"Komplizierte Phase" mit Türkei Merkel sieht kaum Möglichkeit der Besserung
29.08.2017, 12:36 Uhr
Die rechtsstaatliche Entwicklung in der Türkei gehe im Augenblick in die falsche Richtung, sagte Merkel.
(Foto: picture alliance / Bernd von Jut)
Vierzehn Tage nachdem Bundeskanzlerin Merkel aus dem Urlaub zurück ist, stellt sie sich in der Bundespressekonferenz den Fragen der Journalisten. Immer wieder geht es auch um die Türkei. Klar wird: Die angespannten diplomatischen Beziehungen werden anhalten.
Ohne die Freilassung der in der Türkei festgehaltenen Deutschen sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel kaum eine Möglichkeit für eine Verbesserung der angespannten diplomatischen Beziehungen. "Unsere Forderung ist, dass eine ganze Reihe von Menschen freigelassen werden", sagte die CDU-Vorsitzende bei ihrer traditionellen Sommer-Pressekonferenz in Berlin. Sie würde gerne eine bessere Beziehung zur Türkei haben, aber natürlich müsse die Realität betrachtet werden.
Die rechtsstaatliche Entwicklung in der Türkei gehe im Augenblick in die falsche Richtung, sagte sie mit Blick auf die in dem Land inhaftierten Deutschen. In türkischen Gefängnissen sind unter anderem Deniz Yücel und Peter Steudtner inhaftiert. Die Inhaftierungen seien nicht gerechtfertigt, sagte Merkel: "Wir haben uns deshalb entschieden, eine Neuorientierung der Türkei-Politik vorzunehmen."
Dies habe leider auch Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei: "Das bedauere ich, aber das ist geboten." Merkel sprach von einer "komplizierten Phase" in den Beziehungen zur Türkei. Eine Verbesserung hänge mit der "Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien" zusammen, erklärte die Kanzlerin. "Die sehen wir im Augenblick in der Türkei nicht gewährleistet." Den türkischen Vorwurf, die EU halte ihren Teil des Flüchtlingsabkommens nicht ein, wies sie zurück. So sei ein Großteil der zugesagten drei Milliarden Euro an Projekte gebunden, die teils noch nicht umgesetzt seien. Bei der in Aussicht gestellten Visa-Freiheit für Türken in der EU habe die Türkei Teile der Voraussetzungen dafür noch nicht erfüllt.
Prinzipien der Rechtstaatlichkeit sind auch für ein anderes Land die Vorraussetzungen für weitere Kooperationen. "So sehr ich mir Wünsche, dass wir mit Polen gute Beziehungen pflegen. Wir könne nicht um des lieben Friedens Willen den Mund halten und nichts sagen", kritisiert die Kanzlerin die Situation im Nachbarland. Es gehe hier um die Grundlagen der Kooperation innerhalb der EU. "Zusammenhalt in der EU unter Preisgabe der Rechtsstaatlichkeit ist nicht mehr die Europäische Union", warnte Merkel. Die EU-Kommission hat der nationalkonservativen Regierung in Warschau wegen ihrer umstrittenen Justizreformen im Juli mit Sanktionen bis zur Einleitung eines Verfahrens zum Stimmrechtsentzug auf europäischer Ebene gedroht.
Die Presserunde findet in diesem Jahr knapp vier Wochen vor der Bundestagswahl statt. Vor zwei Jahren prägte die Kanzlerin mit dem Satz "Wir schaffen das" ihre Haltung in der Flüchtlingskrise. Im vergangenen Jahr hatte Merkel ihren Sommerurlaub unterbrochen und sich bereits Ende Juli den Journalistenfragen gestellt, um unter anderem auf den gescheiterten Militärputsch in der Türkei zu reagieren.
Quelle: ntv.de, jki/rts/dpa