Politik

Entscheidung über Athens Schicksal Hollande zu Gast im Kanzleramt

Für Merkel und Hollande ist die gemeinsame Haltung zu Griechenland auch ein Test ihrer beider Beziehungen.

Für Merkel und Hollande ist die gemeinsame Haltung zu Griechenland auch ein Test ihrer beider Beziehungen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Griechenland steht erneut am Rande des Abgrunds. Frankreich ist geneigt, den Griechen bei ihren Reformen mehr Zeit zu geben, Deutschland beharrt auf einer strikten Sparpolitik. Heute Abend sprechen Merkel und Hollande ihre Positionen ab. Schon vor Beginn des Treffens kann Merkel einen Punktsieg erringen.

Frankreichs Präsident François Hollande kommt nach Berlin und wieder einmal richten sich alle Augen auf das noch immer nicht eingespielte deutsch-französische Paar. Tatsächlich stehen Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einer gewaltigen Aufgabe: Die konservative Kanzlerin und der sozialistische Präsident, der gerade seine Ferien beendet hat, wollen beim Abendessen im Kanzleramt eine gemeinsame Haltung abstecken, wie sie im Falle Griechenlands weiter vorgehen. Schließlich steht die Eurozone vor einem "Herbst der Entscheidungen". Ohne gemeinsame Linie der beiden größten Euro-Volkswirtschaften droht politisches Chaos.

Samaras bittet um Zeit und prophezeit anderenfalls ein europäisches Chaos.

Samaras bittet um Zeit und prophezeit anderenfalls ein europäisches Chaos.

(Foto: REUTERS)

Griechenlands Ministerpräsident Antonis Samaras hat schon einmal klar gemacht, was er von der EU erwartet: nämlich mehr Zeit - nicht mehr Geld. Nur so würden sich die mit der EU vereinbarten Reformen umsetzen lassen. "Alles, was wir wollen, ist ein wenig 'Luft zum Atmen', um die Wirtschaft rasch in Gang zu bringen und die Staatseinnahmen zu erhöhen", sagte der Regierungschef, der am Freitag zu einem Besuch in Berlin erwartet wird.

Einem hochrangigen Vertreter des griechischen Finanzministeriums zufolge muss die Regierung in Athen in den kommenden beiden Jahren mehr Geld auftreiben als bislang gedacht. Wegen der schlechten Wirtschaftslage und schleppender Steuereinnahmen seien insgesamt 13,5 Milliarden Euro nötig, damit netto der verabredete Effekt von 11,5 Milliarden Euro erreicht werde.

Punktsieg für Merkel: Nur kurze Statements

Merkel will Athen durchaus helfen, sie will nur kein Geld in ein Fass ohne Boden werfen. Und sie braucht Frankreich, um den Griechen klarzumachen, dass sie trotz der Rezession keine Vorzugsbehandlung verlangen dürfen. Hollande hat sich schon länger nicht mehr öffentlich zum Thema Griechenland geäußert. Er gibt sich großzügiger als Merkel, doch dies könnte für Frankreich - und die EU insgesamt - teuer werden.

Im Vorfeld des Treffens mit Merkel hatten französische Diplomaten gesagt, der Präsident habe die Presse beim gemeinsamen Auftritt mit Merkel eigentlich ausführlich informieren wollen. Merkel habe dagegen auf kurzen Statements bestanden - genau die wird es heute Abend geben. "Grundsätzliche Differenzen" mit der deutschen Regierung, so betonten die Diplomaten, gebe es allerdings nicht.

"Letzte Chance" für Griechenland

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(Foto: picture alliance / dpa)

Deutlich schwieriger dürfte werden, sich auf den Inhalt der Statements zu einigen - ein Entgegenkommen der Bundeskanzlerin gilt allerdings als unwahrscheinlich. Merkel und Hollande dürften heute Abend andeuten, was sie Samaras auf seine Bitte entgegnen werden. Denn schon am Freitag kommt der griechische Ministerpräsident nach Berlin, tags darauf will er in Paris vorsprechen.

Mit Sicherheit darf man davon ausgehen, dass heute Abend in Berlin die "Bemühungen Griechenlands gewürdigt" und dem Land "Fortschritte bei der Bewältigung der Krise" bescheinigt werden. Ob Griechenland damit auch mehr Zeit für die Erfüllung der Auflagen bekommt, hängt davon ab, ob das nötige Vertrauen in die Regierung vorliegt. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker hatte am Mittwoch bei einem Besuch in Athen Gesprächsbereitschaft signalisiert und dabei von einer "letzten Chance" für Griechenland gesprochen.

"Es geht in die richtige Richtung"

Dabei bescheinigen zahlreiche Beobachter dem Land Fortschritte. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte: "Mir scheint es so, dass die jetzige Regierung zum ersten Mal (...) begriffen hat, dass man die Vorgaben umsetzen muss - das ist hart, aber ich habe den Eindruck, es gibt Bewegung in die richtige Richtung."

Zugleich warnte Schulz vor einem Domino-Effekt für den Fall, dass Griechenland sich nicht stabilisieren kann. "Wir müssen dies vermeiden", sagte er unter anderem mit Blick auf wirtschaftlich gewichtigere Länder wie Italien, die sich zuletzt ebenfalls mit steigenden Refinanzierungskosten konfrontiert sahen. Merkel und zahlreiche andere Vertreter ihrer Regierung haben allerdings keine Angst vor einem solchen Domino-Effekt. Dass der wie ein Bumerang auf die deutsche Lokomotive zurückschlagen könnte, sehen sie nicht.

Samaras malt ein düsteres Bild

Dabei warnte Samaras bereits vor Unruhen in seinem Land, sollte es die Euro-Zone verlassen und zur Drachme zurückkehren müssen. "Ein Alptraum für Griechenland: wirtschaftlicher Kollaps, soziale Unruhen und eine nie dagewesene Krise der Demokratie", sagte er voraus. Dann drohe seinem Land ein Schicksal wie in der Weimarer Republik, nach der die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Nach seinen Worten ist nach einem Euro-Ende mit einer Arbeitslosigkeit von mehr als 40 Prozent zu rechnen, mit fünf weiteren Rezessionsjahren und einem drastischen Rückgang des Lebensstandards. "Welche Gesellschaft, welche Demokratie könnte das überleben", fragte er.

Samaras hatte in mehreren Interviews versprochen, dass Griechenland seine Schulden zurückzahlen werde. Sein Land habe ein enormes wirtschaftliches Potenzial, das genutzt werden müsse. "Wir werden ein spektakuläres Comeback hinlegen", ist sich Samaras sicher und setzt auf die Zeit-Karte. Manchmal ist Zeit eben doch Geld.

Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP

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