Aufstand gegen Familie Lafontaine König Oskar spaltet die Linke
14.05.2012, 18:50 Uhr
Uns gibt's nur im Doppelpack - so lauten die Pläne von Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach der Wahlschlappe in NRW macht die Linke das, was sie am besten kann: Selbstbeschäftigung. Die seit Wochen schwelende Führungsdebatte geht in die nächste Runde. Lafontaine ist bereit, den Parteivorsitz zu übernehmen. Unter einer Bedingung: Seine Lebensgefährtin wird Fraktionsvorsitzende. Droht den Linken die Spaltung?
Sie kennen sich ja ganz gut. Oskar Lafontaine ist nicht so fern, als Sahra Wagenknecht am Wahlabend vor Fernsehkameras das Ergebnis der NRW-Wahl herunterspielt. "Alle, die jetzt anfangen, das Totenglöckchen zu läuten, haben sich zu früh gefreut", sagt sie. Seit Wagenknecht und Lafontaine Ende 2011 ihre Beziehung öffentlich gemacht haben, witzeln sie innerhalb der Linken häufig. Darüber, dass das Machtzentrum der Partei inzwischen noch etwas weiter in Richtung Saarland und an den Lafontaineschen Frühstückstisch gerückt ist. Das Familienunternehmen Linkspartei eben. Wagenknecht kann am Wahlabend auch nicht verbergen, dass sie mehr weiß. Doch irgendwie ist etwas durchgedrungen. Der Moderator spricht sie an auf die Gerüchte: Es heißt, Lafontaine werde sich schon bald äußern und Bedingungen für seine Kandidatur zum Parteivorsitzenden nennen. Wagenknecht mag nicht widersprechen, sie lächelt und schweigt.

Lachende Wahlverliererin in NRW: Linken-Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen.
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Lafontaines Rückkehr scheint ausgemacht. Parteichef Klaus Ernst hat bereits erklärt, zu seinen Gunsten nicht mehr kandidieren zu wollen. Am Dienstag trifft sich der geschäftsführende Bundesvorstand mit den Landeschefs der Partei. Lafontaine will nicht den Eindruck erwecken, sich aufzudrängen. Er will gebeten werden. "Ich werde mir zuerst anhören, was die anderen sagen", sagte er dem Deutschlandradio. Nur die Arbeitsbedingungen müssten stimmen. Ausschlaggebend sei, wie die künftige Führungsmannschaft zusammengestellt sei. Laut "Spiegel" übernimmt Lafontaine nur, wenn Wagenknecht Fraktionschefin wird.
Plötzlich geht alles ganz schnell. Nach dem Rücktritt von Gesine Lötzsch Ende März war das noch anders. Man werde die Nachfolge erst auf dem Parteitag Anfang Juni in Göttingen klären, hatte Parteichef Ernst stets betont. Eine frühzeitige Festlegung vor den Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein sei nicht sinnvoll. Führungsdebatten störten nur im Wahlkampf. Ernst hatte schon in den zwei Jahren zuvor selten einen souveränen Parteichef abgegeben. Die Partei tut also genau das, was er eigentlich vermeiden wollte. Von den täglichen Wortmeldungen zur Führungsfrage begleitet, quält sich die Linke durch den Wahlkampf.
Mit der Schlappe in Nordrhein-Westfalen hat die Krise der Partei einen neuen Tiefpunkt erreicht. Seit der Bundestagswahl 2009 hat sie inzwischen bei der siebten Landtagswahl Stimmen verloren. Nach Schleswig-Holstein flog sie schon aus dem zweiten westdeutschen Landesparlament. Im Bund liegt die Partei in Umfragen nur noch bei sechs Prozent. Wie es scheint, schrumpft die Linke genauso schnell, wie sie nach der Fusion von PDS und WASG nach 2005 gewachsen ist.
"Die Linken greifen immer auf altes Personal zurück"
Von der Nominierung Lafontaines erhoffen sich vor allem viele westdeutsche Linke die entscheidenden Impulse für die Bundestagswahl. Vor drei Jahren brachte der stark auf den Saarländer zugespitzte Wahlkampf den Linken überragende 11,9 Prozent. Kurze Zeit später zog sich Lafontaine aufgrund seiner Krebs-Erkrankung zurück. Ohne ihn schlittert die Partei seitdem unaufhaltsam in Richtung der 5-Prozent-Hürde. Nun soll Lafontaine, der zuletzt Spitzenkandidat der Linken im Saarland war, im Bund den Karren aus dem Dreck ziehen. Doch diesmal ist es anders als 2005 und 2009, als Lafontaine noch frenetisch gefeiert wurde.

Aufstand gegen "die Alten"?
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"Es wäre nicht gut, wenn Lafontaine noch einmal antritt", sagt Politikwissenschaftler Gero Neugebauer im Gespräch mit n-tv.de. "Der Erfolg der Piraten ist darauf zurückzuführen, dass sie unverbrauchtes Personal anbieten. Die Linken greifen dagegen immer auf altes Personal zurück." Als Politprofi sei Lafontaine zwar interessant für die Medien, aber nicht für die Partei. "Neue Gesichter sind ein wichtiger Aspekt im Parteienwettbewerb. Politiker, die schon 30 Jahre dabei sein, müssen den Stab weiter reichen."
Bartsch ist bisher der einzige Kandidat für die Doppelspitze aus einem Mann und einer Frau. Völlig offen ist noch, wer die Frau im Parteivorstand sein wird. Bartsch hatte sich bereits im vergangenen Jahr bereit erklärt, einen der beiden Führungsposten zu übernehmen. "Wie ich es angekündigt habe, werde ich als Parteivorsitzender kandidieren", sagt er weiterhin. Das Verhältnis der beiden gilt nicht als besonders innig. Im Jahr 2010 hatte Lafontaine Bartsch "niederträchtiges Verhalten vorgeworfen". Der Partei droht damit eine Kampfkandidatur. Widerstand gegen Lafontaine formiert sich vor allem in der pragmatisch ausgerichteten ostdeutschen Linken.
Der sächsische Linken-Chef Rico Gebhardt ist gegen Lafontaines Rückkehr an die Spitze der Bundespartei. "Wir brauchen eine neue soziale Idee und die Köpfe an der Spitze, die diese Innovation glaubhaft verkörpern. Das Recyceln von früheren Vorsitzenden würde daher nicht zur Problemlösung beitragen", sagt er. Zuletzt hatte auch NRW-Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen im Gespräch mit n-tv.de erklärt, sie sei für einen Generationswechsel in der Partei. Der Blick sei immer sehr fokussiert auf "die Alten". Alle redeten nur von Gysi und Lafontaine, aber es müsse auch Platz sein für die Jüngeren. "Nichts gegen Oskar. Aber wir wollen vieles anders machen", sagte Schwabedissen, die gerne zwei junge Leute an der Parteispitze sehen will. Auch Schwabedissen und die hessische Linken-Politikerin Janine Wissler waren in der Nachfolge-Debatte schon ins Spiel gebracht worden. Wissler sagte bereits ab.
"Die Partei wartet auf einen Heilsbringer"
Der Berliner Landesvorsitzende Klaus Lederer sagte dem "Tagesspiegel", Bartsch habe bereits bewiesen, dass er die Partei führen könne. Zu möglichen Bedingungen Lafontaines sagte er: "Erpressungsmanöver sind das Letzte, was wir gebrauchen können." Auch Thüringens Linken-Fraktionschef Bodo Ramelow kritisiert Lafontaine. "Für mich wäre es nicht akzeptabel, wenn Dietmar Bartsch aufgefordert würde, seine Kandidatur zurückzunehmen, wenn Lafontaine antritt." Ramelow gibt Lafontaine sogar eine Mitschuld an den jüngsten Wahlniederlagen. Mit einer klaren Ansage nach der Saarland-Wahl "wäre viel Druck aus dem Kessel genommen worden." Die Hängepartie hätte den Linken geschadet. Trotz Drängens in der Partei hatte sich der Chef der Linken-Fraktion im Saarland in den vergangenen Monaten bedeckt gehalten, ob er erneut kandidieren werde.
Bartsch wird den Reformern zugerechnet, die die Linke in Koalitionen mit SPD und Grünen führen wollen. Lafontaine setzt allerdings auf einen scharfen Konfrontationskurs vor allem gegenüber den Sozialdemokraten. Neugebauer sieht sogar einen Zusammenhang zwischen dem von Lafontaine geprägten Politikstil und dem Misserfolg der Partei. Seine Politik bestünde aber im Wesentlichen darin, sich gegen die anderen Parteien abzugrenzen. Die Wähler müssten sich fragen, was sie mit einem Parteiführer wollen, der nicht bereit ist auf die anderen Parteien zuzugehen und ihre Angebote zu berücksichtigen. Die Art und Weise wie die Linke Politik verfolge, führe dazu, dass die Menschen nicht mehr annehmen könnten, dass sie auch an der Realisierung ihrer Ziele interessiert sei. Neugebauer: "Die Partei wartet auf einen Heilsbringer. Nur es rettet sie kein höheres Wessen. Das müsste sie schon selber tun."
Eine andere Lösung ist schon in Sicht – ein Kandidat von vorgestern. Der thüringische Linken-Chef Knut Korschewsky kann sich nämlich Gregor Gysi als Kompromisskandidaten für die Parteispitze vorstellen. "Es gibt neben Lafontaine und Bartsch noch Gysi, der durchaus in der Lage wäre, die Partei in die nächste Bundestagswahl zu führen - auch als Parteivorsitzender", sagte Korschewsky der "Mitteldeutschen Zeitung". Gysi war bereits von 1989 bis 1993 Vorsitzender der SED/PDS, von 1990 bis 1998 Vorsitzender der PDS-Gruppe im Bundestag und von 1998 bis 2000 Fraktionsvorsitzender der Partei im Bundestag. Seit 2005 ist er Fraktionsvorsitzender Linken.
Quelle: ntv.de, mit dpa