Politik

Bayern bremst Historiker aus "Mein Kampf" soll im Giftschrank bleiben

Adolf Hitler.

Adolf Hitler.

(Foto: AP)

Seit Jahren arbeiten Historiker, unterstützt von der bayerischen Staatsregierung, an einer kommentierten Ausgabe von "Mein Kampf". Jetzt hat Ministerpräsident Seehofer es sich anders überlegt und will die wissenschaftliche Arbeit überraschend stoppen.

Es ist rund anderthalb Jahre her, dass Bayerns Finanzminister Markus Söder von der CSU folgenden Satz sagte: "Wir wollen in allen Veröffentlichungen deutlich machen, welch großer Unsinn darin steht - allerdings mit fatalen Folgen." Es war seine Begründung dafür, warum der Freistaat Bayern eine wissenschaftlich kommentierte, kritische Ausgabe von Adolf Hitlers Hetzschrift "Mein Kampf" finanziert. Eine halbe Million Euro hat die Staatsregierung bislang dafür gezahlt.

Seit Jahren arbeiten Historiker des Institutes für Zeitgeschichte (IfZ) in München an einer solchen kritischen Ausgabe - denn Ende 2015 laufen die Urheberrechte aus, die beim bayerischen Finanzministerium als Rechtsnachfolger des Eher-Verlags liegen. Seit 2012 unterstützt die Staatsregierung das Projekt. "Wir müssen uns über das Buch auseinandersetzen. Es muss entmystifiziert werden", sagte Söder damals dem Magazin "Cicero". Die kommentierte Ausgabe, so waren Politiker und Experten sich einig, sollte Geschäftemachern und Rechtsextremisten den Wind aus den Segeln nehmen.

"Auftrag gestoppt"

"Wir kommen gut voran", sagte eine IfZ-Sprecherin noch - doch dann sorgte eine Nachricht aus der bayerischen Staatskanzlei für Aufregung. Dort nämlich erklärte Ministerpräsident Horst Seehofer von der CSU: "Ich kann nicht einen NPD-Verbotsantrag stellen in Karlsruhe und anschließend geben wir sogar noch unser Staatswappen her für die Verbreitung von "Mein Kampf" - das geht schlecht."

Für die Historiker des IfZ dürfte das ein Schlag in die Magengrube sein. Gesprochen habe bislang niemand mit ihnen, sagte eine Sprecherin. Ein Signal, die Arbeit abzubrechen, habe es auch nicht gegeben. Nach dem Willen von Seehofer und Staatskanzleichefin Christine Haderthauer soll aber wohl genau das passieren - weil das Buch volksverhetzend ist. Und wenn Verlage es in Zukunft veröffentlichen wollten, werde die Staatsregierung Strafanzeige stellen. "Unsere Auffassung ist: Auftrag gestoppt", sagte die CSU-Politikerin.

Mit dieser überraschenden Kehrtwende setzt sich die Regierung nicht nur über eine Landtagsforderung und das ausdrückliche Engagement von Finanzminister Söder hinweg - sie begeht nach Ansicht des langjährigen PEN-Präsidenten Johano Strasser auch einen großen Fehler und vergibt eine große Chance.

"Es gibt den Text doch überall", sagte Strasser, der sich in der Vergangenheit stets für die Edition ausgesprochen hatte. "Eine kommentierte Ausgabe ist die einzige Möglichkeit, auf die Rezeption Einfluss zu nehmen." Er setze darauf, dass die Entscheidung nicht endgültig sei: "Ich hoffe, dass das nochmal wieder revidiert werden kann." Die Möglichkeit, den Text unter Verschluss zu halten, gebe es doch schon jetzt nicht mehr, obwohl die Urheberrechte noch nicht abgelaufen sind. "Die Alternative ist doch gar nicht mehr da", betonte Strasser.

Problemlos zu bestellen

Tatsächlich ist das Machwerk, in dem Hitler 1924 als Häftling in der Festung Landsberg die menschenverachtende "Rassentheorie" darlegte, in zahlreichen anderen Ländern problemlos und teilweise auch unkommentiert zu haben. Schon vor fast 20 Jahren erschienen Ausschnitte in Israel in hebräischer Schrift. Antiquarische Ausgaben sind in Internetportalen wie Ebay oder über Anbieter aus dem Ausland weitgehend problemlos zu bestellen.

Eine Veröffentlichung in Deutschland war bislang nicht möglich - was zuletzt die Macher der historischen Zeitschrift "Zeitungszeugen" erfahren mussten. Als sie kommentierte Auszüge aus "Mein Kampf" veröffentlichen wollten, schob das bayerische Finanzministerium einen Riegel vor. Bis Ende 2015 kann der Freistaat das noch tun und seine Urheberrechte für derartige juristische Auseinandersetzungen in die Waagschale werfen, ab 2016 müssten andere Grundlagen für ein Veröffentlichungsverbot gefunden werden - wie der Vorwurf der Volksverhetzung.

Quelle: ntv.de, apo/dpa

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