"Tief verwurzeltes" Problem Nach Fall Gelbhaar: Urgestein Özcan Mutlu verlässt die Grünen
21.01.2025, 11:43 Uhr Artikel anhören
Özcan Mutlu war von 2013 bis 2017 Abgeordneter im Bundestag.
(Foto: picture alliance / Linda Say/dpa)
Fast 35 Jahre lang ist Özcan Mutlu Mitglied der Grünen - nun gibt er seinen Austritt bekannt. Der Politiker spricht von Intrigen und Machtspielen in der Partei. Die Vorfälle rund um Belästigungsvorwürfe gegen Stefan Gelbhaar seien "kein isolierter Einzelfall".
Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu ist aus der Partei ausgetreten. Hintergrund sind die Diskussionen um eine parteiinterne Intrige und Belästigungsvorwürfe gegen den Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar. Die Partei sei nicht mehr die politische Heimat, für die er einst gekämpft habe, erklärte Mutlu in einem offenen Brief an die Bundesvorsitzenden Felix Banaszak und Franziska Brantner sowie an den Berliner Landesvorstand.
"Intrigen, Machtspiele und eine eklatante Fehlerkultur haben Bündnis 90/Die Grünen zu einer Organisation gemacht, die meine Überzeugungen und Werte nicht länger repräsentiert", schrieb Mutlu, der 14 Jahre Grünen-Abgeordneter im Berliner Landesparlament und von 2013 bis 2017 im Bundestag war. Er trete deshalb mit sofortiger Wirkung aus der Partei aus. Mutlu war 1990 in die Partei eingetreten.
Gegen Gelbhaar stehen seit Mitte Dezember Belästigungsvorwürfe im Raum. Der RBB berichtete nach eigenen Angaben auf Grundlage von eidesstattlichen Versicherungen von Frauen. Außerdem hatte der Sender nach eigenen Angaben Einblick in anonyme Meldungen an die Ombudsstelle der Grünen. Am Freitag zog der Sender Teile seiner Berichterstattung dazu zurück und berichtete über Zweifel an der Identität einer Person, die solche Vorwürfe erhoben hatte. Gelbhaar hatte die Anschuldigungen stets zurückgewiesen.
Bei der Aufstellung der Landesliste verzichtete er Mitte Dezember mit Hinweis auf die Vorwürfe auf eine Kandidatur. Bei einer erneuten vom Grünen-Kreisverband angesetzten Abstimmung über die Direktkandidatur in seinem Wahlkreis landete er nur auf Platz zwei.
"Die aktuellen Vorfälle sind kein isolierter Einzelfall, sondern Ausdruck eines tief verwurzelten strukturellen Problems im grünen Landesverband Berlin", kritisierte Mutlu. "Stefan Gelbhaar wurde aufgrund einer haltlosen und offensichtlich falschen Anschuldigung sexueller Belästigung nicht nur öffentlich diffamiert, sondern politisch vernichtet." Das Muster sei immer gleich: "Es wird mit Unterstellungen gearbeitet, die jeglicher Grundlage entbehren, deren Zerstörungskraft jedoch unwiderruflich bleibt."
Neben der mutmaßlich falschen Aussage der Berliner Grünen-Bezirkspolitikerin Shirin Kreße halten hingegen sieben Personen an ihren Vorwürfen gegen Gelbhaar fest. Das sagte der Parteivorsitzende Felix Banaszak am Montag in Berlin. Nach der mutmaßlichen Falschaussage zulasten des Politikers habe die Ombudsstelle der Grünen "explizit Kontakt mit den anderen Personen aufgenommen", sagte Co-Parteichefin Franziska Brantner. Im Fall der verbliebenen sieben Personen, die weiterhin ihre Vorwürfe gegen Gelbhaar aufrechterhalten, wollen die Grünen nun eine eigene Kommission einrichten, die sich mit der Aufklärung der Fälle beschäftige.
Im Fall der gemachten Falschaussage gegen Gelbhaar will die Partei Strafanzeige erstatten. Gelbhaar sei dadurch Schaden zugefügt worden. "Das bedauern wir ausdrücklich". Banaszak kündigte an, auch gegen den RBB rechtlich vorgehen zu wollen.
Quelle: ntv.de, spl/dpa