Propaganda-Video der Terroristen IS: Eroberung Kobanes Frage der Zeit
28.10.2014, 07:05 UhrJohn Cantlie ist 43 Jahre alt, Brite und in der Gewalt des IS. Jetzt veröffentlichen die Terroristen ein Propagandavideo, in dem sie den einstigen Syrien-Korrrespondenten als Reporter missbrauchen. Er behauptet, Kobane stehe kurz vor dem Fall.
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hat ein weiteres Propagandavideo mit der britischen Geisel John Cantlie veröffentlicht - angeblich aus der umkämpften Kurdenstadt Kobane in Nordsyrien. Die Stadt sei schon fast ganz in der Hand der IS-Kämpfer und es gebe keine kurdischen Verteidiger oder Peschmerga-Kämpfer mehr, behauptet der seit 2012 entführte Journalist in dem am Montag im Internet veröffentlichten Video.
Berichte westlicher Medien über schwere Kämpfe und hohe Verluste des IS seien falsch. Sie würden sich nur auf Angaben kurdischer Kommandeure und des Weißen Hauses stützen, die nicht an der Wahrheit interessiert seien. Es ist davon auszugehen, dass Cantlie zu dem Auftritt gezwungen wurden - in jedem Fall handelt es sich bei seinem "Bericht" um nicht überprüfbare Propaganda. Die westliche Medien stützen sich auch nicht wie behauptet nur auf das Weiße Haus und kurdische Kommandeure. Eine wichtige Quelle ist die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, deren Aktivisten immer wieder Informationen von vor Ort liefern.
Das Video erscheint professioneller gemacht als frühere Mitteilungen des IS und beginnt mit einer Luftaufnahme der Stadt, die laut Einblendung von einer "Drohne der Armee des Islamischen Staates" aus aufgenommen sei. Der 43-jährige Cantlie imitiert den Stil westlicher TV-Reporter und behauptet, die US-Luftangriffe hätten lediglich den Einsatz schwerer Waffen durch die IS-Kämpfer behindert. Diese kontrollierten den Osten und den Süden der Stadt und ihr Sieg über Kobane sei nur eine "Frage der Zeit", sagt Cantlie. In dem Video gibt es keinen Hinweis darauf, wann es aufgenommen wurde. Cantlie bezieht sich darin aber auf einen BBC-Bericht sowie auf Aussagen des Pentagons von Mitte Oktober.
Kampf um jedes Haus
Deshalb würden sie die Stadt im Häuserkampf einnehmen. Tatsächlich ist es dem IS bisher nicht gelungen, die Stadt ganz einzunehmen und die kurdischen Verteidiger zu besiegen. Es ist bereits das sechste IS-Video mit Cantlie. Seit August hat der IS auch Videos von der Hinrichtung zweier amerikanischer und zweier britischer Geiseln veröffentlicht.
Die Kurden in Nordsyrien haben unterdessen einen weiteren Versuch der Terrormiliz vereitelt, Kobane von der Außenwelt abzuschneiden. Im Norden Kobanes hätten sie einen Angriff der Terroristen abgewehrt, sagte Kurden-Sprecher Idriss Nassan am Montag. Zugleich warteten die Verteidiger der Stadt weiter auf die Verstärkung von kurdischen Peschmerga aus dem Nordirak.
Rund 150 Kämpfer mit neuen US-Waffen sollen die syrischen Kurden gegen die Extremisten unterstützen. Kobane liegt an der syrisch-türkischen Grenze in einer kurdischen Enklave, die bereits größtenteils vom IS beherrscht wird. Nördlich der Stadt gibt es noch eine Verbindungsroute in die Türkei. Der IS hatte bereits am Wochenende versucht, diese zu kappen. Die Extremisten stehen nur noch knapp 700 Meter vom Grenzübergang entfernt. Sollte sie ihn erobern, könnten weder die Peschmerga-Kämpfer noch Nachschub nach Kobane gelangen.
IS feuert Raketen
Die heftigen Kämpfe zwischen beiden Seiten gingen auch am Montag weiter. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte feuerte der IS Raketen auf Kobane und das Grenzgebiet. Das kurdische Portal Welati berichtete unter Berufung auf einen hohen Militärvertreter in der Region, die Kämpfer aus dem Irak seien noch nicht in der Stadt eingetroffen.
Die irakischen Kurden sollen über die Türkei nach Kobane verlegt werden, nachdem die Regierung in Ankara dafür prinzipiell eine Erlaubnis gegeben hatte. Der Peschmerga-Minister der kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak, Mustafa Said Kadir, sagte der Nachrichtenseite Rudaw jedoch, man warte noch auf "die Haltung des türkischen Staates". Deswegen seien die Kämpfer bislang nicht entsandt worden.
Die Türkei lehnt jede direkte Hilfe für die Kurden in Kobane ab, weil die dortigen Volksschutzeinheiten mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden sind. Diese ist in der Türkei als Terrororganisation verboten. Das Zentralkommando der US-Armee in Florida teilte mit, die US-Luftwaffe habe am Sonntag und Montag vier Angriffe gegen IS-Ziele in der Nähe von Kobane geflogen. Dabei seien fünf Fahrzeuge und ein von Extremisten kontrolliertes Gebäude zerstört worden.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa/AFP