Hoher Migrantenanteil Obdachlose im Stadtbild verschwinden nicht so einfach
27.10.2025, 19:33 Uhr Artikel anhören
Knapp 50.000 Menschen leben in Deutschland auf der Straße.
(Foto: Christoph Schmidt/dpa)
Noch immer debattiert Deutschland über das "Stadtbild". Viel geht es dabei um Ängste, doch manches ist real. Zum Beispiel Obdachlosigkeit. Daten zeigen, wie groß das Problem ist, wo die Betroffenen herkommen und wie brutal die Lage ist.
Die S-Bahn-Tür geht auf, ein traurig dreinblickender Mann kommt herein, atmet tief durch und sagt seinen Spruch. Er sei obdachlos, ob man ihm nicht ein Straßenmagazin abkaufen oder etwas zu essen geben möchte. Wer in Berlin mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, kennt das Bild nur zu gut. Ebenso das andere Bild: Wie die meisten Fahrgäste auf ihr Smartphone oder aus dem Fenster starren und die Situation aussitzen.
Obdachlosigkeit ist ein wachsendes Problem in Deutschland. Es lässt sich in Berlin, Hamburg und vielen anderen Städten nicht mehr übersehen. Sie ist ein Teil von dem, was die seit zwei Wochen durch die Medien wabernde "Stadtbild"-Debatte prägt, die Bundeskanzler Friedrich Merz mit seiner umstrittenen Bemerkung ausgelöst hatte. Denn Obdachlosigkeit lässt sich kaum verstecken. Man sieht die Betroffenen in der Bahn, in der Fußgängerzone, unter der Brücke.
Wie viele Menschen sind davon betroffen? Wer sind sie? Wo kommen sie her? Aufschluss darüber gibt ein dickes Papier der Bundesregierung, der Wohnungslosenbericht, der dieses Jahr neu erschienen ist.
Wie viele Obdachlose gibt es?
Nicht alle Wohnungslosen leben auf der Straße. Die meisten bleiben bei Freunden, Verwandten oder sind anderweitig untergekommen, etwa in städtischen Einrichtungen - haben aber keine eigene Wohnung. Laut Statistischem Bundesamt waren das Ende Januar 2025 knapp 475.000 Menschen. Laut Diakonie ist das eine Steigerung von acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das ist die verdeckte Wohnungslosigkeit, die man den Menschen auf der Straße nicht ansieht. Doch nicht alle finden jemanden, der sie aufnimmt. Gut 45.000 Menschen lebten laut dem Wohnungslosenbericht im Februar 2024 in Deutschland auf der Straße. Etwa zwei Drittel von ihnen sind Männer, ein Drittel Frauen.
Warum werden Menschen obdachlos?
Der Hauptgrund, warum Menschen obdachlos werden, ist der Verlust der eigenen Wohnung, meist aus finanziellen Gründen. Das zeigt ein Forschungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales von 2019. Demnach war das in 85 Prozent der "Anlass drohender Wohnungslosigkeit". Menschen verlieren ihre Wohnung demnach aber auch, weil sie psychisch erkrankt sind und Therapien in Einrichtungen aufnehmen. Auch wer ins Gefängnis muss, muss oft seine Wohnung aufgeben und hat anschließend große Probleme, eine neue zu finden. Für viele ausländische Obdachlose, insbesondere Polen, Rumänen und Bulgaren war ihre Wohnung an eine Arbeit gebunden. Bei fast 50 Prozent der Betroffenen aus diesen Ländern ist das der Grund - Job weg, Wohnung weg. Ein Teil der Obdachlosen kommt aber auch aus dem Ausland und hatte nie eine Wohnung in Deutschland.
Woher kommen die Obdachlosen?
Nicht-Deutsche sind häufiger obdachlos als Deutsche, auch das zeigt der Wohnungslosenbericht. Demnach haben 27 Prozent der Betroffenen, die auf der Straße leben, keinen deutschen Pass. Damit ist der Anteil fast doppelt so hoch wie der Anteil Nicht-Deutscher an der Bevölkerung. Der liegt bei 15 Prozent. Insgesamt leben gut 12.600 Ausländer auf deutschen Straßen. Die Hauptherkunftsländer der EU-Staaten sind Polen (4089), Rumänien (1787) und Bulgarien (860). Die Menschen von dort haben keinen Anspruch auf Bürgergeld. Auch aus der Ukraine (1168) sowie Syrien (648) und Afghanistan (268) kommen Betroffene.
Welche Rolle spielen psychische und Suchterkrankungen?
Obdachlose haben tatsächlich oft ein Suchtproblem. 18,4 Prozent gaben in einer Befragung für den Wohnungslosenbericht an, sie litten unter einer Suchterkrankung. 12,4 Prozent gaben an, psychisch krank zu sein, weitere 11 Prozent psychisch krank und süchtig zu sein. Gut die Hälfte hat also diese Probleme. Weitere 10,6 Prozent leiden außerdem an einer körperlichen Erkrankung. Überhaupt bezeichnet sich demnach nur gut ein Drittel (35,8 Prozent) als gesund.
Was macht die Politik?
Es gibt zahlreiche Programme und Initiativen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Die Bundesregierung hat sich zudem zum Ziel gesetzt, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden. Dabei spielt Prävention eine herausragende Rolle. Der Mangel an günstigen Wohnungen bleibt dabei ein zentrales Problem.
Die Zahlen deuten an, wie komplex die Lage ist. Zunächst einmal sind die meisten Obdachlosen Deutsche. Polen, Rumänen und Bulgaren sind EU-Bürger und lassen sich nicht abschieben. Das gleiche gilt für Ukrainer. Die Bundesregierung möchte zwar wieder nach Syrien und Afghanistan abschieben, vorerst geht es dabei aber um schwere Straftäter. Obdachlosigkeit selbst ist aber nicht strafbar. An diesem Teil des "Stadtbildes" wird sich durch Abschiebungen also wenig ändern.
Quelle: ntv.de