Politik

Kampf gegen den IS-Terror Özdemir regt Merkels "Doppelzüngigkeit" auf

Grünen-Parteichef Cem Özdemir kritisiert die Bundesregierung unter anderem für ihren Umgang mit der Türkei.

Grünen-Parteichef Cem Özdemir kritisiert die Bundesregierung unter anderem für ihren Umgang mit der Türkei.

(Foto: imago/Felix Abraham)

Keine neuen Sicherheitsgesetze, kein Einsatz der Bundeswehr im inneren - so positionieren sich die Grünen nach dem Anschlag in Paris. Viele Wähler sehen das anders.

In ihrer Reaktion auf die Anschläge von Paris sind sich die Grünen einig: Keine Scharfmacherei, keine Rufe nach neuen Sicherheitsgesetzen. Dieser Ruf sei kontraproduktiv, weil er eine besonnene Analyse der Taten verhindere, heißt es in einem Leitantrag, den die Ökopartei auf ihrem Parteitag in Halle mit breiter Mehrheit beschlossen hat. Auch einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren schließen die Grünen aus, genauso wie eine militärische Intervention in Syrien ohne UN-Mandat. Gegen den Antrag gab es nur eine Handvoll Gegenstimmen.

Parteichef Cem Özdemir greift die Stimmung der Delegierten auf und warnt die Bundesregierung nicht nur vor sicherheitspolitischem Populismus. Er wirft ihr auch "Doppelzüngigkeit" vor – im Umgang mit Saudi-Arabien und der Türkei.

"Der saudische Wahabismus ist nicht Teil des Problems, er ist die Quelle des Problems", sagt Özdemir und verweist darauf, dass eine fundamentalistische Auslegung des Islam Staatsräson insbesondere in Saudi-Arabien ist. Todesstrafen, Folter - daran erinnert vor allem das Beispiel des Bloggers Raif Badawi - und die massive Unterdrückung von Frauen sind in dem Königreich Alltag. Trotzdem, und das ist der Vorwurf Özdemirs, betreibt die Bundesrepublik enge wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen mit dem Land. Sie ließ zudem lange zu, dass deutsche Unternehmen Waffen dorthin schickten. "Solange sich an dieser perversen und zutiefst verlogenen Logik des Westens nichts ändert, werden wir niemals Erfolg haben gegen den faschistischen Dschihadismus und niemand in der muslimischen Welt wird uns irgendwas glauben, wenn wir über Demokratie und Menschenrechte reden."

Vorwürfe gegen Merkel

Ähnlich äußerte Özdemir sich zur Türkei. Die ist in die Kritik geraten, weil sie Terroristen des sogenannten Islamischen Staates (IS) lange ungestört die Grenze nach Syrien überqueren ließ und militärisch gegen die kurdischen Kämpfer in Syrien vorging, die zu den stärksten Gegnern der Extremisten auf dem Boden zählen. Er ertrage es nicht mehr, zu sehen, dass die Bundesrepublik nun in Ankara als Bittsteller antrete, weil es Hilfe bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise brauche. Über einen Besuch Kanzlerin Angela Merkels bei Staatschef Recep Tayyip Erdoğan kurz vor der Wahl sagte er: "Dann trifft man sich gefälligst auch mit der Opposition und macht nicht Wahlkampf für Erdoğan." Dessen AKP errang bei der Abstimmung Anfang November wieder die absolute Mehrheit.

Um den islamistischen Terror einzudämmen, sprechen sich die Grünen insbesondere für mehr Prävention und Integration aus. Sie fordern zwar konsequente Kontrollen an den EU-Außengrenzen und eine "engmaschige Polizeiarbeit bei konkreten Verdachtsmomenten", verwehren sich aber gegen "europaweite Beschränkungen der Bürgerrechte" durch Massenüberwachung und Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung.

Mit ihrem Kurs sind sich die Grünen zwar einig, sie riskieren aber Verluste bei den anstehenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg 2016. Die Wahlen haben vor der Bundestagswahl 2017 große Bedeutung. In Baden-Württemberg stellen die Grünen den Ministerpräsidenten.

"Bruch mit den Grundwerten"

Eine große Mehrheit der Deutschen trägt nach einer Umfrage schärfere Sicherheitsmaßnahmen aber mit. Nach dem ARD-"Deutschlandtrend" halten neun von zehn Deutschen solche Maßnahmen für angemessen. Nur 5 Prozent sehen es wie die Grünen und befürchten eine zu starke Beeinträchtigung ihrer Grundrechte.

Der Parteitag der Grünen geht noch bis Sonntag. Im Mittelpunkt stehen Debatten über die Kompromissbereitschaft der Grünen, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht. In einem Dringlichkeitsantrag wirft die Parteispitze der Großen Koalition einen Bruch mit Grundwerten vor. Kritik ertönt insbesondere an der Debatte über einen eingeschränkten Familiennachzug von Flüchtlingen. Die Grünen sind dagegen. Das gilt auch für Transitzonen und eine Rückkehr zum Dublin-Verfahren. Trotz dieser Kritik ist die Partei Teilen des linken Flügels aber längst zu weit von der reinen grünen Lehre der Asylpolitik abgerückt. Am Samstag steht die Arbeitszeitpolitik im Mittelpunkt, am Sonntag die Energiewende. Streit wird erwartet, weil der Schleswig-Holsteiner Energiewendeminister Robert Habeck "realistische" Ziele für den Umstieg auf erneuerbare Energien fordert. Habeck will die Grünen 2017 als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl führen.

 

Quelle: ntv.de

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