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"Ineffektiver Mechanismus" Ökonom fordert Kurswechsel bei EU-Sanktionen gegen Oligarchen

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2017 verstanden sich Putin (l.) und Wolosch noch gut.

2017 verstanden sich Putin (l.) und Wolosch noch gut.

(Foto: picture alliance/dpa/Russian Look via ZUMA Wire)

Die EU hat mittlerweile zahlreiche Sanktionspakete gegen russische Staatsbürger verabschiedet. Wirksam sind die aber in ihrer derzeitigen Form nicht, beklagt der Elitenforscher Jakowlew. Mit anderen Mitteln könnte die EU jedoch einen Keil zwischen die Oligarchen und den Kreml treiben.

Russlandexperten fordern ein Umdenken bei den Sanktionen, die von der Europäischen Union gegen führende russische Geschäftsleute verhängt wurden. Brüssel habe die Sanktionierungen nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine "überhastet vollzogen, ohne klares Verständnis ihrer langfristigen Wirkungen", kritisiert der Ökonom und Elitenforscher Andrej Jakowlew gegenüber dem "Spiegel". Bis 2022 war Jakowlew Professor in Moskau, inzwischen forscht er als Wissenschaftler in Harvard sowie am Hanse-Wirtschaftskolleg in Delmenhorst.

Das Sanktionsregime der EU sei ein "besonders ineffektiver und unglücklicher Mechanismus". Kontosperrungen und Einreiseverbote träfen viele russische Milliardäre zwar hart. Gleichzeitig habe die EU es aber versäumt, den Oligarchen mögliche Exit-Optionen aufzuzeigen. Klare Bedingungen, bei deren Erfüllung eine Aufhebung der Sanktionen winke, würden helfen, einen Keil zwischen Russlands Wirtschaftselite und den Kreml zu treiben. Bislang hätten die Sanktionen eher das Gegenteil bewirkt: Weil ihre Investitionen im Westen eingefroren wurden, engagieren sich viele Milliardäre wieder stärker in Russland.

Russland könne wegen seines Status als Atommacht wohl niemals so niedergerungen werden wie etwa Nazideutschland 1945, so Jakowlew. Europa und die USA benötigten deshalb alternative Konzepte für einen politischen Wandel in Russland. "Dabei könnten Eliten eine Rolle spielen, die heute noch mit Sanktionen belegt sind", sagt Jakowlew.

Wolosch wird trotz Anti-Kriegs-Statement sanktioniert

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Auslöser der Debatte ist unter anderem die fortgesetzte Sanktionierung des russischen Geschäftsmanns Arkadi Wolosch. Er ist Gründer der russischen Suchmaschine Yandex. Der Milliardär hatte den Überfall auf die Ukraine im vergangenen Sommer als "barbarisch" verurteilt und arbeitet bereits seit Längerem am Verkauf seines Russlandgeschäfts. Kremlsprecher Dmitrij Peskow bezeichnete ihn daraufhin als "Verräter". Dennoch hat die EU die Sanktionen gegen den Yandex-Gründer Wolosch verlängert.

Die EU bewege sich in diesem Fall "auf ganz dünnem Eis", sagt Gerhard Mangott, Russlandexperte von der Universität Innsbruck. "Es ist nicht nachvollziehbar, was man Wolosch vorwirft." Der schwedische Ökonom und Russlandexperte Anders Åslund sieht das ähnlich. Die Begründung der EU-Sanktionen gegen Wolosch sei "dürftig und dubios". Brüssel stützt sich bei den Strafmaßnahmen gegen den Yandex-Gründer unter anderem auf Åslunds Oligarchen-Buch "Russia's Crony Capitalism". Wolosch taucht darin allerdings als Positivbeispiel auf. Åslund hat deshalb einen Protestbrief an den Europäischen Rat geschickt. Darin fordert er die Aufhebung der Sanktionen gegen Wolosch.

Quelle: ntv.de, als

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