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Stimmenkauf und Desinformation Millionen aus Moskau: Moldau wählt unter massivem Druck

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Gagausische und moldauische Fahnen in Comrat, der Hauptstadt der autonomen Region Gagausien.

Gagausische und moldauische Fahnen in Comrat, der Hauptstadt der autonomen Region Gagausien.

(Foto: dpa)

Mit viel Geld versucht Russland, die Parlamentswahl an diesem Sonntag in Moldau zu beeinflussen. Allein in der Region Gagausien werden Millionen Euro ausgegeben, um Stimmen zu kaufen und Desinformation unters Volk zu bringen.

Im Haus der Kultur von Svetlîi, wenige Kilometer vor der gagausischen Hauptstadt Comrat, flattern die moldauische und die gagausische Fahne im Wind. Am Sonntag wird hier wie überall in der Republik Moldau gewählt. An den Fenstern kleben die Parteilisten: vorne die proeuropäische PAS von Präsidentin Maia Sandu. Dahinter mehrere prorussische Parteien. Eine EU-Plakette erinnert in russischer Sprache daran, dass Brüssel die Renovierung bezahlt hat.

Draußen glänzt ein neuer Fußballkäfig mit Kunstrasen, drinnen läuft die Nachmittagsbetreuung für Kinder mit Lernschwierigkeiten. Ein Stück Alltag im Dorf - doch zugleich auch eine Frontlinie im Ringen um Moldaus Zukunft.

Mittendrin steht Maja, 42 Jahre alt, Lehrerin für Bulgarisch und Rumänisch. Zum fünften Mal ist sie als Wahlbeobachterin der NGO Promo-Lex im Einsatz. Sie bittet darum, anonym zu bleiben. "Ich muss hier schließlich noch leben."

Routiniert hängt sie sich ihren Ausweis um, betritt das Gebäude und beginnt, die Aushänge mit ihrem Handy zu dokumentieren. Ihre Kontrolle kommt unangekündigt und dauert knapp eine halbe Stunde.

Schicksalswahl in Moldau

"Haben Sie die Listen richtig überprüft? Gibt es neue Leute im Register?", fragt Maja die Sekretärin. "Nein, alles sieht gut aus, keine Eindringlinge", lautet die Antwort. Maja notiert sich das in ihrer Checkliste und lässt zum Abschluss noch ihre Visitenkarte da: "Falls es irgendwelche Probleme gibt."

Die Abstimmung am Sonntag gilt in der Republik Moldau als Schicksalswahl. Für Präsidentin Sandu entscheidet sich, ob ihr Kurs Richtung EU hält. Verfehlt ihre PAS, die Partei der Aktion und Solidarität, die Mehrheit, droht ein Patt oder eine prorussische Regierung. Noch hat Moldau die Chance, bis 2028 der Union beizutreten - verpasst es dieses Zeitfenster, wäre das ein Rückfall in Moskaus Einflusszone.

In Gagausien, einer autonomen Region mit 113.000 Einwohnern, ist die Ablehnung besonders groß: Beim Referendum im Vorjahr stimmten 95 Prozent gegen die EU, bei der Präsidentschaftswahl nur 2,3 Prozent für Sandu.

Der Einfluss Moskaus zeigt sich hier besonders deutlich. Erst am Donnerstag wurde die Partei der früheren Gouverneurin Irina Vlah wegen ihrer Russland-Verbindungen von der Wahl ausgeschlossen. In Kanada steht sie auf der Sanktionsliste, nach Polen und Litauen darf sie nicht mehr einreisen. Vlah gilt als Verbündete des Oligarchen Ilan Shor, der wegen eines milliardenschweren Bankenskandals zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde - und Gagausien in den vergangenen Jahren zu seiner Hochburg machte.

Stimmenkauf mit System

Eine seiner wirksamsten Methoden: Stimmenkauf. Bei den beiden Wahlen im vergangenen Jahr sollen so bis zu 140.000 Stimmen beschafft worden sein. Laut Premierminister Dorin Recean flossen dafür bis zu 200 Millionen Euro - fast ein Prozent des moldauischen BIP.

"Shor hat dieses System über Jahre aufgebaut", erklärt Nicolae Panfil, Direktor von Promo-Lex. "Zunächst über die sogenannten Sozialgeschäfte, in denen er Lebensmittel billiger verkaufte und dafür spezielle Karten ausgab. Mit diesen Karten sammelte er persönliche Daten, über die er sein Netzwerk strukturierte." Später habe sich die Bezahlung dann auf Telegram-Bots und russische Bankkonten verlagert. "Und jetzt, in diesem Wahlkampf, nutzen sie sogar eine eigene App - über sie erhalten die Leute weiterhin Geld, direkt aus Russland."

Die moldauischen Behörden versuchen händeringend, einen erneuten massiven Eingriff in das Wahlergebnis zu verhindern. Tausende Wähler, die 2024 ihre Stimme verkauft hatten, mussten inzwischen hohe Geldstrafen zahlen, auch in Gagausien.

"Das löst im System vielleicht eine Disruption aus", sagt Valeriu Pașa, Gründer des Thinktanks Watchdog. "Aber es reicht nicht, um es ganz zu stoppen. Wir sehen, wie die Polizei täglich Millionen beschlagnahmt, während weiter massenhaft Geld ins Land geleitet wird. Die Summen sind einfach Wahnsinn. Für ein so kleines Land wie Moldau ist das schlicht nicht zu bewältigen."

Desinformation über Tiktok und Telefon

Parallel intensiviert Russland seine Desinformationsstrategie. Mehrere Undercover-Recherchen moldauischer und internationaler Medien haben aufgedeckt, wie über Telegram, Facebook und Tiktok neue Manipulationsmechanismen entstehen. Dort werden tausendfach Menschen, oft ältere Bürger, dafür bezahlt, prorussische Narrative zu verbreiten und sie möglichst authentisch in Debatten einzuspeisen. Auch hier kommt das Geld direkt aus Moskau.

Doch auch vermeintlich altmodischere Methoden kommen zum Einsatz, wie Valeriu Pașa von Watchdog erzählt. "Sie verfügen sogar über Callcenter. Die Leute werden angerufen, angeblich zu einer Umfrage. In Wahrheit wiederholen die Anrufer immer wieder dieselben Falschaussagen und propagandistischen Klischees, bis sie wie Fakten wirken."

Auch Nicolae Panfil, der Direktor von Promo-Lex, warnt vor diesem Rundumschlag: "Wenn man von allen Seiten dieselben Botschaften hört, beginnt man zu glauben, das sei die allgemeine Meinung."

Im Haus der Kultur von Svetlîi wirkt all das fern, würde man meinen. Doch nur zehn Autominuten weiter erhebt sich "Gagauziyaland", ein Gratis-Freizeitpark mit Hotels und Restaurants - finanziert von Shor.

Freizeitpark "Gagauziyaland" liegt wenige Kilometer südlich von Comrat.

Freizeitpark "Gagauziyaland" liegt wenige Kilometer südlich von Comrat.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Die Wahlbeobachterin Maja lässt sich von den vielen Hiobsbotschaften trotzdem nicht entmutigen. Im Gegenteil: Sie sind für sie ein zusätzlicher Ansporn. "Ich bin eine aktive Bürgerin", sagt sie. "Und es ist wichtig zu sehen, was schon funktioniert und was noch verbessert werden muss."

Ihre Motivation ist bescheiden, aber grundlegend: den demokratischen Prozess sichtbar zu machen. Gerade in einer Region, die sonst oft nur als Problemzone gilt. Dass internationale Medien fast ausschließlich negativ über Gagausien berichten, geht ihr auf die Nerven. Ob sich diese Wahrnehmung ändert, wird wohl auch von den Wahlen an diesem Sonntag abhängen.

Quelle: ntv.de

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