Staatsminister im Interview "Hoffentlich hat Griechenland verstanden"
02.07.2015, 16:01 Uhr
Arbeitet Alexis Tsipras zu unprofessionell?
(Foto: AP)
Michael Roth fährt für die Bundesregierung regelmäßig nach Griechenland und hält den Kontakt zur dortigen Regierung. Der SPD-Politiker meint, das Scheitern der Verhandlungen habe vor allem mit mangelnder Professionalität zu tun.
n-tv.de: Haben Sie kommen sehen, dass die Griechen die Verhandlungen platzen lassen?
Michael Roth: Nein. Ich bin bis zum Schluss davon ausgegangen, dass sich die Vernunft durchsetzt – vor allem im Interesse der griechischen Bevölkerung, die schon so viel durchmachen musste. Seit Monaten haben wir ohne konkretes Ergebnis verhandelt. Ich war an sich immer optimistisch, dass es doch noch zu einer für alle Seiten tragfähigen Lösung kommen könnte.
Woran hat das Scheitern gelegen?
Die griechische Regierung ist vom Verhandlungstisch aufgestanden. Das hat uns in diese schwierige Lage gebracht.
Sie wissen also nicht, was die Gründe der Griechen waren, nicht weiter zu verhandeln?
Hierüber will ich nicht spekulieren. Jedenfalls hat es nicht zum gewünschten Erfolg geführt.
Glauben Sie, dass auch die europäische Seite etwas falsch gemacht hat in den Verhandlungen?
In der Politik sollte man immer selbstkritisch sein. Jedoch hat es bei den Institutionen und bei den Eurostaaten – insbesondere bei Deutschland – eine große Bereitschaft gegeben, den Griechen deutlich entgegen zu kommen. Aber es bleibt dabei: Ohne weitreichende Strukturreformen, ohne massive Investitionen in Wachstum und Beschäftigung und ohne ein Mindestmaß an Haushaltskonsolidierung geht es nicht voran. Ich hoffe, dass die griechische Regierung dieses Signal verstanden hat.
Beide Seiten schieben sich die Schuld zu. Was die Öffentlichkeit über die Verhandlungen weiß, hat sie zum größten Teil über durchgestochene Papiere erfahren. Wäre es nicht sinnvoll, Angebote und Gegenangebote zu veröffentlichen?

Michael Roth ist Staatsminister im Auswärtigen Amt und hält als Stellvertreter von Außenminister Frank-Walter Steinmeier den Kontakt zur griechischen Regierung.
(Foto: picture alliance / dpa)
Es ist alles andere als ungewöhnlich, dass solche schwierigen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Wenn man sieht, was alles über Twitter und Facebook öffentlich gemacht wurde, scheint mir kein Mangel an Transparenz zu bestehen. Es mangelt uns vielmehr an Vertrauen. Von Anfang an entstand der Eindruck, dass zwei gegnerische Mannschaften aufeinandertreffen. So funktioniert Europa aber nicht. In Europa sind wir ein Team – inklusive Griechenland – und wir ziehen an einem Strang, möglichst in dieselbe Richtung.
Die griechische Regierung ist erst im Januar ins Amt gekommen. Hätte man dieses Vertrauen herstellen können, wenn man mehr Zeit gehabt hätte?
Ich gestehe dieser griechischen Regierung selbstverständlich zu, dass sie Zeit zur Einarbeitung braucht. Aber sie hat auch nicht durch professionelles Handeln dazu beigetragen, dass Vertrauen wachsen konnte.
Wie geht es ihrer Meinung nach weiter in Griechenland – vorausgesetzt, der Staat schafft es nicht, doch noch unter den Euro-Rettungsschirm zu kommen?
Ich weiß nur: Ohne die Unterstützung der EU wird Griechenland nicht aus der Krise kommen. Das sollten auch alle politisch Verantwortlichen in Griechenland wissen. Wir sind bereit, alles in unseren Möglichkeiten Stehende zu tun, um Griechenland zu unterstützen.
Wie wollen Sie Griechenland helfen, wenn es keine Einigung gibt? Sind Deutschland und die EU auch vorbereitet, humanitäre Hilfe zu leisten, wenn dieser Staat nicht mehr dazu in der Lage ist, die Ärmsten zu unterstützen?
Darüber möchte ich ungerne spekulieren. Ich gehe davon aus, dass wir als gleichberechtigte Partner eine nachhaltige Lösung finden, die einen politisch, wirtschaftlich und sozial stabilen Pfad beschreitet. Deutschland und andere EU-Staaten haben Unterstützung geleistet bei der Modernisierung des Gesundheitswesens, beim Ausbau der erneuerbaren Energien und bei der Modernisierung der Kommunalverwaltung. Diese bilateralen Kooperationen stehen seit Monaten still. An diese Angebote möchten wir auch wieder anknüpfen.
Mit Michael Roth sprach Christoph Herwartz
Quelle: ntv.de