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46 Milliarden für Unternehmen Klingbeil bläst zur Wirtschaftswende - das sind die Haken

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Klingbeil findet die Steuersenkungen für Unternehmen seien auch sozialdemokratisch, weil sie Arbeitsplätze retteten.

Klingbeil findet die Steuersenkungen für Unternehmen seien auch sozialdemokratisch, weil sie Arbeitsplätze retteten.

(Foto: picture alliance/dpa)

Unternehmen an den Standort Deutschland binden und neue Investitionen anlocken: Das will Bundesfinanzminister Klingbeil mit seinem Gesetzpaket erreichen - und zudem die Elektroautos fördern. Die Wirtschaft reagiert verhalten positiv. Die Bundesländer könnten blockieren.

Dem neuen Bundesfinanzminister fehlt es weder an ambitionierten Zielen noch an markigen Sprüchen. Zum "Investitionsministerium" wolle er sein neues Haus machen, ließ der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil zum Amtsantritt wissen. Und tatsächlich liegt vier Wochen nach Bildung der Bundesregierung sein erster Gesetzentwurf zur Entlastung der Wirtschaft vor: Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch ein von Klingbeil vorgelegtes, milliardenschweres Steuerpaket. "Das klare Signal des heutigen Tages ist, dass wir mit dem Wachstumsbooster jetzt die Wirtschaft ankurbeln", sagte Klingbeil, der den Gesetzentwurf am Donnerstag im Bundestag einbringen wird. Tatsächlich aber gibt es Zweifel - sowohl an der Durchschlagskraft des Maßnahmenpakets, als auch an dessen Verabschiedung durch den Bundesrat.

Im Zentrum stehen vier Ansätze, die für mehr Wachstum sorgen sollen:

  1. sogenannte Superabschreibungen
  2. die schrittweise Absenkung der Steuerbelastung für Unternehmen in Deutschland von 30 auf 25 Prozent
  3. die fast vollständige Abschreibung von angeschafften Elektrofahrzeugen für Firmen
  4. eine steuerliche Förderung von Forschungsausgaben

Während die Senkung der sogenannten Körperschaftsteuer erst 2028 startet, greifen die anderen Maßnahmen möglichst noch für das laufende Steuerjahr - helfen aber nur Unternehmen, die ohnehin profitabel wirtschaften oder noch etwas zum Investieren auf der hohen Kante haben.

Zugleich führt die geringere steuerliche Belastung der Unternehmen zu Mindereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe, die auch zulasten der Länder und Kommunen gehen. Insgesamt würden Bund, Länder und Kommunen bis 2029 durch die Maßnahmen 46 Milliarden Euro weniger einnehmen, rechnet das Finanzministerium vor. Diese Größe ist allerdings variabel - je nachdem, ob die Unternehmen von den neuen Möglichkeiten tatsächlich im vom Ministerium erwarteten Umfang Gebrauch machen.

"Diese Regierung kämpft um Arbeitsplätze"

Die sogenannten Superabschreibungen zielen vor allem darauf ab, Unternehmen kurzfristig zu mehr Investitionen in Deutschland zu animieren, insbesondere den schrumpfenden Industriesektor. Das Gesetz sieht vor, dass Firmen alle Anschaffungen zwischen dem 1. Juli 2025 und dem 1. Januar 2028 - also in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren - umfangreicher als sonst abschreiben können. Das heißt zum Beispiel: Ein Hersteller, der neue Produktionsanlagen kauft, kann in dieser Zeit 30 Prozent der Anschaffungskosten auf die anfallende Gewinnsteuer anrechnen.

Das Kalkül: Dem Unternehmen bleibt so mehr vom Profit, beziehungsweise fällt die Anschaffung neuen Geräts insgesamt günstiger aus und das Unternehmen ist besser für die Zukunft aufgestellt. Zugleich steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen mit seinem Produktionsstandort in Deutschland bleibt, wenn es erst einmal solch eine Investitionsentscheidung getroffen hat. "Diese Regierung kämpft um Arbeitsplätze und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Und das ist für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen vielleicht das wichtigste Signal", ordnete Klingbeil die steuerliche Entlastung von Unternehmen als sozialdemokratische Politik ein.

Dagegen erklärte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Beck, das Gesetz habe "eine deutliche soziale Schieflage, die von einem sozialdemokratischen Finanzminister anders zu erwarten wäre". So verschlechterten die steuerlichen Mindereinnahmen die Kassenlage ohnehin schon klammer Kommunen. Das wiederum gehe zulasten der Lebensbedingungen der Menschen vor Ort. Zudem nutzten Abschreibungen eben nur Unternehmen, die überhaupt einen Gewinn vorzuweisen haben. Logisch: Wer keine Gewinne zu versteuern hat, kann auch keine Abschreibungen vornehmen.

Unternehmen dringen auf Steuersenkungen

Zugleich profitieren vom Gießkanneneffekt allgemein sinkender Unternehmenssteuern auch jene Konzerne, die jetzt schon gute Gewinne in Deutschland machen und sich gar nicht mit Abwanderungsgedanken tragen. Auch sind kleine Betriebe weniger im Fokus als große Mittelständler und Konzerne. Diese haben generell weniger hohe Investitionskosten, dafür aber zu kämpfen mit hohen Bürokratie- und steigenden Lohnkosten.

Auch das Echo aus der Wirtschaft ist eher durchmischt: "Degressive Abschreibungen wirken, weil sie gezielte Anreize für frühere und höhere Investitionen setzen. Aber: Es bleibt ein befristeter Effekt", sagte Tobias Hentze, Steuerexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Große Unternehmensverbände wie die Industrie- und Handelskammer (DIHK) haben bessere Abschreibungsmöglichkeiten zwar auf ihrer Forderungsliste. Diese stehen allerdings weiter unten auf der Liste, hinter sinkenden Energiepreisen, niedrigeren Steuersätzen und weniger Bürokratiekosten. "Dieses Gesetz allein wird die konjunkturelle Lage nicht rasch wenden", erklärte etwa DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov.

Wichtiger als die Abschreibungen ist Melnikov die schrittweise Absenkung des Einkommensteuersatzes. Er soll ab 2028 jährlich um je einen Prozentpunkt von 30 auf 25 Prozent sinken. Steuerexperte Hentze empfiehlt, diese Maßnahme vorzuziehen. Doch dafür fehlt es Klingbeil wohl schlicht an Geld - trotz des 500 Milliarden Euro schweren Schuldenpakets, das der Regierung mehr Spielräume für Investitionen verschafft. Doch auch der Bedarf staatlicher Investitionen ist immens, hinzu kommen immer höhere Verteidigungsausgaben. Noch in der letzten Juniwoche will Klingbeil das Errichtungsgesetz für das Schuldenpaket sowie den Haushaltsentwurf für das laufende Jahr dem Kabinett vorlegen. Dann wissen auch die Länder, wann sie wie viel Geld aus dem Sondertropf erhalten - und auf die Länder kommt es nun an.

Länder fordern Ausgleich

Klingbeils Investitionsbooster muss wegen der Mindereinnahmen für die Länder neben dem Bundestag anschließend den Bundesrat passieren. Beides könnte noch vor der parlamentarischen Sommerpause passieren, wenn die Parlamente mitmachen. Aus den Ländern regt sich aber Kritik, teilweise sogar Widerstand. 16 Milliarden Euro weniger für die Länder sowie 11 Milliarden Euro weniger für die Kommunen sind große Hausnummern. Das ohnehin schwachbrüstige Thüringen etwa rechnet nach Angaben von Finanzministerin Katja Wolf über fünf Jahre mit einer halben Milliarde Euro weniger durch die Klingbeil'schen Steuersenkungen. Das ist erheblich bei einem auf Kante genähten Haushalt mit erwarteten Ausgaben von 13,5 Milliarden Euro im Jahr 2025.

Klingbeil hält dagegen, dass auch die Haushalte von Ländern und Gemeinden von einer sich verbessernden Wirtschaftslage profitierten. "Wir alle wissen, dass das am Ende eine positive Auswirkung auf die Haushalte hat, wenn wir endlich wieder Wirtschaftswachstum in diesem Land haben." Zudem verweist der Vizekanzler auf die größeren Spielräume der Bundesländer durch deren Anteil von 100 Milliarden Euro am Sonderschuldenpaket der Bundesregierung sowie durch neue Verschuldungsregeln für die Länder. Einen ähnlichen Konflikt gibt es derzeit um die Erhöhung der Pendlerpauschale, deren Mehrkosten die Länder ebenfalls vom Bund bezahlt wissen wollen. So dürfte wieder einmal das Ringen um das liebe Geld die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag prägen.

"Es gibt in der grundsätzlichen Ausrichtung dieses Gesetzes keinen Dissens mit den Ländern", sagte Klingbeil und gab sich zuversichtlich auch mit Blick auf den Bundesrat. Dass der Bund dennoch einen Teil der Einnahmeverluste wird ausgleichen müssen, um die Zustimmung der Länder im Bundesrat sicherzustellen, schloss Klingbeil auf Nachfrage indes nicht aus. Sein Pfund: Auch die Ministerpräsidenten von Union und SPD haben Interesse an einem erfolgreichen Start der neuen Bundesregierung und an einer anspringenden Konjunktur. Zudem sehen auch Ökonomen Anzeichen, dass sich mit den in Aussicht gestellten Maßnahmen von Schwarz-Rot die Stimmung in der Wirtschaft verbessert und Deutschland wieder mehr Investitionen anziehen könnte.

Zweifel an E-Auto-Förderung

Neuen Mut will Klingbeil auch in puncto Elektromobilität entfachen. Rund zwei Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge in Deutschland entfallen auf Gewerbe. Selbstständige und Unternehmen sollen künftig den Neupreis von bis zu 100.000 Euro zu 75 Prozent abschreiben und so ebenfalls ihre Steuerlast senken können. Voraussetzung: Es muss sich um elektrisch angetriebene Fahrzeuge handeln. Die Bundesregierung will deren Absatz stärken, nachdem der plötzliche Wegfall der Umweltprämie im letzten Jahr der Ampel zu deutlich sinkender Nachfrage geführt hat - zum Leidwesen der immer stärker auf E-Mobilität ausgerichteten deutschen Autohersteller.

Der Haken, oder besser die Haken: Rund die Hälfte der gewerblich zugelassenen Fahrzeuge wird inzwischen geleast und nicht gekauft. So helfe die Sonderabschreibung für Elektrofahrzeuge "nur einer kleinen Anzahl von Unternehmen, aber nicht in der Breite", erklärte Claudia Conen, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Leasingunternehmen (BDL). "Es ist unverständlich, dass die neue Bundesregierung das etablierte Instrument des Leasing in einer Förderung außer Betracht lässt." Der BDL schlägt deshalb vor, auch das Firmenleasing von Elektroautos steuerlich attraktiver zu machen. Genauso sieht das auch der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA), bewertet das Gesamtpaket aber als Schritt in die richtige Richtung.

Ferner dürfte der Erfolg der Sonderabschreibungen ganz wesentlich davon abhängen, dass die Strompreise in Deutschland schnell sinken - wie es die Bundesregierung in Aussicht gestellt hat. Tatsächlich ist das Stromtanken an öffentlichen Netzen vergleichsweise teuer, während die Skepsis vieler Verbraucher wegen der überschaubaren Reichweiten weiterhin hoch ist. Ob Unternehmen im sich verschärfenden Wettbewerb um Mitarbeiter wirklich besser bedient sind, wenn sie als Firmenwagen ausschließlich Elektrofahrzeuge anbieten, ist daher ebenso offen.

"Gute Rahmenbedingungen mit Lade- und H2-Tankinfrastruktur und günstigen Ladepreisen sind entscheidend für den E-Hochlauf", erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller: "Daher muss insbesondere auch die im Koalitionsvertrag angekündigte Absenkung des Stromsteuersatzes zügig umgesetzt werden." Ein Anfang ist also gemacht, um Deutschland zurück in die Spur zu mehr Wachstum zu bringen. Weitere Schritte müssen folgen, so sieht das auch der Bundesfinanzminister. Jetzt aber gehe es darum, dass der Investitionsbooster "sehr schnell konkrete Gesetzgebung wird".

Quelle: ntv.de

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