Der tiefe Fall Grassers Österreichischer Ex-Minister steht vor Gericht
12.12.2017, 18:44 Uhr
Karl-Heinz Grasser soll sich bei der Privatisierung von Staatsvermögen die eigenen Taschen gefüllt haben.
(Foto: picture alliance / Helmut Fohrin)
Korruption und Veruntreuung. So lauten die Vorwürfe gegen Österreichs Ex-Finanzminister Grasser. Der ehemalige Schützling von Rechtspopulist Haider soll sich während seiner Amtszeit an einem Wohnungsdeal bereichert haben. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Keine Arbeit, kein Haus, kein Auto - Österreichs ehemaliger Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat sich zum Auftakt seines Prozesses als wirtschaftlich ruinierter Mann dargestellt. Der Grund: Die Anwaltskosten angesichts eines seit vielen Jahren gegen ihn vorbereiteten Prozesses. Nun ist es soweit. Der 48-Jährige muss sich wegen des Verdachts der Untreue und Korruption vor Gericht verantworten.

Die Verteidiger der Angeklagten wollen Richterin Marion Hohenecker weiterhin nicht akzeptieren: Gleich für den ersten Prozesstag sind weitere Maßnahmen gegen sie geplant.
(Foto: picture alliance / Helmut Fohrin)
Das Verfahren am Landgericht Wien wurde zum Auftakt von großem Medieninteresse begleitet. Befangenheitsanträge der Verteidigung gegen die Richterin wurden zurückgewiesen. Dem 48-jährigen Grasser wird vorgeworfen, 2004 beim Verkauf von rund 60.000 Bundeswohnungen einem privaten Investor den entscheidenden Tipp über die notwendige Höhe eines Kaufpreises gegeben zu haben, um einen Mitbieter auszustechen.
Das letztlich erfolgreiche Gebot in dem geheimen Bieterverfahren lag nur rund eine Million Euro über dem der Konkurrenz - bei einem Kaufpreis von 961 Millionen Euro. Ein Indiz für einen Tipp, sagt die Staatsanwaltschaft. Zufall, sagt die Verteidigung. Im Gegenzug für den Hinweis sollen laut Anklage rund 9,6 Millionen Euro - ein Prozent des Kaufpreises von 961 Millionen Euro - in die Taschen der Verdächtigen geflossen sein.
"Gemeinschaftlicher Tatplan"
Angeklagt sind insgesamt 15 Verdächtige. Einer ist aber nicht verhandlungsfähig. Allen drohen jeweils bis zu zehn Jahre Haft. Alle bestreiten die Vorwürfe. Es ist nach Angaben des Justizministeriums das erste Mal, dass sich in Österreich eine Korruptionsanklage auf die aktive Zeit eines Ministers bezieht. Zu dem Prozess sind 165 Zeugen geladen. Er dürfte rund ein Jahr dauern. Die Ermittlungen zu dem Fall dauerten über acht Jahre.
Grasser war von 2000 bis 2007 Finanzminister der Alpenrepublik in einem von der konservativen ÖVP dominierten Kabinett. Zunächst gehörte er der rechten FPÖ an, von 2002 an war er als Parteiloser im Amt. Die Anklageschrift umfasst 825 Seiten. Laut Anklage hatten mehrere Verdächtige einen "gemeinschaftlichen Tatplan" gefasst, sich bei Verkäufen, Privatisierungen und Auftragsvergaben durch das Ministerium zu bereichern.
Die Buwog-Affäre kam 2009 ans Licht
Grasser, den die Presse aufgrund seines Lebens im Kreis von Millionären schon mal "Jet-Set-Minister" nannte, war in den 1990er-Jahren in den Reihen der Kärnter FPÖ unter dem damaligen Parteichef Jörg Haider groß geworden. Nach mehreren Jahren enger Zusammenarbeit kam es zu einer Entfremdung der beiden Politiker. In dem Prozess spielt auch die Vermietung des Linzer Terminal Towers an die Finanzbehörde eine wichtige Rolle. Für diesen Deal soll Grasser laut Anklage erst nach Zusicherung von Bestechungsgeld grünes Licht gegeben haben.
Zu seiner Entlastung hat Grasser ein 506 Seiten starkes privates Gutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Schluss kommt, ein fairer Prozess sei aufgrund der "medialen Vorverurteilung" kaum mehr möglich. "25.000 Artikel haben mich alle zum Täter gemacht", kritisierte Grasser in einem Interview der Recherche-Plattform "Addendum".
Die Affäre um die Bundeswohnungen, die sich im öffentlichen Besitz befanden, kam 2009 ans Licht, als die Staatsanwaltschaft beim damaligen Käufer Immofinanz Unterlagen sicherstellte. Dabei stießen die Ermittler auf Zahlungen auf drei Konten in Liechtenstein. Für den Prozess wurde der Gerichtssaal umgebaut. An sitzungsfreien Tagen kann sich Grasser als Ehemann einer Millionenerbin an seinen Wohnsitz Kitzbühel zurückziehen.
Quelle: ntv.de, Matthias Röder, dpa