Bundesverfassungsgericht urteilt Hartz-IV-Sätze "noch verfassungsgemäß"
09.09.2014, 17:11 Uhr
(Foto: imago/Stockhoff)
Ist das Urteil aus Karlsruhe eine "Ohrfeige für die Bundesregierung", wie die Grünen meinen? Das Verfassungsgericht hält die Hartz-IV-Leistungen für "derzeit noch verfassungsgemäß". Doch in einzelnen Punkten muss die Regierung nachbessern.
Die Regelleistungen für Hartz-IV-Empfänger sind nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts "derzeit noch" verfassungsgemäß. In einzelnen Punkten müsse der Gesetzgeber aber nachbessern, und Sozialgerichte müssten in der Zwischenzeit mehr einmalige Zuschüsse gewähren, heißt es in einem in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss.
Laut dem Beschluss hat der Gesetzgeber die Höhe der existenzsichernden Leistungen "tragfähig begründet". In einzelnen Punkten müssten Leistungen - etwa für Haushaltsstrom, Mobilität oder Kühlschränke - aber angepasst werden. Die Hartz-IV-Sätze waren nach entsprechenden Forderungen der Verfassungshüter vom Februar 2010 neu ermittelt und 2011 angepasst worden.
Nach Auffassung der Kläger in den drei Ausgangsverfahren wurden dabei aber aus politischen Gründen zu viele Posten aus den statistischen Grunddaten herausgerechnet und nur noch 15 Prozent statt wie zuvor 20 Prozent der einkommensschwächsten Haushalte als Bezugsgröße berücksichtigt.
Die Karlsruher Richter teilten diese Auffassung nun nicht. Selbst wenn der Regelsatz von damals 364 Euro monatlich "einer politischen Zielvorgabe entsprochen haben mag", sei dies nicht zu beanstanden, da sich die Leistungshöhe "mit Hilfe verlässlicher Daten tragfähig begründen lässt", heißt es in dem Beschluss.
Mehr Zuschüsse für langlebige Güter
Das Gericht forderte den Gesetzgeber aber auf, einzelne Leistungen auch schon vor der anstehenden Neuermittlung des Regelsatzes anzupassen. Dies gelte etwa für außergewöhnliche Preissteigerungen beim Haushaltsstrom. Zudem müsse der Gesetzgeber Kosten für ein Auto berücksichtigen, wenn es "existenznotwendig" ist. Die Verfassungshüter forderten überdies Sozialgerichte auf, mehr einmalige Zuschüsse für langlebige Güter wie Kühlschrank oder Waschmaschine zu gewähren, um eine "Unterdeckung" durch die derzeit geringen monatlichen Leistungen dafür zu verhindern.
Mit Blick auf den 2011 neu geschaffenen Anspruch von bedürftigen Kindern auf Teilhabe an Bildungsangeboten entschieden die Richter, dass den Kindern die Fahrtkosten dafür erstattet werden müssen. Behörden müssten die neue Ermessensregelung entsprechend auslegen.
Derzeit bekommen alleinstehende Hartz-IV-Bezieher 391 Euro, zusammenlebende erwachsene Partner je 353 Euro und Kinder je nach Alter 229 bis 296 Euro pro Monat. Bei Kindern wird das Kindergeld abgezogen. Hinzu kommen für Kinder auf Antrag aber bis zu zehn Euro monatlich aus dem "Teilhabe- und Bildungspaket" und gegebenenfalls bis zu 100 Euro pro Jahr für Schulbedarf. Einzeln oder als Familie bekommen Hartz-IV-Empfänger zudem die Kosten für Unterkunft und Heizung "in angemessener Höhe" erstattet.
Nach Angaben aus Regierungskreisen soll der Hartz-IV-Regelsatz zum Jahreswechsel um acht Euro auf 399 Euro pro Monat steigen. Sozialverbände halten dies aber immer noch für zu wenig, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband beispielsweise fordert einen Mindestsatz von 447 Euro.
Der Grünen-Sozialpolitiker Wolfgang Strengmann-Kuhn nannte den Gerichtsbeschluss "eine Ohrfeige für die Bundesregierung". Die Bundesregierung müsse nun nachweisen, "dass die kleingerechneten Regelsätze die existenziellen Bedarfe überhaupt decken". Strengmann-Kuhn plädierte dafür, jetzt über eine neue und "faire Berechnung des Regelsatzes" zu diskutieren und dazu auch "alternative Berechnungsweisen" zu prüfen.
Quelle: ntv.de, ghö/AFP