Politik

Oberstes US-Gericht entscheidet über Homo-Ehe Machtwort in der Regenbogen-Nation

Der Supreme Court entscheidet über die Homo-Ehe.

Der Supreme Court entscheidet über die Homo-Ehe.

(Foto: REUTERS)

Haben die schwulen und lesbischen Paare in den USA ein Recht auf die Ehe? In zwei Fällen soll der Oberste Gerichtshof diese Frage nun beantworten. Es ist der Höhepunkt einer Auseinandersetzung, die in ihrer Bedeutung an die Bürgerrechtsbewegung erinnert – und die das US-amerikanische Volk eigentlich schon entschieden hat.

Das letzte Wort in dieser Debatte haben sie sicherlich nicht, die neun Verfassungswächter am Obersten Gerichtshof. Das lauteste allerdings schon: Mit zwei Urteilen könnten sie in dieser Woche homosexuellen US-Amerikanern das Recht zusprechen, heiraten zu dürfen – oder es ihnen absprechen, je nachdem. Selbst eine Vertagung wegen ungeklärter Formalitäten ist möglich, denn die Konstellationen vor der Richterbank sind alles andere als gewöhnlich.

Zwei Gesetze stehen auf dem Prüfstein: Das eine wurde von einem Staat erlassen, das andere auf Bundesebene. An diesem Dienstag geht es zunächst um die Zulässigkeit von Kaliforniens "Proposition 8", einem Verfassungszusatz, den die Wähler des Westküstenstaates 2008 mit klarer Mehrheit selbst beschlossen hatten. Darin wird homosexuellen Paaren ausdrücklich das Recht auf die Ehe abgesprochen.

Kaliforniens Wähler gegen Kaliforniens Richter

Ausgerechnet Kalifornien, eine Hochburg der US-amerikanischen Schwulenbewegung. Und tatsächlich täuscht das klare Wahlergebnis von 52 zu 47 Prozent etwas darüber hinweg, wie hart um "Prop 8" gekämpft wurde. Zwei millionenschwere Kampagne teilten den Staat in zwei Hälften: An der Küste und dem östlichen Rand Kaliforniens stimmte die Mehrheit gegen das Verbot der Homo-Ehe, doch in der ländlich-konservativen Mitte bildete sich ein breiter Korridor aus Nein-Sagern.

Paul Katami, Jeff Zarrillo, Kris Perry und Sandy Stier klagen gegen ein Verbot der Homo-Ehe.

Paul Katami, Jeff Zarrillo, Kris Perry und Sandy Stier klagen gegen ein Verbot der Homo-Ehe.

(Foto: dpa)

Zwei homosexuelle Paare wollten das nicht hinnehmen und klagten: Jeff Zarrillo und Paul Katami aus Burbank und Kris Perry und Sandy Stier aus Berkeley. Bei den US-Richtern rechnen sie sich mehr Chancen auf Anerkennung aus als bei ihren Nachbarn, schließlich hatten deren Kollegen am kalifornischen Verfassungsgericht das Verbot der Homo-Ehe zuvor bereits abgelehnt, ehe das kalifornische Volk sein eigenes Urteil sp rach. Es folgte ein vier Jahre dauernder Rechtsstreit durch alle Instanzen, der nun vor den höchsten Richtern des Landes angekommen ist.

Die Regierung hält sich raus

Und der eine höchst ungewöhnliche Konstellation im Gerichtssaal mit sich bringt. Auf Seiten der Kläger hat sich eine bemerkenswerte Allianz gebildet: Die Anwälte David Boies und General Ted kämpfen gemeinsam für die Legalisierung der Homo-Ehe, dabei standen sie sich im Jahr 2000 noch als Gegner gegenüber. Damals entschied das Gericht in einem höchst umstrittenen Urteil die Präsidentschaftswahl zwischen George W. Bush und Al Gore.

Noch erstaunlicher aber ist die Besetzung der Gegenseite. Kaliforniens Regierung, die "Proposition 8" eigentlich umsetzen soll, will den Verfassungszusatz ausdrücklich nicht verteidigen. Stattdessen steht nun Dennis Hollingsworth vor der Richterbank, ein republikanischer Senator in Kaliforniens Parlament und Mitglied der religiösen Gruppe "ProtectMarriage.com", die "Proposition 8" einst initiiert hatte. Die Politik überlässt den beiden konkurrierenden Gesellschaftsgruppen also den Vortritt.

Ganz ähnlich wie im zweiten großen Fall, den der Supreme Court am Mittwoch verhandeln wird. Dann steht das "Gesetz zur Verteidigung der Ehe" (Defense of Marriage Act – DOMA) zu Diskussion. 1996 beschlossen, definiert DOMA die Ehe als Bund zwischen Mann und Frau. Damit wurde die Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare in fast allen Lebensbereichen zementiert: von der Verweigerung von Steuervergünstigungen bis hin zu Krankenhausbesuchen.

US-Präsident Barack Obama kündigte im Februar 2011 an, dass seine Regierung DOMA im Fall einer Klage nicht verteidigen würde – und gab das Gesetz damit zum juristischen Abschuss frei. Statt dem Bundesstaatsanwalt steht deswegen am Mittwoch eine Gruppe von republikanischen Abgeordneten vor den Richtern, die DOMA aufrechterhalten wollen. Sie verweisen paradoxerweise auf die Erfolge der Schwulenbewegung im Kampf um mehr Anerkennung: Schließlich hätten schon neun US-Staaten Homo-Ehen erlaubt, unter anderem der Verhandlungsort Washington D.C. Man solle das Thema doch lieber dem demokratischen Prozess überlassen statt ungewählten Richtern.

Chance auf historischen Ruhm

In welche Richtung der Supreme Court tendiert, ist fraglich. Einige Experten erwarten gar, dass sich die Richter in beiden Fällen auf Formalitäten konzentrieren und die Entscheidung vertagen. So könnte zum Beispiel im Fall von "Proposition 8" eine Rolle spielen, dass mit Dennis Hollingsworth als Beklagtem eigentlich nicht der richtige Ansprechpartner benannt ist. Schließlich setzt noch immer die Regierung Kaliforniens die Gesetze um, nicht eine Bürgerinitiative. Andererseits hat sich der von Chief-Justice Roberts geleitete Gerichtshof zuletzt durchaus offen für historische Entscheidungen gezeigt: So winkte das von konservativen Richtern dominierte Gericht ausgerechnet Obamas Gesundheitsreform durch. Auch Richter lesen Geschichtsbücher – und manche würden sogar gerne in ihnen erwähnt werden, heißt es.

Wenn es nach dem US-amerikanischen Volk geht, ist die Frage nach der Homo-Ehe bereits beantwortet. Und zwar mit: Ja. Laut Umfragen der Zeitung "Washington Post" und dem Meinungsforschungsinstitut Gallup ist eine deutliche Mehrheit dafür. Lediglich unter republikanischen Wählern ist das Verhältnis umgekehrt, lehnt eine Mehrheit die Homo-Ehe ab.

Doch selbst unter konservativen Politikern macht sich der Stimmungswandel bemerkbar. Ohios Senator Rob Portmann, der 1996 DOMA mit auf den Weg brachte, ist heute dagegen. Ausgerechnet Portman: Sein Name stand auf der Liste von Kandidaten, die Mitt Romney als Vizepräsident in Betracht zog.

Doch für Portman ist die Gleichberechtigung Homosexueller inzwischen kein rein politisches Thema mehr, sondern ein persönliches. Sein Sohn outete sich vor einiger Zeit als schwul. Als Vater wolle er, dass alle seine Kinder ein Recht auf Eheschließung haben. "Auch mein Sohn."

Quelle: ntv.de, AFP

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