Wie sozialistisch darf's denn sein? Linke bekommt Mauer nicht weg
28.12.2010, 19:50 Uhr
Klaus Ernst und Gesine Lötzsch sollten die Partei weiter zusammenführen. Doch das will nicht recht gelingen. Irgendetwas ist im Weg.
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Fundamentalisten aus dem Westen gegen Realpolitiker aus dem Osten: Die Linke konnte diesen Streit bisher nicht lösen. Im Gegenteil: Der Ton verschärft sich zusehends, die Fronten scheinen unüberbrückbarer denn je. Im Mittelpunkt steht Parteichef Ernst. Anlass ist das neue Grundsatzprogramm der Partei.
Linker Führungsstreit vor dem Superwahljahr: Thüringens Linke-Fraktionsvorsitzender Bodo Ramelow wirft dem Führungsduo aus Gesine Lötzsch und Klaus Ernst vor, eine offene Debatte in der Partei zu verhindern. "Wenn der Vorstand weiter so agiert, müssen wir auf dem Erfurter Parteitag im Oktober 2011 ehrlich über Konsequenzen reden", sagte Ramelow der "Thüringer Allgemeinen". Streitpunkt ist das künftige Grundsatzprogramm der Partei. Die Partei diskutiert dieses auf der Basis eines Vorschlages von Ex-Parteichef Oskar Lafontaine. Viele Funktionsträger in den Ost-Verbänden lehnen Lafontaines Entwurf, für den auch Ernst eintritt, als zu links-fundamentalistisch und radikal ab. In den West-Verbänden hingegen werden die Ansätze gelobt.

Bodo Ramelow kündigt für den nächsten Parteitag Zoff an.
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Ramelow sagte, die Linke müsse plural und offen bleiben. "Aber mit einer Bundesspitze, die aus reiner Verzweiflung eine Wagenburg um sich herum baut, geht das nicht." Ernst selbst übte scharfe Kritik an der politischen Kultur seiner Partei. "Mich ärgert die Unvernunft, die ich teilweise erlebe", sagte Ernst der "Süddeutschen Zeitung". Zu oft gerate der Zweck der Partei, die "Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen", aus dem Blick.
Vor Weihnachten hatte der frühere Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch die Vorsitzenden kritisiert. Er warf ihnen vor, der Parteiaufbau, die inhaltliche Profilierung und die strategische Ausrichtung der Linken seien im zu Ende gehenden Jahr nicht genügend vorangetrieben worden. Im kommenden Jahr werde sich zeigen, ob die beiden Vorsitzenden ihren Aufgaben gewachsen seien, sagte Bartsch der "Berliner Zeitung".
Lafontaine wies die parteiinterne Kritik an seinem Nachfolger Ernst zurück. Ernst vertrete "die Linie, mit der wir große Erfolge hatten", sagte Lafontaine der "Welt". Er verwies auf das Rekordergebnis von 11,9 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 und die Tatsache, dass die Linke in sieben Landtagen vertreten sei. Es wäre ein großer Fehler, wenn die Partei "eine erfolgreiche Strategie ändern würde". Eine plumpe Anbiederung an die SPD sei falsch.
Gysi wie immer optimistisch
Auch Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sieht die Partei eigentlich auf gutem Weg: "Wir haben uns erstmal mit uns selbst beschäftigt. Seit September sind wir wieder deutlich politischer geworden, was ich auch sehr begrüße", sagte er. Nach Ansicht Gysis braucht die Linke noch Zeit, um sich nach der Fusion mit der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) zusammenzuraufen. "2007 haben wir uns vereinigt. Ich sage mal, zwei Jahre brauchen wir noch."

Oskar Lafontaine und Gregor Gysi - frisst sich die Linke ohne die beiden selbst auf?
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Die noch laufenden Streitereien in der Partei bezeichnete Gysi als "Geplänkel", was damit zusammenhänge, dass die Linke Ende 2011 ein Parteiprogramm beschließen wolle. Darüber werde jetzt diskutiert, um schließlich Kompromisse zu finden. Das Programm brauche einen breiten Konsens. "Wir können mit einem Programm für 55 Prozent der Mitglieder nichts anfangen. Wir brauchen eines für 90 Prozent", sagte er.
Befragt nach einer Bewertung von Lötzsch und Ernst sagte Gysi: "Ich finde, dass sie gute Vorsitzende sind und dass sie sich ausgleichen. Sie sind so extrem unterschiedlich, dass sie schon wieder gut zueinander passen." Man dürfe aber nicht den Fehler machen und sie an ihren Vorgängern Oskar Lafontaine und Lothar Bisky messen. "Das ist immer ungerecht. Sie müssen ihre eigene Rolle spielen."
Lötzsch und Ernst brauchten aber mehr Unterstützung. "Sie brauchen in unserer Partei noch mehr Zentristen, also Leute, die nicht sagen, A hat recht oder Z hat recht, sondern die sagen, ich brauche A und brauche Z, also muss ich sehen, wie ich einen Weg für beide finde", betonte Gysi.
Quelle: ntv.de, jmü/dpa