Koalitionsverhandlungen vor dem Ende Grüner veröffentlicht schwarz-roten Vertrag
25.11.2013, 22:50 Uhr
In dieser Nacht verhandeln Union und SPD in der CDU-Zentrale in Berlin.
(Foto: dpa)
Die Pkw-Maut "ist den Schlussverhandlungen zum Koalitionsvertrag vorbehalten", steht im Entwurf für das Regierungsprogramm von Union und SPD. Ein Grüner hat das Papier ins Netz gestellt.
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD liegt bereits vor - zumindest im Entwurf. Veröffentlicht hat den Text keine Zeitung und kein Sender, sondern der grüne Netzpolitiker Malte Spitz. Woher er das Dokument hat, verriet er nicht.
"Ich habe hier einmal den aktuellen Arbeitsstand des Koalitionsvertrags veröffentlicht", teilte Spitz am Abend via Twitter mit. Auf einem Blog der Grünen zur Netzpolitik zeigt Spitz den gesamten Entwurf. Das Dokument besteht aus 177 Seiten und mehr als 8400 Zeilen. Viele Passagen sind allerdings noch in eckige Klammern gesetzt, was bedeutet, dass sie zwischen den Verhandlungspartner noch umstritten sind.
Einige dieser strittigen Punkte dürften erst in der "Nacht der langen Messer" von Dienstag auf Mittwoch zwischen den Parteivorsitzenden Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel geklärt werden. Bislang verbreiten die potenziellen Koalitionäre trotz aller Reibereien Zuversicht. "Ich bin überhaupt nicht besorgt. Wenn jetzt alle, die am Verhandlungstisch sitzen, Vernunft walten lassen, dann werden wir ein gutes Regierungsprogramm bekommen", sagte Seehofer. Als Knackpunkte galten die Details bei Mindestlohn (für die SPD), Pkw-Maut (für die CSU) und Renten (für Union und SPD).
"Es läuft gut"
Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, dessen Arbeitsgruppe schon am vergangenen Freitag einen Erfolg verkündet hatte, sagte, die Parteien kämen gut voran. Es steige noch kein weißer Rauch auf, aber es laufe gut, so Lauterbach.
Die sogenannte kleine Runde mit 15 Spitzenpolitikern beider Seiten hatte am Montagmittag die Verhandlungen fortgesetzt. Die Leiter der Arbeitsgruppen, darunter Lauterbach, waren ebenfalls in die CDU-Zentrale gekommen, um Rückfragen zu einzelnen Fachthemen zu beantworten.
Die Forderung der SPD nach Steuererhöhungen ist bereits offiziell vom Tisch. Die Union will die zusätzlichen Ausgaben durch die Wünsche alle drei Parteien auf 15 Milliarden Euro pro Jahr begrenzen. Bisher stehen mehr als 50 Milliarden Euro im Raum, wenn alle Vorhaben umgesetzt würden.
Details zum Mindestlohn in eckigen Klammern
In dem Entwurf für den Koalitionsvertrag heißt es: "Durch die Einführung eines allgemein verbindlichen Mindestlohns soll ein angemessener Mindestschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichergestellt werden." In eckigen Klammer folgt der Hinweis, dass Startpunkt, erstmalige Festsetzung des Mindestlohns und Differenzierungsmöglichkeiten noch strittig seien.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor der Schlussphase der Verhandlungen Kompromissbereitschaft signalisiert. "Es wird - wenn es zu erfolgreichen Koalitionsverhandlungen kommt - zu einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn kommen", sagte sie in Frankfurt am Main auf einem Kongress der Gewerkschaft IG Metall. Sie äußerte sich allerdings erneut besorgt, "dass das auch Arbeitsplätze kosten kann". Die SPD verlangt einen Mindestlohn von bundesweit 8,50 Euro. Die Union fordert regional- und branchenspezifische Ausnahmen.
Über die Pkw-Maut entscheiden die Chefs
Als strittig werden in dem von Sonntagabend stammenden Entwurf unter anderem die Rentenwünsche von CDU, CSU und SPD sowie die Vorratsdatenspeicherung beschrieben. Zur doppelten Staatsbürgerschaft wird in dem Papier noch keine Aussage gemacht. Zur Pkw-Maut heißt es, diese sei "den Schlussverhandlungen zum Koalitionsvertrag vorbehalten.
Dürftig ist das Kapitel über Konsequenzen aus der NSA-Affäre. In eckigen Klammern steht darin, dass Deutschland seine Spionageabwehr stärken soll. Ansonsten setzen Union und SPD offenbar auf das No-Spy-Abkommen, dessen Wert allerdings bereits jetzt fraglich ist. "Um Vertrauen wieder herzustellen, werden wir ein rechtlich verbindliches Abkommen zum Schutz vor Spionage verhandeln. Damit sollen die Bürgerinnen und Bürger, die Regierung und die Wirtschaft vor schrankenloser Ausspähung geschützt werden." Die USA haben bereits deutlich gemacht, dass sie in einem Abkommen keinen umfangreichen Verzicht auf Spionage in Deutschland erklären werden.
Dobrindt wechselt nach Berlin
Daneben verdichteten sich auch Personalplanungen für das kommende Kabinett. Wie aus Unionskreisen verlautete, soll CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt in Zukunft das Verkehrsministerium übernehmen. Der bisherige Amtsinhaber Peter Ramsauer bekommt das Verbraucherministerium, hieß es aus den Kreisen weiter. Das Ministerium ist verwaist, nachdem sich die bisherige Amtsinhaberin Ilse Aigner in die bayerische Landespolitik abgemeldet hatte. Als Nachfolger von Dobrindt ist Stefan Müller im Gespräch. Müller ist derzeit Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe.
Wie es aus den Kreisen weiter hieß, ist SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erneut für den Posten des Außenministers vorgesehen. Steinmeier hatte den Posten bereits von 2005 bis 2009 in der damaligen Großen Koalition inne. Offen ist allerdings, wer Steinmeier auf den Posten des Fraktionsvorsitzenden folgen könnte. Weiter hieß es, dass der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble das Finanzressort behalten soll.
Hauptausschuss soll Wartezeit überbrücken
Derweil beantragten Union und SPD gemeinsam einen Hauptausschuss im Bundestag. Das in der Plenargeschichte einmalige Gremium soll die Zeit bis zu einer neuen Regierung überbrücken. Denn da die SPD ihre Mitglieder in einem Votum über den Koalitionsvertrag entscheiden lässt, muss die Regierungsbildung zwei Wochen pausieren.
In dem Antrag für die Schaffung eines Hauptausschusses schlagen die beiden großen Fraktionen vor, je 47 ordentliche und stellvertretende Mitglieder zu entsenden. Dem Ausschuss sollen 23 Abgeordnete der Unionsfraktion, 14 Mitglieder der SPD-Fraktion und jeweils 5 Parlamentarier von Linken und Grünen angehören.
Der Vorsitzende des Super-Ausschusses soll von der Union, sein Stellvertreter von der SPD gestellt werden. Das Gremium soll sich unter anderem mit Haushaltsfragen und Europa-Angelegenheiten beschäftigen. Am Donnerstag wird der Bundestag in einer Sondersitzung über den Antrag befinden. Grüne und Linke kritisieren das geplante Übergangsgremium. Der neue Bundestag hatte sich am 22. Oktober fristgemäß konstituiert. Wegen der noch laufenden Koalitionsverhandlungen hat er aber auch zwei Monate nach der Wahl seine Arbeit noch nicht wieder regulär aufgenommen.
Quelle: ntv.de, hvo/mli/dpa/AFP/rts