Neonazi-Datei im Bundestag Nur Linke sperrt sich
01.03.2012, 13:45 UhrSie ist keine Garantie für einen Ermittlungserfolg. Doch sie verbessert die Chancen, rechtsextremistischen Terror künftig zu verhindern. So wirbt Innenminister Friedrich im Bundestag für eine Neonazi-Datei für Polizei und Verfassungsschützer. Er findet damit die Unterstützung von SPD und Grünen. Allein die Linke leistet vehement Widerstand.

Bundesinnenminister Friedrich: "Wenn es uns gelingt, auch nur eine Tat zu verhindern, dann hat es sich gelohnt."
(Foto: picture alliance / dpa)
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat für die Einrichtung einer Neonazi-Datei geworben. Sie soll Ermittlungspannen wie bei der rechtsextremistischen Mordserie der Zwickauer Zelle künftig verhindern. Bei der ersten Lesung eines entsprechendes Gesetzes im Bundestag stieß das Vorhaben auf breite Unterstützung der Abgeordneten.
Die Politik könne die der Zwickauer Zelle nicht mehr rückgängig machen, sagte der CSU-Politiker. Sie könne aber die Weichen dafür stellen, dass so etwas nicht noch einmal geschehe.
Bessere Ermittlungschancen
Mit der Neonazi-Datei sollen Hinweise zu "gewaltbezogenen Rechtsextremisten" künftig in einer gemeinsamen Datei von Bund und Ländern gespeichert werden. Das soll den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden verbessern. Die Datensammlung sei zwar keine Garantie für einen Ermittlungserfolg, sagte Friedrich, sie verbessere aber die Chancen, Mängel abzustellen. "Wenn es uns gelingt, auch nur eine Tat zu verhindern, dann hat sich alles gelohnt."
Trotz einiger Bedenken äußerten sich Sozialdemokraten und Grüne bei der ersten Lesung des Gesetzes insgesamt positiv. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, warnte allerdings, auch bei der Bekämpfung von Terroristen dürfe man keine Freiheitsrechte preisgeben.
Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland forderte neben der Datei weitere Anstrengungen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. Die Datensammlung könne nur ein Baustein sein, sagte er. Wieland warnte zugleich davor, in das elektronische Archiv zuviele Informationen einzuspeisen. "Diese Behörde darf kein Datenmoloch werden."
Linke warnt vor "Gesinnungsdatei"
Klar lehnte allein die Linke das Vorhaben ab. So kritisierte Ulla Jelpke, dass ausgerechnet jene Sicherheitskräfte gestärkt würden, die bei der Verfolgung der Terrorzelle "so schmählich versagt" hätten. Sie warf der Union auch vor, die Neonazi-Morde zur Umsetzung alter Unionspläne zu instrumentalisieren. Die Linke warnt vor einer Beschneidung der Grundrechte und vor einer "Gesinnungsdatei".
Der Unions-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach bezichtigte Jelpke derweil der Verzerrung der Realität, wenn sie so tue, als ob die Bundesrepublik ein Schnüffelstaat sei. Der eigentliche Schnüffelstaat sei die DDR gewesen, spielte er auf die Geschichte der Linkspartei an, die über die PDS aus der DDR-Einheitspartei SED hervorgegangen war. Bosbach nutzte seine Redezeit indes auch um für die umstrittene Vorratsdatenspeicherung zu werben. Die sei keine Wunderwaffe, aber ein unverzichtbares Hilfsmittel, sagte er.
Mit der Einrichtung der Neonazi-Datei reagiert die Regierung auf die Taten der Zwickauer Zelle, deren rechtsextremistischer Hintergrund den Ermittlern jahrelang nicht aufgefallen war. Vorbild für die Datensammlung ist die Anti-Terror-Datei, in der Polizei und Geheimdienste schon seit Jahren ihre Erkenntnisse über mutmaßlich gefährliche Islamisten verknüpfen.
Die Neonazi-Datei soll von Polizei und Verfassungsschutzämtern in Bund und Ländern mit Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten und deren Kontaktpersonen gefüllt werden. Nach Einschätzung von Verfassungsschutz-Chef Heinz Fromm dürfte sie einmal knapp 10.000 Namen umfassen. Allein in Deutschland leben nach Erkenntnissen des Dienstes 9500 gewaltbereite Rechtsextremisten, es sollen aber auch Ausländer registriert werden.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP