, doch dürfte dieses Vertrauen nicht unbedingt gestärkt werden, wenn die SPD nun eine rot-rot-grüne Koalition einginge. Sogleich wäre Bouffier zur Stelle und würde lauthals einen erneuten Wortbruch anprangern. Noch am Wahlabend lauerte er bereits darauf, die Ypsilanti-Falle erneut zuschnappen zu lassen.

Einfacher wäre es da für die SPD, eine Große Koalition mit der CDU einzugehen. Das s Schäfer-Gümbel dafür offen ist, zeigte sein Auftritt nach den ersten Hochrechnungen in Hessen. "Wir wollen gestalten und nicht nur dabei zusehen", rief er den Genossen zu. Zwar sagte er später im Hessischen Rundfunk, dass er nun ersteinmal das Endergebnis abwarten wolle, doch die Botschaft dürfte bei der CDU angekommen sein. Die SPD ist gesprächsbereit.

Auch die CDU muss sich neu orientieren. Da die FDP nicht genug Stimmen gesammelt hat, braucht Bouffier einen neuen Partner. So kündigte er Gespräche mit den "demokratischen Parteien" an. Er kann nicht nur bei der SPD auf Gesprächsbereitschaft rechnen, sondern auch bei den Grünen. "Letztlich entscheidet der Inhalt über Koalitionen", sagte Grünen-Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir.

Schwarz-Grün funktioniert in Frankfurt

Für die CDU wäre die Öko-Partei ein interessanter Partner – so müsste sie ihnen weniger Macht abgeben, als den Sozialdemokraten in einer Großen Koalition der Fall wäre. Zumal eine solches Bündnis in Hessens Metropole Frankfurt bereits seit Jahren erfolgreich praktiziert wird.

Doch dazu dürfte es kaum kommen. Nachdem die FDP doch noch den Einzug in den Landtag geschafft hat, ist Schwarz-Grün unwahrscheinlich. Bouffier hat im Wahlkampf für eine Fortsetzung der aktuellen Koalition geworben, noch am Wahlabend drückte er der FDP die Daumen, dass sie es doch noch schafft, über die Fünf-Prozent-Hürde zu springen. Erst in der Nacht hatte sich gezeigt, dass es dafür doch noch reichen würde.

Da wäre es eine krachende Ohrfeige für die FDP, wenn Bouffier sie nun einfach fallen ließe. Vor allem würden wohl auch seine eigenen Parteifreunde kaum nachvollziehen können. Sie fühlen sich der FDP immer noch näher als den Grünen.

Also Jamaika? Nein. Zwar hätte ein Bündnis aus CDU, FDP und Grünen eine komfortable Mehrheit, doch würde ein solches Dreierbündnis kaum für die "stabilen Verhältnisse" sorgen, die Bouffier haben möchte. Denn es würde ja auch für CDU und Grüne alleine reichen - so wäre die FDP stets das fünfte Rad am Wagen. Zoff wäre programmiert. Umgekehrt wären die Grünen dann Außenseiter in der Koalition. Ob sie viel ihres Programms in einer schwarz-gelb-grünen Koalition durchsetzen könnten, ist fraglich - zumal man beispielsweise bei den Nachtflugregelungen am Frankfurter Flughafen völlig über Kreuz mit der CDU liegt.

Große Koalition brächte stabile Verhältnisse

Bleibt noch die große Koalition. Ein Bündnis von CDU und SPD würde zu den ersehnten stabilen Verhältnissen führen. Für Bouffier könnte sich auszahlen, dass er in seiner dreijährigen Amtszeit stets den versöhnlichen Landesvater gegeben hat und nicht den teils bis aufs Blut polarisierenden Stil seines Vorgängers Roland Koch übernommen hat. Das könnte das Öl im Getriebe von Schwarz-Rot sein - vorausgesetzt die Parteien einigen sich inhaltlich. 

Die CDU hat ein Luxusproblem - aber es bleibt ein Problem: Sie muss sich mit einem Partner einigen. Als stärkste Partei in Hessen hat sie den Anspruch, den Ministerpräsidenten zu stellen. Ansonsten droht neben den "Hessischen Verhältnissen" etwas viel Schlimmeres für das Bundesland – zumindest aus Sicht der CDU. Findet Bouffier keinen neuen Koalitionspartner, bliebe nur noch eine Möglichkeit: Rot-Rot-Grün. Und nach möglicherweise gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen dürften der CDU dann sogar die Argumente gegen die dann letzte mögliche Koalition ausgehen.

Quelle: ntv.de

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