Politik

Vorsichtige Hoffnung unter Diplomaten Lässt sich das Syrien-Dilemma nun lösen?

Die Außenminister John Kerry (USA) und Sergej Lawrow (Russland) verhandeln derzeit in Genf über Auswege aus der Syrien-Krise.

Die Außenminister John Kerry (USA) und Sergej Lawrow (Russland) verhandeln derzeit in Genf über Auswege aus der Syrien-Krise.

(Foto: dpa)

In Genf verhandeln die USA und Russland über die Syrien-Krise. Dabei gibt es eine Reihe positiver Signale. Von einem Durchbruch ist die Diplomatie allerdings noch weit entfernt. Wie ein Plan auch aussieht: Seine Umsetzung wäre höchst kompliziert.

Auf einmal ist alles anders in der Syrien-Diplomatie. War die Situation vor einer Woche noch völlig festgefahren, scherzen nun die Außenminister von Russland und den USA miteinander, reichen sich vor Kameras die Hand und klopfen sich freundschaftlich auf die Schulter. Auf die Frage eines Journalisten, wie die Stimmung der Gespräche sei, antwortet Sergej Lawrow auf Englisch: "Es war okay, machen Sie sich keine Sorgen." Es geht dabei nicht mehr nur um die Abrüstung von Giftgas. Auch eine Friedenskonferenz scheint wieder möglich.

Doch die wohlklingenden Worte von allen Seiten täuschen: Bislang hat es kaum einen Fortschritt gegeben. Weder ist klar, ob Baschar al-Assad seine Chemiewaffen abgeben wird. Noch gibt es Anzeichen, dass die Bürgerkriegsparteien einen Waffenstillstand aushandeln wollen.

Denn all die Zusagen, die der syrische Machthaber Assad in den vergangenen Tagen gemacht hat, sind an Bedingungen geknüpft. Im russischen Staatsfernsehen sagte er etwa, man werde mitverhandeln, wenn die USA ihre "Politik der Drohungen" beende. Gemeint sind die Drohungen, die Russland und Syrien zu Verhandlungen zwangen. Außerdem müssten die USA sich zur "Stabilität in der Region" bekennen. "Stabilität" heißt für Assad, dass er an der Macht bleiben darf. Außerdem möchte er mit konkreten Schritten warten, bis sein Beitritt zur Chemiewaffenkonvention in Kraft tritt – das wäre in etwa einem Monat. Das sind Bedingungen, die die USA nicht akzeptieren werden. Im Gegenteil fordern die Amerikaner einen konkreten Zeitplan, einen raschen Beginn der Abrüstung und volle Transparenz.

Assad könnte eine Reserve behalten

Sollte eine diplomatische Lösung nun scheitern, könnte Assad die Schuld dafür auf die USA schieben – und damit vielleicht auch Kongressabgeordnete in Washington überzeugen. Die Rebellen in Syrien sind frustriert von dieser Lage und können derzeit von den Regierungstruppen weiter zurückgetrieben werden, berichten sie.

Im russischen Fernsehen stellte Assad Bedingungen für die Übergabe seiner Chemiewaffen.

Im russischen Fernsehen stellte Assad Bedingungen für die Übergabe seiner Chemiewaffen.

(Foto: Reuters)

Selbst, wenn Assad den Bedingungen der Amerikaner offiziell zustimmen würde: Ob er sich daran hält, ist kaum zu kontrollieren. Das "Wall Street Journal" meldet, die Giftgasbestände würden seit Monaten immer wieder verlagert und seien nun auf bis zu 50 Standorte verteilt. Die US-Geheimdienste vermuteten zwar, die meisten Lager zu kennen, aber sicher ist das nicht. Es ist darum möglich, dass Assad zunächst nicht alle Chemiewaffen übergeben, sondern eine Reserve behalten würde.

Wie die Übergabe laufen soll, ist auch noch nicht geklärt. Transporte ins Ausland sind riskant, weil sie überfallen werden und das Gas dann in die Hände von Terroristen fallen könnte. Eine Vernichtung der Waffen vor Ort wäre technisch kompliziert: Neben den Lagerstätten müssten Verbrennungsanlagen gebaut werden. Allein das würde Monate dauern. Und: Wer sollte die Baustellen sichern? Müssten sich die UN-Mitarbeiter den Assad-Truppen anvertrauen? Und könnten diese ausreichenden Schutz vor islamistischen Rebellen sicherstellen? Schon die Inspektoren, die nach Giftgas-Spuren suchten, wurden auf ihren Fahrten beschossen. Ausländische Soldaten wird die Regierung aber wohl kaum ins Land lassen.

Eine Hoffnung bleibt

Insgesamt ergeben sich für Assad viele Möglichkeiten, den Plan der Abrüstung zu beugen. Die USA werden neue "Rote Linien" definieren müssen, bei deren Überschreitung sie Gewalt anwenden.

Gibt es also gar keine Hoffnung? Vielleicht doch. Wenn Russland und die USA gemeinsam einen Plan ausarbeiten, wie Assad seine Chemiewaffen übergeben muss, wird auch Russland auf die Durchsetzung dieses Plans drängen. Moskau hat auf Assad einen direkten Einfluss, beliefert ihn mit Waffen und ist sein stärkster Partner. Wenn die USA und Russland gemeinsam eine neue "Rote Linie" ziehen, wird sich Assad daran halten. Das ist die große Chance, die in den Verhandlungen von Genf liegt.

Die Konfliktparteien würden dadurch allerdings noch längst nicht versöhnt. Der Kampf zwischen Assad-treuen Truppen, islamistischen Rebellen und pro-westlichen Rebellen hat schon zwei Millionen Menschen aus dem Land getrieben und 100.000 das Leben gekostet. Die deutliche Mehrheit dieser Menschen starb durch konventionelle, nicht durch chemische Waffen.

Quelle: ntv.de

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