"Sadistische Veralberung" Mubarak überrascht Washington
11.02.2011, 07:12 Uhr
Obama ist enttäuscht.
(Foto: AP)
Der Chef der CIA ist sich sicher: Ägyptens Präsident Mubarak tritt zurück. Doch nichts dergleichen, die US-Regierung wird sichtlich auf dem falschen Fuß erwischt. Die USA reagieren genauso überrascht auf Mubaraks Rede wie der Rest der Welt - und fürchten nun ein Chaos in der ganzen Region.

Der Chef der CIA, Panetta, war sich sicher: Mubarak tritt zurück.
(Foto: AP)
Am Vormittag war die Sache eigentlich klar. Niemand Geringerer als der Chef des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA, Leon Panetta, kündigte am Donnerstag im US-Kongress den sehr wahrscheinlichen Rücktritt von an. Nicht im September, nicht nächste Woche, sondern noch im Laufe des Tages. Umso größer war das Erstaunen in den USA, dass der ägyptischen Präsident am Abend . Und es sogar bis September bleiben will.
Nicht nur die US-Medien fragten sich, wie sie so drastisch mit ihrer Einschätzung so falsch liegen konnten. Auch die US-amerikanische Regierung wurde sichtlich auf dem falschen Fuß erwischt. Zwar hatte sich das Weiße Haus tagsüber betont vorsichtig gegeben. Doch auch Präsident Barack Obama ließ durchblicken, dass die Anzeichen für den Rücktritt immer deutlicher wurden. "Was absolut klar ist, ist dass wir Zeugen sind, wie Geschichte geschrieben wird", meinte er bei einem Auftritt am Nachmittag im US-Staat Michigan. Mehr wolle er erst dazu aber sagen, wenn sich "die Dinge ausspielen".
Nicht "mehr" zu sagen war offensichtlich die schlauste Reaktion. Denn erst als Obama die Rede Mubaraks auf dem Rückflug aus Michigan an Bord der Präsidentenmaschine "Air Force One" im Fernsehen sah, war klar, dass sein CIA-Chef daneben gelegen hatte. Die Überraschung bei den US-Offiziellen sei sehr groß gewesen, berichteten mitfliegende Reporter. Unmittelbar nach der Landung verschanzte sich Obama erstmal stundenlang mit seinem nationalen Sicherheitsteam im Weißen Haus.
Verwirrung im Weißen Haus

In der "Air Force One" sah Obama Mubaraks Ansprache - und war überrascht.
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Die Verwirrung in der Regierung sei nicht geringer als im Rest der Welt, sagte Chuck Todd, der Korrespondent des TV-Senders NBC im Weißen Haus. Mubarak habe sich nicht "klar" über seine Zukunft geäußert, stellte Obama rund vier Stunden nach der Rede in einer Mitteilung fest. Doch nicht nur Konfusion prägte das Bild, auch Enttäuschung und Wut. Das Ganze sei eine "sadistische Veralberung" gewesen, schimpfte Gary Ackerman, Chef des Unterausschusses für Nahost-Fragen im Abgeordnetenhaus.
Der Moderator John King von CNN, der am Vormittag einen hohen Regierungsbeamten mit der Info zitierte, dass Mubarak zum Abgang bereit sei, kratzte sich am Abend verwundert am Kopf: "Dies ist nicht, was der US-Regierung erzählt wurde". Hat jemand der USA mit der Information über den angeblich bevorstehenden Rücktritt bewusst ein faules Ei ins Nest gelegt? Und wenn ja: wer, warum?
Dass die US-Regierung Stunden für eine Reaktion benötigte, passte ins Bild der vergangenen Wochen. Seit die Unruhen in Kairo begannen, wog das von der Wucht des Umbruchs überraschte Weiße Haus seine Worte stets äußerst sorgsam ab. Was Obama von Mubarak wollte, kleidete er zumindest öffentlich in diplomatische Formeln. Unablässig sprach er von einem "geordneten Übergang", der "jetzt" beginnen, "unumkehrbar" und "konkret" sein müsse. Das Wort "Rücktritt" jedoch kam ihm bis zuletzt nicht über die Lippen. Selbst nach Mubaraks Auftritt nicht.
Angst vor Machtvakuum
Dabei blieb weiter unklar, ob Washington überhaupt wollte, dass ihr einstmals engster Verbündeter sich am Donnerstag verabschiedet. Die größte Sorge ist, dass Mubarak ein Machtvakuum hinterlässt, das nicht nur Ägypten, sondern die ganze Region ins Chaos stürzt. Groß ist auch die Ungewissheit, ob ein Nachfolger der USA wohlgesonnen ist und wie er zu Israel oder dem Iran steht. Die jedenfalls könne nicht die einzige Alternative sein, stellte Obama kürzlich klar.
Auch Mubaraks bisheriger Vize , der nun Teile der Macht übernommen hat, ist der Regierung nicht geheuer, nachdem er jüngst in einem Interview erklärte, Ägypten sei nicht reif für Demokratie. So etwas ist "nicht akzeptabel", richtete Obamas Sprecher Robert Gibbs ihm öffentlich aus. Suleiman sei genau so ein Autokrat wie sein Chef, meint der profilierte US-Kolumnist Nicholas Kristof. Kritiker wie er meckern über den unsäglichen Schlingerkurs des Weißen Hauses. "Welche Nachricht wir auch immer zu senden versuchen, es dringt nur durch, dass wir weiter die bestehende Ordnung gut finden."
Zuletzt schien Obama allerdings gar nicht mehr allzu lang auf Zeit spielen zu wollen. Immer fester nahm er in den vergangenen Tagen Mubarak in den Schwitzkasten. "Rund um Uhr" hätten die diplomatischen Drähte zwischen beiden Staaten geglüht, ließ Gibbs am Mittwoch durchblicken. Am Ende lautete die Parole aus Washington, dass der Herrscher zumindest die "Minimalforderungen" des Volkes erfüllen müsse. Und das will nur eines: Mubarak muss weg.
Quelle: ntv.de, Marko Mierke, dpa