Politik

Branche will "Beitrag leisten" Gutachten hält Abschöpfung von "Zufallsgewinnen" für rechtswidrig

Der Ökostrom-Anbieter Lichtblick rechnet mit einer Klagewelle, wenn der diskutierte Gesetzentwurf beschlossen würde.

Der Ökostrom-Anbieter Lichtblick rechnet mit einer Klagewelle, wenn der diskutierte Gesetzentwurf beschlossen würde.

(Foto: picture alliance / Hans Ringhofer / picturedesk.com)

Ab dem 1. Januar kommt die Strompreisbremse. Die Bürger sollen dann weniger Geld zahlen, die Energie-Anbieter weniger kassieren. Um die teure Entlastung zu finanzieren, will die Ampel die "Zufallsgewinne" der Branche abschöpfen. Deren Vertreter laufen gegen den Plan Sturm - sind aber auch kompromissbereit.

Die Energie-Branche kritisiert die Bundesregierung heftig für den Plan, die Strompreisbremse durch das Abschöpfen von "Zufallsgewinnen" auf dem Strommarkt mitzufinanzieren. Der Gesetzentwurf verstoße gegen EU-Recht und verletze die Eigentumsgarantie, teilte der Hamburger Energieversorger Lichtblick unter Verweis auf ein Rechtsgutachten mit. "Der geplante Abschöpfungsmechanismus führt zu tiefgreifenden Verzerrungen auf dem deutschen Strommarkt." Folge dieser Entwicklungen seien steigende Strompreise für Verbraucher, eine Behinderung des weiteren Ausbaus von Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie im Einzelfall die Zahlungsunfähigkeit der Anlagenbetreiber.

Scharfe Kritik am Gesetzentwurf, über den die Ampel-Koalition berät, kam auch vom Bundesverband Erneuerbare Energien. Die Präsidentin Simone Peter erklärte: "Es bestehen erhebliche verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken. Rückwirkende Eingriffe in wirtschaftliche Prozesse wurden bereits mehrfach grundsätzlich als klar verfassungswidrig beschieden." Der Verband hatte bereits erklärt, es sei mit einer Klagewelle zu rechnen. Die Bundesregierung sollte alleine aus juristischen Gründen eine einfache steuerliche Lösung wählen.

Realisierte vs. fiktive Erlöse

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Unternehmen, die zuletzt von hohen Preisen an den Börsen profitiert haben, rückwirkend ab dem 1. September zur Kasse gebeten werden. Das betrifft etwa Produzenten von Ökostrom aus Wind und Sonne. Von "Zufallsgewinnen" wird gesprochen, weil die Branche die Gewinne infolge des Ukraine-Krieges unerwartet erzielte. Dafür verantwortlich sind stark gestiegene Gaspreise und der Mechanismus zur Preisbildung auf dem Strommarkt. Der größte Teil der Strompreisbremse soll vom Staat bezahlt werden. Viele Stromerzeuger erzielten gegenwärtig erhebliche Mehreinnahmen, die zum ganz überwiegenden Teil unerwartet gewesen seien, heißt es im Gesetzentwurf.

Diese sollen grundsätzlich anhand der Preise am Spotmarkt beziehungsweise von energieträgerspezifischen Monatsmarktwerten für Windenergie- und Solaranlagen berechnet werden. Darüber hinaus könnten die Ergebnisse aus Absicherungsgeschäften am Terminmarkt sowie eine anlagenbezogene Vermarktung berücksichtigt werden - insbesondere sogenannte Power-Purchase-Agreements. Das sind spezielle, oft langfristige Stromabnahmeverträge.

Vorgesehen ist nun laut Lichtblick, diese Verträge in vielen Fällen nicht nach den zwischen Betreiber und Käufer vereinbarten fixen Preisen, sondern nach dem Spotmarkt abzuschöpfen - obwohl der Anlagenbetreiber seinen Strom nicht am Spotmarkt verkauft. Die Spotmarktpreise liegen häufig deutlich höher als die vereinbarten Preise. Das Gutachten spricht von "fiktiven Erlösen", welche die Regierung abschöpfen wolle - die die Unternehmen aber tatsächlich nie erwirtschaftet hätten. Das solle für Verträge gelten, die ab November abgeschlossen werden. Dies sei aber nach EU-Vorgaben unzulässig. Diese ließen nur die Abschöpfung realisierter Erlöse zu.

Energie-Anbieter fordert "echte Übergewinnsteuer"

Lichtblick rechnet mit einer Klagewelle. Chefjurist Markus Adam sprach von einer "verfassungswidrigen Sonderabgabe". Ein Ausweg wäre eine "echte Übergewinnsteuer" für erneuerbare Energien. Der Staat sollte die tatsächlichen, durch die Krise gestiegenen Gewinne der Anlagenbetreiber zusätzlich besteuern.

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Kritik am Gesetzentwurf kam unter anderem auch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Angesichts stark gestiegener "Zufallsgewinne" bekenne sich die Energiewirtschaft zu ihrer Verantwortung, hatte BDEW-Präsidentin Marie-Luise Wolff erklärt: "Die Energiebranche ist bereit, ihren Beitrag zu leisten." Die Erlösabschöpfung sei aber ein erheblicher Markteingriff und müsse mit dem eindeutigen Enddatum 30. Juni 2023 so kurz wie möglich gehalten werden.

Der BDEW kritisierte außerdem, vorgesehene Regelungen zur Entlastung der Haushalte müssten stark vereinfacht werden. Die Strompreisbremse soll Haushalte und Unternehmen mit sehr hohen Strompreisen entlasten. Haushalte und kleinere Unternehmen erhalten 80 Prozent ihres bisherigen Stromverbrauchs zu einem garantierten Bruttopreis von 40 Cent pro Kilowattstunde. Unternehmen mit einem hohen Stromverbrauch sollen 70 Prozent ihres bisherigen Stromverbrauchs zu einem garantierten Netto-Arbeitspreis von 13 Cent pro Kilowattstunden bekommen. Die Bremse soll ab März gelten, dann es soll auch eine Auszahlung der Entlastungsbeträge für Januar und Februar geben.

Quelle: ntv.de, mne/dpa

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