NATO verstärkt KFOR-Truppen Kosovo lehnt Verhandlungen ab
02.08.2011, 21:07 Uhr
Ein Bundeswehrsoldat und slowenische KFOR-Soldaten vor einer Straßenblockade in Rudare.
(Foto: dpa)
Ein Bataillon mit deutschen und österreichischen Soldaten wird die Kosovo-Schutztruppe verstärken. NATO und KFOR bestreiten allerdings einen Zusammenhang mit den Spannungen im Norden des Landes an der Grenze zu Serbien. Doch fast zeitgleich mit der Information über die Truppenverlegung lehnt Pristina alle Verhandlungen mit Serbien über den Status Nord-Kosovos ab und schickt eine klare Warnung Richtung Belgrad und EU.
Die Regierung des Kosovos hat alle Verhandlungen mit Serbien über den Status des nördlichen Landesteils abgelehnt. "Die volle Souveränität Kosovos, seine territoriale Integrität und seine innere Ordnung können nicht Thema des Dialogs mit Serbien sein", sagte Regierungschef Hashim Thaci in Pristina nach einem Treffen mit dem EU-Vermittler Robert Cooper. Sollten im Kosovo die Grenzen angetastet werden, "bedeutet das klar die Öffnung der Grenzfragen in der gesamten Region", warnte Thaci.

27. Juli: KFOR-Soldaten durchkämmen das Gelände nach maskierten serbischen Extremisten, nachdem der Grenzübergang Jarinje in Brand gesteckt worden war.
(Foto: REUTERS)
Am Vortag hatte Cooper in Südserbien mit den beiden serbischen Unterhändlern Goran Bogdanovic und Borislav Stefanovic gesprochen. Die Gespräche seien "ziemlich anstrengend, schwer und ungewiss" gewesen, sagten die beiden Politiker, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.
Der Regierungschef holte sich nach dem Treffen mit dem EU-Vermittler in einer Sondersitzung Rückendeckung von seinem Kabinett. Es werde keine Rückkehr zum alten Zustand an den Grenzen zu Serbien geben, sagte Thaci danach. Das sei "die rote Linie", die er nicht überschreiten werde. Das habe er auch dem EU-Gesandten mitgeteilt. Demgegenüber verlangt die serbische Minderheit im Land, dass die vor einer Woche von der Kosovo-Regierung übernommenen zwei Grenzübergänge zu Serbien wieder serbischer Kontrolle unterstellt werden.
Um dieses Ziel durchzusetzen, haben die Serben seit über einer Woche mit Straßenblockaden den Verkehr auf den wichtigsten Transitstraßen unterbrochen. Die internationale Schutztruppe KFOR hatte wiederholt die Räumung der Barrikaden verlangt. Auf eine gewaltsame Räumung hatte KFOR-Kommandeur Erhard Bühler "aus humanitären Gründen" verzichtet.
KFOR-Kommandeur erbittet Verstärkung

Bundeswehrgeneral Erhard Bühler hatte am 1. Oktober 2010 das Oberkommando der KFOR übernommen.
(Foto: dpa)
Bühler hat inzwischen bei der NATO eine Entsendung von Reservekräften der sogenannten Operational Reserve Force (ORF) beantragt. Dem habe das NATO-Hauptquartier in Neapel zugestimmt, teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam mit. Von den rund 700 Soldaten kommen den Angaben zufolge rund 550 aus Deutschland und 150 aus Österreich. Das Land ist zwar nicht Mitglied der NATO, beteiligt sich aber dennoch an dem Einsatz. Das Bataillon werde "in den nächsten Tagen" in das Kosovo verlegt.
Deutschland größter Truppensteller
Derzeit sind mehr als 5900 NATO-Soldaten im Kosovo im Einsatz. Deutschland stellt mit bislang etwa 900 Soldaten das größte Kontingent, 120 der Bundeswehrsoldaten sind im Norden des Kosovo im Einsatz. Der Bundestag hatte das Mandat für den Einsatz im Juni verlängert, allerdings die Obergrenze von 2500 auf 1850 Soldaten gesenkt.
In den vergangenen Tagen hatte es an Grenzübergängen zwischen Serbien und Kosovo gewaltsame Zwischenfälle gegeben. Sprecher von KFOR und NATO betonten aber, die Lage habe sich nicht weiter verschärft. KFOR-Sprecher Hans Dieter Wichter betonte in Pristina, die KFOR sei bereits in der Lage, die Situation im Norden des Kosovo zu kontrollieren. Die Soldaten vor Ort müssten aber entlastet werden. Die Verlegung solle "nicht als Zeichen der Eskalation gesehen werden", sagte NATO-Sprecherin Carmen Romero in Brüssel. Vielmehr habe sich die Situation beruhigt. Über die Truppenverlegung hatte zuvor bereits der Thomas-Wiegold-Blog "Augengeradeaus" berichtet.
Hintergrund der Spannungen, bei denen bei den Ausschreitungen an zwei Grenzübergängen in der vergangenen Woche ein kosovarischer Polizist getötet worden war, ist ein vom Kosovo verhängtes Importverbot gegen serbische Waren. Pristina hatte damit auf ein seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Jahr 2008 bestehendes serbisches Importverbot für kosovarische Produkte reagiert. Serbien erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an.
Um das Importverbot zu überwachen, hatte die kosovarische Regierung vergangene Woche zwischenzeitlich eigene Polizisten an die Grenze beordert. Diese war bis dahin von Polizisten der serbischen Minderheit kontrolliert worden. Nachdem die Situation eskalierte und einer der Grenzübergänge von aufgebrachten serbischen Jugendlichen in Brand gesetzt wurde, übernahm die KFOR die Kontrolle über die Übergänge. Wütende Serben haben in der Region zahlreiche Straßensperren errichtet.
Beschwerden aus Bosnien
Ein Vertreter der bosnischen Außenhandelskammer kritisierte, dass das Kosovo zeitgleich zum Importverbot für serbische Waren auch Zölle auf die Einfuhr von Waren aus Bosnien-Herzegowina erhob. Dies sei eine "politische Entscheidung", sagte Duljko Hasic. Bosnische Händler müssten nun die Preise für ihre Produkte erhöhen, was ein Wettbewerbsnachteil sei.
Ausgang ungewiss
Derweil bemühte sich EU-Vermittler Robert Cooper bei Gesprächen in Pristina und Südserbien, ethnische Albaner und Serben wieder an einen Tisch zu bringen - offenbar in beiden Fällen ergebnislos.

Die Ansprache des serbischen Unterhändlers Stefanovic trägt sicher nicht zur Deeskalation bei.
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"Wir lassen nicht zu, dass auf diesem Gebiet der Kosovo-Staat anfängt zu leben", versprachen die beiden serbischen Spitzenpolitiker Bagdanovic und Stefanovic ihren Landsleuten an den Straßensperren in Rudare bei der Stadt Mitrovica. Sie forderten die Angehörigen der serbischen Minderheit im Norden Kosovos auf, "in noch größerer Zahl" zu den verschiedenen Barrikaden zu kommen. "Die Krise muss so gelöst werden wie wir es gefordert hatten", sagten die beiden Abgesandten Belgrads.
Zahlreiche Indizien wiesen darauf hin, dass die Forderung, zwei von der Kosovo-Regierung übernommene Grenzübergänge müssten wieder unter serbische Kontrolle gestellt werden, mit der Zeit ins Leere laufen könnten. Pristina verweigerte ebenso Verhandlungen darüber wie der KFOR-Kommandeur Bühler. Serbiens Regierungschef Mirko Cvetkovic appellierte an die "internationalen Vertreter im Kosovo, das Gespräch mit den Abgesandten der Regierung Serbiens zu beginnen". Unterhändler Stefanovic warnte dagegen: "Die Sache wird sich nicht beruhigen."
Unklar blieb, was mit den zahlreichen serbischen Straßensperren geschehen wird, die trotz eines KFOR-Ultimatums in der Vorwoche nicht abgebaut wurden. Nach Spekulationen heimischer Beobachter könnten die KFOR-Soldaten für gewaltsame Räumungen nicht richtig ausgerüstet sein. Schon bei den Unruhen im Jahr 2004 hatte die Truppe eine schlechte Figur abgegeben, weil sie für Polizeiaufgaben nicht gerüstet war. Allerdings dürfte die EU-Rechtsstaatskommission (EULEX) mit ihrer Sonderpolizei theoretisch dazu in der Lage sein.
Quelle: ntv.de, hdr/dpa/AFP