Politik

Verstoß gegen Grundrechte Karlsruhe kippt BND-Abhörpraxis im Ausland

Das BND-Gesetz muss erneut umgeschrieben werden.

Das BND-Gesetz muss erneut umgeschrieben werden.

(Foto: dpa)

2016 wurde das BND-Gesetz reformiert. Nun muss es erneut überarbeitet werden, denn das Bundesverfassungsgericht urteilt, dass die anlasslose Massenüberwachung des Geheimdienstes im Ausland gegen Grundrechte verstoße.

Die anlasslose Massenüberwachung des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Ausland verstößt in ihrer jetzigen Ausgestaltung gegen Grundrechte. Das Bundesverfassungsgericht gab einer Verfassungsbeschwerde der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen und mehrerer ausländischer Journalisten gegen das Ende 2016 reformierte BND-Gesetz statt. Es muss nun bis spätestens Ende 2021 überarbeitet werden.

In ihrem Urteil halten die Richter zum ersten Mal fest, dass der deutsche Staat das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit auch im Ausland wahren muss. Die derzeitige Regelung sei aus formalen und inhaltlichen Gründen verfassungswidrig, sagte der designierte Gerichtspräsident Stephan Harbarth bei der Verkündung. Es sei aber möglich, das Gesetz verfassungskonform auszugestalten.

Harbarth rechtfertigte das mit dem "überragenden öffentlichen Interesse an einer wirksamen Auslandsaufklärung im Interesse der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik". Die Richter sehen die Überwachung aber auch als schweren Eingriff, "weil mit ihr heimlich in persönliche Kommunikationsbeziehungen eingedrungen wird".

Private Inhalte müssen gelöscht werden

Konkret geht es um die Vorschriften für die sogenannte strategische Fernmeldeaufklärung im Ausland. Dabei durchforstet der BND ohne konkreten Verdacht große Datenströme auf interessante Informationen. Deutsche Bürger dürfen nicht auf diese Weise überwacht werden. Der BND versucht deshalb, ihre Kommunikation vor der inhaltlichen Auswertung auszusortieren. Die gewonnenen Daten werden auch für ausländische Partnerdienste ausgewertet oder an diese weitergegeben.

Seit Anfang 2017 gibt es im reformierten BND-Gesetz dafür zum ersten Mal eine rechtliche Grundlage. Menschen- und Bürgerrechtler halten diese aber für völlig unzureichend. Es gebe viele Schlupflöcher, Daten von Deutschen würden nicht verlässlich gelöscht. So laufe letztlich jeder Gefahr, zu Unrecht ausgespäht zu werden.

Als problematisch betrachten die Richter vor allem die enorme Streubreite der Überwachung: "Sie ist anlasslos gegenüber jedermann einsetzbar." Der Gesetzgeber muss die BND-Befugnisse deshalb viel genauer regeln und begrenzen. Das betrifft eine Vielzahl an Einzelpunkten: Zum Beispiel muss das Volumen der abgegriffenen Daten von vornherein vorgegeben sein. Verbindungsdaten dürfen höchstens ein halbes Jahr gespeichert werden. Die vertrauliche Kommunikation bestimmter Berufsgruppen wie Anwälte und Journalisten muss besonders geschützt werden. Sehr private und intime Inhalte, die den BND-Mitarbeitern ins Netz gehen, müssen unverzüglich gelöscht werden.

Richter fordern Kontrollinstanz

Auch für den Datenaustausch und die Kooperation mit ausländischen Partnern machen die Richter Vorgaben. Sie pochen in ihrem gut 140-seitigen Urteil insbesondere auf die "Einhaltung elementarer menschenrechtlicher Grundsätze". Außerdem muss es eine eigenständige, starke Kontrollinstanz geben, die dem BND auf die Finger schaut.

Die Richter des Ersten Senats entschieden zum ersten Mal, dass der deutsche Staat in seinem Handeln immer an die Grundrechte gebunden ist - "unabhängig davon, an welchem Ort, gegenüber wem und in welcher Form". Sie begründen das mit den neuen technischen Möglichkeiten und der weltweiten Vernetzung. Gleichzeitig erkennen sie an, dass dadurch auch die Bedrohungen aus dem Ausland erheblich zugenommen haben.

Reporter ohne Grenzen sprach von einem großen Erfolg. "Wir freuen uns, dass Karlsruhe der ausufernden Überwachungspraxis des Bundesnachrichtendienstes im Ausland einen Riegel vorschiebt", sagte Geschäftsführer Christian Mihr. Koordiniert hatte die Klage die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Der Vorsitzende Ulf Buermeyer erklärte: "Dass deutsche Behörden auch im Ausland an die Grundrechte gebunden sind, stärkt die Menschenrechte weltweit erheblich - und auch die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der Welt."

Quelle: ntv.de, mli/dpa

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