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Der Kriegstag im Überblick NATO sieht keinen Bündnisfall - G20-Gipfel verurteilt russischen Angriffskrieg

Die NATO-Mitglieder sahen nach dem Raketeneinschlag in Polen am Vorabend keine Notwendigkeit für den Bündnisfall.

Die NATO-Mitglieder sahen nach dem Raketeneinschlag in Polen am Vorabend keine Notwendigkeit für den Bündnisfall.

(Foto: via REUTERS)

Die Lage rund um den Raketeneinschlag in Polen hat sich auf diplomatischen Parkett deutlich entschärft. NATO-Staaten sehen nicht, dass der Bündnisfall eingetreten ist. Ihrer Ansicht nach ist eine ukrainische Flugabwehrrakete verantwortlich. Die Vorwürfe gegen Russland sind damit weitgehend vom Tisch. Das Land gerät derweil diplomatisch und ökonomisch unter Druck. Der 266. Kriegstag im Überblick.

Biden und Erdogan bezweifeln russischen Angriff

Nachdem am Vorabend nach Raketeneinschlägen und zwei Toten in Polen international die Alarmglocken schrillten, hat sich die Lage am heutigen Tag deutlich beruhigt. Viele Beobachter hatten zunächst fehlgeleitete russische Raketen als Ursprung der Explosionen im polnischen Grenzgebiet ausgemacht, nun verdichten sich jedoch die Anzeichen, dass es sich um ukrainische Flugabwehrraketen handelt. Frühzeitig hatte US-Präsident Joe Biden Skepsis geäußert und gesagt, dass es sich nach US-Erkenntnissen bei dem eingeschlagenen Geschoss um eine Flugabwehrrakete aus der Ukraine handelt. Ganz ähnlich äußerte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Er glaube einer entsprechenden Stellungnahme Russlands und dass die Regierung in Moskau nicht involviert sei, sagte Erdogan auf einer Pressekonferenz beim G20-Gipfel auf der indonesischen Insel Bali.

Russland dementiert fehlgeleitete Rakete

Bereits am Vorabend hatte Russland eine Beteiligung an den Explosionen zurückgewiesen. Stattdessen sprach der Kreml von "gezielten Provokationen" des Westens. Am heutigen Tag legte das Verteidigungsministerium nach. Es teilte nach Angaben der Nachrichtenagentur RIA mit, dass die beschossenen Ziele nicht näher als 35 Kilometer von der ukrainischen Grenze zu Polen entfernt gewesen seien. Es seien massive Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine geführt worden.

NATO-Staaten sehen keinen Bündnisfall

So kam die Dringlichkeitssitzung der NATO auch zu dem Ergebnis, dass keine Situation eines Bündnisfalles gegeben sei. Am Vorabend wurde spekuliert, dass Artikel 4 des NATO-Vertrags durch einen Beschuss polnischen Staatsgebiets durch russischer Raketen eintreten könnte. Artikel 4 sieht Beratungen der NATO-Staaten vor, wenn einer von ihnen die Unversehrtheit seines Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sieht. Die meisten bislang gesammelten Beweise deuteten darauf hin, dass "die Auslösung von Artikel 4 dieses Mal vielleicht nicht notwendig sein wird", sagte der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki in Warschau bei einer gemeinsamen Erklärung mit Präsident Andrzej Duda.

Ukraine fordert erneut Flugverbotszone

Ukrainische Offizielle nutzten den Vorfall dagegen, um erneut für eine vom Westen überwachte Flugverbotszone zu werben. "Wir bitten darum, den Himmel zu schließen, weil der Himmel keine Grenzen hat", schrieb Verteidigungsminister Olexij Resnikow bei Twitter. Dies sei erforderlich, um unkontrollierte Raketen abzuschießen und auch die EU- und NATO-Staaten zu schützen. "Das ist die Realität, vor der wir gewarnt haben", fügte Resnikow hinzu. Am Montag soll Russland allein rund 100 Raketen auf ukrainisches Territorium geschossen haben. Westliche Staaten lehnen eine solche Flugverbotszone jedoch ab, da sie andernfalls die Gefahr sehen, aktiv in den Konflikt einzugreifen. Unabhängig von der Forderung, teilte Resnikow mit, dass die Ukraine mit ihren ausländischen Verbündeten an der Entwicklung eines Luftabwehrsystems arbeite. Dieses werde "integriert und gestaffelt" sein, schrieb er auf Twitter. Weitere Einzelheiten dazu nannte er nicht.

Selenskyj glaubt weitere an russische Rakete

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zweifelt dagegen nach wie vor an, dass es sich bei dem Raketeneinschlag auf polnischem Staatsgebiet um ein ukrainisches Geschoss gehandelt haben soll. "Kann man Fakten oder irgendwelche Beweise von den Partnern erhalten?", fragte der 44-Jährige vor Journalisten in einem im Fernsehen ausgestrahlten Interview.

Tausende unterzeichnen Anti-Mobilisierungs-Petition

Russland ist zwar bezüglich des Vorfalls in Polen international nicht mehr unter Druck, dafür soll der Unmut über den Krieg innerhalb des Landes zunehmen. Nach einem Bericht des US-amerikanischen Instituts for the study of War (ISW) wachse die Kritik am russischen Angriffskrieg auf russischen Social-Media-Plattformen. Eine von 16 Gruppen von Kriegsgegnern gestartete Petition für ein verbindliches Ende der Mobilisierung habe bereits fast 38.000 Unterschriften gesammelt. Die Unterzeichner beklagen, dass Putin das Ende der Mobilisierung zwar erklärt habe, aber kein Dekret hierzu unterzeichnet habe, weshalb die Mobilisierung verdeckt weitergehe. Zudem forderten rund 1500 Mütter von Kindern mit körperlicher Beeinträchtigung und Mütter mit mehr als drei Kindern, dass ihre Männer von der Front zurückgerufen werden.

Russen nehmen Leiterin der Besatzungsverwaltung fest

Aber auch in den durch Russland annektierten Gebieten gibt es Probleme. So wurde berichtet, dass die stellvertretende Leiterin der Besatzungsverwaltung in der Region Cherson, Kateryna Hubarjewa, von der russischen Polizei festgenommen wurde. Das teilt die kremltreue Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf russische Strafverfolgungsbehörden mit. Demnach wurde sie wegen eines Wirtschaftsverbrechens verhaftet. Hubarjewas Vorgänger, Kirill Stremousow, war eine Woche zuvor ums Leben gekommen - nach russischen Angaben bei einem Verkehrsunfall. Zuvor schrieb Hubarjewas Ehemann, Pawlo Hubarjew, auf Telegram, seine Frau sei verschwunden.

Kachowka-Staudamm hält

Auch die Versuche russischer Truppen, den Kachowka-Staudamm in der Region Cherson zu zerstören, scheinen gescheitert. Nach Einschätzung britischer Experten drohe zumindest keine Flutkatastrophe. Drei Spannweiten der Brücke an dem Damm seien zerstört worden, wodurch die Übergänge unpassierbar seien, teilte das Verteidigungsministerium in London unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Die Wehre unterhalb dieses Abschnitts seien jedoch weitgehend intakt. "Das derzeitige Schadensausmaß wird wahrscheinlich nicht zu größeren Überschwemmungen flussabwärts führen", hieß es weiter. Am 11. November hätten die russischen Truppen beim Rückzug mit kontrollierten Sprengungen erhebliche Schäden angerichtet. "Dies geschah vermutlich, um weitere ukrainische Vorstöße zu verhindern", hieß es in London.

Abschlusserklärung von G20-Gipfel verurteilt Ukrainekrieg

Auch auf dem G20-Gipfel in Bali musste Russland eine Schlappe einstecken. Außenminister Sergej Lawrow hatte das Treffen vorzeitig verlassen. Die übrigen Staaten einigten sich auf eine Abschlusserklärung, in der es heißt, dass die meisten Mitglieder der G20 den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste verurteilten. Der Gipfel der 20 führenden Wirtschafts- und Schwellenländer hat damit in Indonesien trotz großer Meinungsunterschiede bei Themen wie dem Ukraine-Krieg eine gemeinsame Abschlusserklärung angenommen, die Russland in dieser Form noch hatte verhindern wollen.

Russische Wirtschaft in Rezession

Parallel zu den militärischen und diplomatischen Rückschlägen ist Russland auch ökonomisch zunehmend angeschlagen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im Zeitraum Juli bis September im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal um 4,0 Prozent, wie das nationale Statistikamt Rosstat auf Basis vorläufiger Zahlen in Moskau bekannt gab. Im zweiten Quartal ging des BIP bereits um 4,1 Prozent zurück, so dass sich das Land nun in einer Rezession befindet.

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Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP/rts

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