Beispiellose Umwälzung Macrons Lager gewinnt erste Wahlrunde
11.06.2017, 20:02 Uhr
Macron ist weiter auf der Erfolgsspur - hier kurz vor der Stimmabgabe.
(Foto: AP)
Erst vor gut einem Jahr gründet Emmanuel Macron die Bewegung "En Marche". Nun ist er nicht nur der Präsident Frankreichs, er überholt seine Gegner auch bei der Parlamentswahl. Im ersten Wahlgang liegt sein Lager klar vorn.
Das Lager des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat die erste Runde der Parlamentswahl klar gewonnen und steuert auf eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu. Nach Hochrechnungen kamen seine Partei La République en Marche und ihre Verbündeten auf mehr als 32 Prozent der Stimmen. Damit können sie im zweiten Wahlgang am kommenden Wochenende laut Meinungsforschern auf mindestens 390 der 577 Sitze in der Nationalversammlung hoffen. Das wäre eine deutliche absolute Mehrheit. Damit bekäme der sozialliberale Staatschef klaren Rückhalt für sein Reformprogramm.
Die Wahlbeteiligung war historisch schwach: Nur jeder zweite Wahlberechtigte ging zur Abstimmung, das ist der niedrigste Wert für eine Parlamentswahl seit Gründung der Fünften Republik 1958. Vor fünf Jahren hatte die Beteiligung noch bei 57,2 Prozent gelegen.
Desaster für Sozialisten
Für die beiden traditionellen französischen Regierungsparteien ist das Ergebnis eine weitere herbe Schlappe. Die konservativen Republikaner kamen mit 21,0 bis 21,5 Prozent auf Platz zwei. Die Sozialisten von Macrons Amtsvorgänger François Hollande, die bislang in der Nationalversammlung den Ton angaben, stürzten laut dem Institut Kantar Public-Onepoint sogar auf 7,8 Prozent ab.
Einen herben Rückschlag erlitt auch die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Ihre Partei, der Front National, kam auf rund 14 Prozent und dürfte wieder nicht in der Lage sein, eine Fraktion zu bilden, zu der mindestens 15 Abgeordnete nötig sind. Le Pen hatte bei der Präsidentenwahl im ersten Wahlgang 21,3 Prozent erhalten und war damit in die Stichwahl gegen Macron gekommen.
Le Pen selbst zog in die zweite Runde der Parlamentswahl ein. Die Front-National-Chefin landete in ihrem nordfranzösischen Wahlkreis an erster Stelle, wie sie sagte. Sie erzielte nach eigenen Angaben knapp 45 Prozent der Stimmen und wird im zweiten Wahlgang gegen die Kandidatin der Bewegung La République en Marche antreten.
Macron-Lager: "Extrem starkes Zeichen"
Das Macron-Lager ist nach eigener Einschätzung in der Lage, eine "stabile und dauerhafte Mehrheit" in der Nationalversammlung zu bilden. Das sei ein "extrem starkes Zeichen", sagte der Generalsekretär von La République En Marche, Richard Ferrand. Er wies aber gleichzeitig darauf hin, dass der zweite Wahlgang am kommenden Sonntag noch ausstehe.
Die Sozialisten hingegen räumten ihre Niederlage ein. Parteichef Jean-Christophe Cambadélis sprach von "beispiellosen Verlusten der gesamten Linken, und insbesondere der Sozialistischen Partei". Laut Berechnungen büßen die Sozialisten massiv Sitze in der Nationalversammlung ein. Nach der Stichwahl am kommenden Sonntag können sie nur noch mit 15 bis 40 Mandaten rechnen, im alten Parlament hatten sie mit 277 Abgeordneten die Mehrheit.
Zudem warnte Cambadélis vor einem Parlament ohne echte Opposition. Er sagte, falls diese Mehrheit im zweiten Wahlgang noch gestärkt werde, "werden wir eine Nationalversammlung ohne echte Kontrollmacht und ohne demokratische Debatte haben, die dieses Namens würdig ist".
Neuer Präsident ist auf dem Durchmarsch
Macron hatte die Bewegung "En Marche" erst vor gut einem Jahr gegründet, die dann später zu einer Partei wurde. Er hatte sie "weder rechts noch links" positioniert und eine Regierung mit Politikern aus mehreren Lagern ernannt. Etwa die Hälfte der Macron-Kandidaten sind neu in der Politik.
Der 39-Jährige war Anfang Mai als jüngster französischer Präsident aller Zeiten gewählt worden. Falls er die nötige Unterstützung der Nationalversammlung hat, will er noch vor dem Sommer ein neues Anti-Terror-Gesetz und eine umstrittene Lockerung des Arbeitsrechts auf den Weg bringen.
Alles oder nichts
Das Mehrheitswahlrecht mit zwei Wahlgängen macht es kleinen Parteien in Frankreich schwer, Abgeordnetensitze zu erobern. Gewählt sind nur die Kandidaten, die in ihrem Wahlkreis am Ende vorne liegen. Die Stimmen für die jeweils unterlegenen Kandidaten werden somit bei der Sitzverteilung im Parlament nicht berücksichtigt.
In den meisten der 577 Wahlkreise dürfte die Entscheidung erst in Stichwahlen am kommenden Sonntag fallen. Um bereits im ersten Wahlgang gewählt zu werden, braucht ein Kandidat eine absolute Mehrheit in seinem Wahlkreis. Das schaffen nur die wenigsten.
Auch bei einer klaren Mehrheit in der Nationalversammlung würde Macrons Lager nicht das ganze Parlament dominieren. Im Senat als zweiter Kammer hat die bürgerliche Rechte die Mehrheit. Die Senatoren reden bei der Verabschiedung von Gesetzen ebenfalls mit - allerdings sitzt die Nationalversammlung letztlich am längeren Hebel, wenn die beiden Kammern sich nicht auf einen Kompromiss einigen können.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP