Ja zum Wachstumspakt, aber ... Monti und Rajoy bremsen Einigung
29.06.2012, 02:43 Uhr
Merkel im Gespräch mit Monti.
(Foto: Reuters)
Die europäischen Staats- und Regierungschefs wollen einen gemeinsamen Pakt für Stabilität und Wachstum. Dazu sollen 120 Milliarden Euro fließen. Doch zuvor verlangen Italien und Spanien Sofortmaßnahmen von den Euro-Partnern. Kanzlerin Merkel sind die Hände gebunden, sie bietet stattdessen ein Paket für mehr Arbeitsplätze an.

Als erstes wird das Familienfoto geschossen. Wer weiß, ob am Ende des Gipfels noch alle an Bord sind.
(Foto: AP)
Die EU-Staaten haben sich auf dem Gipfel über die wesentlichen Elemente des EU-Wachstumspakets geeinigt - doch der formelle Beschluss scheiterte zunächst am Widerstand Italiens und Spaniens. Ministerpräsident Mario Monti und Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy pochten auf eine konkrete Unterstützung im Kampf gegen rekordhohe Zinsen auf ihre Staatsanleihen.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy erklärte, zwei Staaten machten ihre Zustimmung von kurzfristigen Schritten zur Stärkung der Finanzstabilität der Euro-Zone abhängig. Das sorgte für Verärgerung anderer Staaten, sagte ein EU-Diplomat: "Die beiden nehmen den Gipfel in Geiselhaft."
Der Streit über die Strategie gegen die Krise brachte die Gipfel-Agenda durcheinander. Das erst zum Ende am Freitag geplante Spitzentreffen der Chefs der 17 Euro-Staaten fand noch in der Nacht statt.
ESM und Fiskalpakt in Bundestag und Bundesrat
Spanien und Italien hatten schnelle Eingriffe an den Märkten für Staatsanleihen gefordert. Madrid und Rom haben akute Probleme, sich frisches Geld zu besorgen. Mit diesen Forderungen setzten sie am Abend Deutschland massiv unter Druck. Ohne dass die Forderungen erfüllt werden, wollen sie auch nicht dem Wachstumspaket zustimmen. Kanzlerin Angela Merkel ist strikt gegen solche Schritte und gegen eine Vergemeinschaftung der Schulden in der Währungsunion. Weil Merkel mit dieser Position in Europa isoliert da steht, bot sie ihren Gegnern ein Arbeitsmarktpaket an.
Ein abrupter Kurswechsel ist für die Kanzlerin nach Worten von Diplomaten nicht möglich. Denn am Freitag wollen in Deutschland Bundestag und Bundesrat über die Gesetze für den neuen Rettungsfonds ESM und den Fiskalpakt abstimmen. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht ein Mitspracherecht in solchen Fragen.
Hollande stellt sich an die Seite des Südens

Hollande wird sich nicht gegen Merkel in der Frage der Euro-Bonds durchsetzen setzen. Das ginge nur über Merkels Leiche.
(Foto: AP)
EU-Diplomaten nannten das Vorgehen von Italiens Premier Mario Monti und Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy "unverantwortlich". Die beiden Staatenlenker weckten Erwartungen an den Märkten, die nicht erfüllt werden könnten, lautete die Kritik. Der Kurs des Euro verlor zum Auftakt des Krisengipfels an Boden und rutschte zeitweise bis an die Marke von 1,24 US-Dollar. Auch die Anleger in den USA machten sich kaum Hoffnung auf einen Durchbruch bei den Verhandlungen. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte gab zwischenzeitlich 1,4 Prozent auf 12.456 Punkte nach.
Mit Entscheidungen zu dem Thema Notmaßnahmen ist laut Diplomaten kaum zu rechnen. Es werde bereits über einen Sondergipfel im Juli spekuliert, verlautete aus dem Ratsgebäude.
Der französische Staatspräsident François Hollande unterstützte die Forderungen der Südländer - und steht nicht an der Seite seines engen Partners Deutschland. Hollande sagte, er erwarte von dem zweitägigen Spitzentreffen "sehr schnelle Entscheidungen für die Länder, die Schwierigkeiten auf den Märkten haben".
Paket soll mehr Jobs bringen
Merkel betonte die Bedeutung des Wachstumspakets. Sie sagte: "Es ist klar, dass wir auf der einen Seite solide Haushalte brauchen, als zweite Seite der Medaille aber auch mehr Arbeitsplätze schaffen wollen." Mit den 120 Milliarden Euro wird der bereits beschlossene Fiskalpakt über Haushaltsdisziplin und Schuldenabbau ergänzt.
Spaniens Ministerpräsident Rajoy sagte: "Wir finanzieren uns zu Kosten, die zu hoch sind." Auch Italien als drittgrößte Volkswirtschaft hofft, sich mit Schnellmaßnahmen Luft zu verschaffen, ohne wie Griechenland, Irland oder Portugal ein klassisches Hilfsprogramm aus den Rettungsfonds beantragen zu müssen. Auch Spanien und Zypern hatten zuletzt um Notkredite gebeten.
Selbst Finnland, ein Land mit der Einsernote "AAA" bei den Ratingagenturen und sonst treuer Verbündeter Deutschlands, forderte beim Gipfel besondere Anleihen mit niedrigen Zinsen.
Keine Chance für Van Rompuy
Deutschland lehnt eine Vergemeinschaftung der Schulden über gemeinsame Anleihen (Eurobonds) oder direkte Finanzhilfen des Euro-Rettungsfonds an Banken ab. Das von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy vorgelegte Debattenpapier für den Gipfel betone die Haftung der Mitgliedstaaten füreinander zu stark und vernachlässige die gegenseitige Kontrolle, hieß es aus Berliner Regierungskreisen.
Beim Gipfel fehlt der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras wegen einer Augenoperation. In einem Brief an seine Amtskollegen betonte Samaras, Athen werde - im Gegenzug für die Milliarden-Notkredite - alle Reform- und Sparauflagen erfüllen. Es gebe jedoch "das Thema einiger notwendiger Änderungen des (Spar-)Programms, um die noch nie dagewesene Arbeitslosigkeit und die katastrophale Rezession zu bekämpfen", hieß es darin.
Quelle: ntv.de, ppo/jog/rts/dpa/AFP