Berlusconi-Partei stellt sich quer Monti bekommt erste Probleme
14.11.2011, 20:01 Uhr
Die Erwartungen, die auf Monti (r) lasten, sind gewaltig.
(Foto: AP)
Europaweit herrscht die Hoffnung, dass der ehemalige EU-Kommissar Monti Italien aus der Krise führen könnte. Doch die Bildung einer Regierung erweist sich als schwierig. Vor allem die Berlusconi-Partei PdL knüpft an eine Unterstützung Bedingungen. Sie will schnelle Neuwahlen. Doch Monti braucht Zeit. Er kündigt ein "bedeutendes Programm mit vielen Opfern" an.
Der frühere EU-Kommissar hat in Rom mit Gesprächen zur Bildung einer neuen italienischen Regierung begonnen. Der Wirtschaftsexperte hat den Auftrag, als Nachfolger des am Samstag zurückgetretenen Silvio Berlusconi . Nach einem vorläufigen Zeitplan könnten die zweitägigen Konsultationen am Dienstagnachmittag mit einem Treffen Montis mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern enden. Zwei Problemfelder taten sich für ihn zunächst auf: Er soll eine Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 anstreben und will nun doch Politiker in seine Riege aufnehmen.
Monti plane "ein bedeutendes Programm mit vielen Opfern", begleitet von Wachstumsmaßnahmen, berichtete Francesco Nucara von der kleinen republikanischen Partei Pri aus den Gesprächen. Gianfranco Fini, Präsident des Abgeordnetenhauses, zeigte sich davon überzeugt, dass Monti bis zum Freitag das Vertrauen im Parlament erhalten werde. Umberto Bossi von der rechtspopulistischen Lega Nord bekräftigte jedoch, Monti nicht das Vertrauen aussprechen zu wollen. Man wolle die Gesetze der Regierung "Fall für Fall" prüfen, sagte er.
Italiens Finanzen unter der Lupe
Derweil überprüfen Experten der EU-Kommission nach den Worten des Sprechers von Währungskommissar Olli Rehn die Finanzen Italiens. Der Finanzminister der Berlusconi-Regierung, Giulio Tremonti, habe am vergangenen Samstag ausführlich auf einen Fragebogen Brüssels geantwortet. Das Schreiben werde nun analysiert. Rehn will den Euro-Finanzministern Ende des Monats über Italien berichten.
Monti strebt nach Darstellung des Abgeordneten Francesco Pionati von der kleinen Partei "Bündnis Zentrum" (Adc) eine Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2013 an. Monti habe erklärt, "dass sein zeitlicher Horizont 2013 ist", berichtete Pionati aus den Regierungs-Konsultationen. Dies sei ohnehin "eine relativ kurze Zeit, um die strukturellen Probleme des Landes zu lösen". Dieser zeitliche Rahmen könnte Monti Schwierigkeiten mit Parteien eintragen, die ihm bisher ihre Unterstützung zugesagt hatten, darunter etwa die linken Parteien Idv (Italien der Werte) und Sel (Linke Ökologie Freiheit).
Berlusconi-Partei ist "größtes Hinderniss"
Zugleich berichteten Medien über Widerstände und Forderungen aus der Pdl-Partei Berlusconis gegen ihrer Ansicht nach zu harte Einschnitte. Der bisherige Infrastrukturminister Altero Matteoli verlangte von Monti eine Regierung aus Fachleuten mit einem Programm, das sich auf die mit Brüssel vereinbarten Reformen begrenzt. Das Berlusconi-Lager werde einem Regierungschef Monti keinen "Konsens im Dunkeln" liefern, erklärte der PdL-Abgeordnete Fabrizio Cicchitto. Dem Abgeordneten Roberto Antonione von der Gruppe "Liberali per l'Italia" soll Monti hingegen bei den Konsultationen gesagt haben, er wolle doch auch Politiker auf der Ministerebene.
Es gebe "starke Opposition" an der Parteibasis, sagte PDL-Generalsekretär Angelino Alfano, der zeitweilig selbst als Nachfolger Berlusconis im Gespräch war. "Das war noch nicht das Ende", titelte die dem langjährigen Regierungschef nahestehende Zeitung "Libero" und stellte Widerstand gegen den an den Finanzmärkten angesehenen Monti in Aussicht. "Die Linken und ihre Zeitungen haben die Champagnerkorken zu früh knallen lassen."
Berlusconis Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Paolo Romani, sagte, nach dem Abwickeln des Reformprogrammes wären Neuwahlen im März oder April ideal. Angesichts der Forderungen könnte Montis Treffen mit Berlusconis Partei am Dienstag besonders kritisch werden. Berlusconis Pdl (Volk der Freiheit) sei das "größte Hindernis", schrieb die liberale Zeitung "La Stampa".
Annahme "unter Vorbehalt"
Monti war am Sonntag von Staatspräsident Giorgio Napolitano offiziell mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt worden. Monti nahm die Aufgabe "unter Vorbehalt" an. Napolitano rief dabei in einem eindringlichen Appell alle politischen Kräfte zu gemeinsamen Kraftanstrengungen auf, um dem Druck der Finanz- und Wirtschaftskrise zu begegnen. Erst danach könne es Wahlen geben.
Die EU begrüßte die Nominierung Montis. Dies sei nach der Verabschiedung der Spargesetze in Italien ein weiteres ermutigendes Signal zur Krisenüberwindung, teilten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel mit. Sie machten aber deutlich, dass dies nichts an der vereinbarten wirtschaftspolitischen Überwachung Italiens durch die EU ändern werde. Kanzlerin Angela Merkel erhofft sich von einer raschen Neuordnung in Rom einen stabilisierenden Effekt auf die Eurozone.
Silvio Berlusconi war am Samstagabend wie angekündigt als Ministerpräsident zurückgetreten, nachdem das Abgeordnetenhaus ein von der EU verlangtes Sparpaket gebilligt hatte. Aus der Politik verabschieden will er sich aber nicht. Der PdL-Chef Alfano meinte, Berlusconi werde wohl den PdL-Vorsitz übernehmen. Er werde mit doppelter Kraft politisch im Parlament weitermachen, kündigte Berlusconi in einer TV-Botschaft an.
Vermögenssteuer, Immobiliensteuer, Rentenalter
Man müsse mit Verantwortung an die Arbeit gehen, damit Italien wieder ein Element der Stärke und nicht der Schwäche in Europa werde, hatte Monti am Sonntag erklärt. Zu seinen ersten Maßnahmen könnten eine Vermögenssteuer, die Wiedereinführung einer Immobiliensteuer sowie ein weiteres zeitliches Vorziehen des gegenwärtig bis 2026 auf 67 Jahre erhöhten Pensionsalters gehören, heißt es in Rom.
Zunächst hatten Medien berichtet, der 68-Jährige wolle zwölf Fachleute und keine Politiker zu Ministern machen. Monti hatte seinen Auftrag am Vorabend "mit Vorbehalt" angenommen, da die Konsultationen noch ausstünden, welche er schnell, aber sorgfältig ausführen wolle.
Sollte Monti Chef einer Notregierung werden, erwarten ihn schwere Aufgaben: Italien weist - gemessen an der Wirtschaftsleistung - nach Griechenland den höchsten Schuldenstand innerhalb der Eurozone auf. Die Börsen reagierten bei Eröffnung zunächst positiv auf den Wechsel in Italien. Die Rendite für fünfjährige Staatsanleihen stieg später jedoch erneut auf über 6 Prozent. "Mittelfristig ist keine der politischen Veränderungen ausreichend, um die tiefgreifende Schulden- und Finanzkrise der Euro-Zone zu überwinden", fassten die Analysten der Lloyds Bank zusammen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts