Angeblich Verbindung zu Gülen Neuer "Cumhuriyet"-Chefredakteur verhaftet
31.10.2016, 08:14 Uhr
Polizisten vor dem Sitz der "Cumhuriyet" in Istanbul.
(Foto: dpa)
Der frühere Chefredakteur der türkischen Oppositionszeitung "Cumhuriyet" ist schon verurteilt. Jetzt nimmt die türkische Justiz auch seinen Nachfolger fest. Insgesamt 14 Mitarbeiter des Blattes stehen auf der Fahndungsliste.
Nach der Schließung zahlreicher kritischer Medien gehen die türkischen Behörden nun gegen die wichtigste verbliebene Oppositionszeitung "Cumhuriyet" vor: Chefredakteur Murat Sabuncu und vier weitere Journalisten wurden festgenommen, wie die Zeitung berichtete.
Die Staatsanwaltschaft habe die Festnahme von insgesamt 14 Mitarbeitern des Blattes angeordnet. Zwölf von ihnen seien am Montagvormittag festgenommen worden. Zwei weitere seien derzeit im Ausland, darunter der Vorstandsvorsitzende Akin Atalay. Außerdem sei Ex-Chefredakteur Can Dündar, der sich in Deutschland aufhält, zur Fahndung ausgeschrieben worden. Dündars Haus in Istanbul sei durchsucht worden.
Nach Angaben von "Cumhuriyet" wirft die Staatsanwaltschaft der Zeitung vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen unterstützt zu haben. Die Regierung beschuldigt Gülen, für den Putschversuch gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Mitte Juli verantwortlich zu sein. In der Türkei ist Gülens Bewegung - wie auch die PKK - als Terrororganisation eingestuft.
Die Zeitung selbst schrieb: "Der Putsch gegen die Demokratie hat 'Cumhuriyet' erreicht." "Cumhuriyet" berichtete zudem, die Staatsanwaltschaft habe beschlossen, dass den Festgenommenen fünf Tage lang der Kontakt zu Anwälten untersagt werde. Nach den derzeit in der Türkei geltenden Notstandsdekreten kann auf Beschluss der Staatsanwaltschaft die ersten fünf Tage nach der Festnahme der Kontakt zum Anwalt verwehrt werden. Verdächtige müssen außerdem erst nach 30 statt bislang vier Tagen in Polizeigewahrsam einem Haftrichter vorgeführt werden. Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu rief bei der Zeitung an. Er kündigte nach Angaben des Blattes an: "Wir werden gemeinsam kämpfen."
"Stimme der Demokratie"
Die "Cumhuriyet" war erst im September mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden. Die Right Livelihood Award Stiftung hatte zur Begründung mitgeteilt: "Zu einer Zeit, in der die Meinungsfreiheit in der Türkei zunehmend bedroht ist, beweist die "Cumhuriyet", dass die Stimme der Demokratie nicht zum Schweigen gebracht werden kann." Die Stiftung kritisierte das Vorgehen der türkischen Behörden scharf: "Wir stehen in Solidarität mit unserem diesjährigen Preisträger "Cumhuriyet" und fordern die sofortige Freilassung des Chefredakteurs und der weiteren Mitarbeiter."
Ex-Chefredakteur Dündar und der Hauptstadt-Büroleiter des Blattes, Erdem Gül, waren im vergangenen November nach brisanten Enthüllungen der Zeitung festgenommen worden. Im Mai waren sie zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Dündar kündigte anschließend bei einer Europareise an, zunächst nicht in die Türkei zurückzukehren, und trat als Chefredakteur zurück. Er schreibt aber weiter für das Blatt.
Gegen Dündar und Gül ist noch ein weiteres Verfahren wegen Unterstützung einer Terrororganisation anhängig. Die nächste Verhandlung in diesem Fall ist für den 16. November angesetzt. Seit der Verhängung des Ausnahmezustands im Juli hat die Regierung zahlreiche kritische Medien schließen lassen. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen lag die Türkei schon vor dem Ausnahmezustand auf Platz 151 von 180 Staaten.
Freilassung der Mitarbeiter gefordert
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte die Freilassung der festgenommenen Mitarbeiter der "Cumhuriyet". Dafür müsse sich die Bundesregierung einsetzen, erklärte der DJV. Auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di reagierte empört auf die Verhaftungen. "Die erneuten Festnahmen von Journalisten sind ein weiterer Schritt zur Austrocknung der spärlichen Reste von Pressefreiheit in der Türkei, da kann die Politik nicht einfach zuschauen", erklärte DJV-Vorsitzende Frank Überall. Die Bundesregierung müsse sich klar gegen die Festnahmen positionieren.
Die Bundesgeschäftsführern der dju, Cornelia Haß, erklärte, es mache "jedes Mal erneut fassungslos, wenn wieder kritische Medien mundtot gemacht werden". "Die Schäden, die daraus für das Land und seine Gesellschaft entstehen, sind nachhaltig." Es sei unverständlich, dass die EU und die Bundesregierung diesem Entkernen einer Demokratie keinen stärkeren Widerstand entgegensetzten.
Quelle: ntv.de, hul/rts/dpa/epd