Merkel verteidigt sich im Fall Reem "Ich finde, die Geste war in Ordnung"
19.07.2015, 23:54 Uhr
Merkels Reaktion auf das weinende Mädchen löste in den sozialen Netzwerken eine Diskussion aus.
(Foto: NDR/dpa)
Die Kanzlerin versucht ein weinendes Mädchen zu trösten, das Angst vor der Abschiebung hat. Sie streichelt ihr über die Wange und erklärt sachlich die Rechtslage. Im Internet erntet sie dafür Spott. Merkel verteidigt ihr Verhalten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihr Verhalten bei der vielbeachteten Begegnung mit dem palästinensischen Flüchtlingsmädchen Reem gegen Kritik verteidigt. "Ich glaube, dass das so ok war", sagte die CDU-Vorsitzende im ARD-"Sommerinterview". "Ich finde, die Geste war in Ordnung."
Merkel hatte das Mädchen am Mittwoch in einer Rostocker Schule bei einer "Bürgerdialog"-Veranstaltung der Regierung getroffen. Die Schülerin Reem berichtete dort über die Belastungen während eines Asylverfahrens - und über die Angst vor einer drohenden Abschiebung.
Merkel äußerte bei dem Treffen Verständnis, verwies aber auf die deutschen Gesetze - und darauf, dass Deutschland nicht alle Menschen aufnehmen könne, die sich hier ein besseres Leben erhofften. Daraufhin brach das Mädchen in Tränen aus.
Streicheln ändert keine Gesetze
Merkels etwas ungelenker Versuch, die 14-Jährige zu trösten, sorgte für viel Aufsehen. Die Kanzlerin musste sich im Internet unter dem Hashtag "#merkelstreichelt" jede Menge Spott gefallen lassen. Kritiker warfen ihr Kaltherzigkeit vor. Merkel betonte dagegen, dass sie keine falschen Hoffnungen wecken dürfe: "Ich glaube (...), dass es wichtig ist, wenn eine Bundeskanzlerin mit Menschen diskutiert, wo sie die Sachlage nicht ganz genau kennt, dass ich da nicht sage: Weil Du gerade die Bundeskanzlerin getroffen hast, ist aber Dein Schicksal schneller zu lösen als das von vielen, vielen anderen."
Sie habe das weinende Mädchen trotzdem trösten wollen, auch wenn das nichts an der Rechtslage ändere. Beim "Bürgerdialog" müsse sie bei jeder Wortmeldung eines Menschen damit rechnen, dass ein schwieriges Schicksal dahinterstehe, sagte Merkel. "Gerade wenn man in so eine Schule geht, wo auch Behinderte sind. Einiges hat mich da schon sehr betroffen gemacht." Zum Spott im Internet sagte die Kanzlerin: "Was soll ich mich ärgern? Ich habe Probleme zu lösen."
Merkel fordert gerechte Verteilung von Flüchtlingen
Dazu gehört der Flüchtlingsstrom aus Ländern wie Afghanistan, Libyen, Syrien und Somalia. Merkel forderte eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen in Europa. "Das Dublin-Abkommen entspricht nicht mehr den Gegebenheiten, wie wir sie mal hatten", sagte sie im ARD-"Sommerinterview". Die EU-Staaten müssten zu einer fairen Lastenverteilung kommen, was die Aufnahme von Flüchtlingen angehe.
Mit Blick auf die anstehenden Beratungen der EU-Innenminister zu dem Thema sagte die Kanzlerin: "Die Gespräche laufen gar nicht so schlecht." Die Ressortchefs wollen an diesem Montag in Brüssel über die Umverteilung von rund 60.000 Flüchtlingen in Europa entscheiden - unter anderem zur Entlastung der Mittelmeerländer Italien und Griechenland, wo besonders viele Bootsflüchtlinge ankommen. Nach dem Dublin-Abkommen müssen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten haben.
Das Thema ist innerhalb der EU seit Monaten umstritten. Die Staaten können freiwillig zusagen, wie viele Migranten sie nehmen wollen. Eine von der EU-Kommission vorgeschlagene feste Quote für jedes Land war im Ministerrat gescheitert.
Quelle: ntv.de, hul/dpa