Koran-Verbrennung noch zu stoppen? Pastor Jones zum Einlenken bereit
09.09.2010, 20:48 Uhr
Ursache: Pastor Jones will den Koran verbrennen.
(Foto: dpa)
Die Koran-Verbrennung könnte in letzter Minute doch noch gestoppt werden. Der radikale Pastor Jones ist nach eigenen Worten bereit, seine Pläne zu überdenken. Dafür müsse die US-Regierung das Gespräch mit ihm suchen. Entsprechende Pläne werden nun in Washington diskutiert. Weltweit werden im Fall einer Verbrennung Ausschreitungen befürchtet.
Möglicherweise kann die geplante Koran-Verbrennung in den USA doch noch gestoppt werden. Pastor Terry Jones hat in einem Interview angekündigt, er werde seine Pläne "definitiv überdenken", falls die Regierung das direkte Gespräch mit ihm sucht. Deshalb werde die Möglichkeit eines direkten Appells an den Chef der kleinen Fundamentalistengemeinde Dove World Outreach Center in Gainesville derzeit in der Regierung diskutiert, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Geoff Morrell.
Zuvor hatte Präsident Barack Obama vor der geplanten Verbrennung gewarnt. Radikale Islamisten erhielten dadurch massiven Zulauf. "Das ist eine Rekrutierungs-Goldgrube für die Al-Kaida", sagte Obama dem Sender ABC. Er rief das Dove World Outreach Center in Florida auf, die für Samstag geplante Aktion zu überdenken. Mehr Menschen könnten dadurch bereit sein, sich als Selbstmordattentäter in amerikanischen oder europäischen Städten in die Luft zu sprengen. Pastor Jones müsse sich bewusst sein, dass die Aktion den amerikanischen Werten von Glaubensfreiheit und religiöser Toleranz entgegenlaufe.
Obama forderte Jones deshalb auf, auf den "zerstörerischen Akt" zu verzichten. Die geplante Verbrennung könne zudem "schwerwiegende Gewalt" gegen amerikanische Soldaten in Pakistan und Afghanistan auslösen. Der Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan, David Petraeus, äußerte die Befürchtung, dass das Ansehen der USA durch die Verbrennung ähnlich stark beschädigt werden könne wie 2004 durch die Folter-Fotos aus dem US-Gefängnis Abu Ghoreib im Irak.
Nur 50 Mitglieder
Die kleine Glaubensgemeinschaft mit etwa 30 Mitgliedern will am Jahrestag der Anschläge des 11. September mehrere Korane verbrennen. Das erklärte Ziel ist es, den Islam als eine "gewaltsame und repressive Religion" zu entlarven. Jones hatte mehrere Jahre in Deutschland gearbeitet, die Gemeinde dort hat sich aber vor zwei Jahren von ihm getrennt und sich von der Aktion distanziert. Seit Tagen verurteilen amerikanische Politiker, Geistliche, Militärs und Prominente den Plan. Auch international gibt es Kritik.

Wirkung: Muslime in aller Welt fühlen sich durch die Aktion in ihrem Glauben verletzt - und verbrennen ihrerseits amerikanische Flaggen.
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US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, sie wünsche sich, dass die Medien kein so großes Interesse an Pastor Jones zeigen würden. Dabei verwies sie darauf, dass er nur einer kleinen Gemeinde von gerade mal 50 Mitgliedern vorstehe. Aber "das ist die Welt, in der wir jetzt leben", fügte sie hinzu. Zugleich bekräftigte Clinton die von Petraeus vorgebrachte Sorge, dass eine Koran-Verbrennung US-Soldaten in Ländern wie Afghanistan gefährden könnte.
Pakistan will Interpol einschalten
Der indonesische Präsident Susilo Bambang Yudhoyono rief die USA dazu auf, die Aktion zu unterbinden. Obama solle sicherstellen, "dass dieser abscheuliche Akt nicht durchgeführt wird", zitierte CNN einen indonesischen Präsidentensprecher. Indonesien und die USA versuchten, Brücken zwischen dem Islam und der westlichen Welt zu bauen. "Wenn der Koran verbrannt wird, werden diese Bemühungen zunichte gemacht." Indonesien ist der Staat, in dem weltweit die meisten Muslime leben, gefolgt von Pakistan und Indien.

Brücke bauen: In Pakistan solidarisieren sich auch Christen mit den muslimischen Gläubigen.
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Auch Indien forderte Washington auf, den Pastor zu stoppen. "Wir hoffen, die US-Behörden werden entschieden handeln, um so eine Schandtat zu verhindern", sagte Innenminister P. Chidambaram. Pakistans Präsident Asif Ali Zardari erklärte, die Aktion werde "bei Muslimen auf der ganzen Welt Gefühle entfachen und der Harmonie zwischen den Religionen sowie dem Weltfrieden einen irreparablen Schaden zufügen". Zardari forderte Obama auf, alles zu tun, um diese "sinnlose und abscheuliche Tat" zu verhindern. Der pakistanische Innenminister Rehman Malik will, dass die internationale Polizeiorganisation Interpol einschreitet und die "verabscheuungswürdige Tat" verhindert. Den Behörden in USA sind jedoch wegen des Rechts auf freie Meinungsäußerung die Hände gebunden.
Blair: Erstmal Koran lesen
Ein US-Bischof in Paris warnte zudem vor schwerwiegenden Folgen für die in muslimischen Staaten lebenden christlichen Minderheiten. Diese könnten sich Racheakten ausgesetzt sehen, erklärte der Anglikaner Pierre Whalon. "Wenn Kirchen oder Bibeln verbrannt werden, wenn Christen angegriffen oder ermordet werden, wird nicht nur unsere Gemeinschaft, sondern auch die ganze Welt diejenigen zur Verantwortung ziehen, die das Feuer gelegt haben."
Der dänische Zeichner der umstrittenen Mohammed-Karikaturen, Kurt Westergaard, äußerte sich in der "Welt" ebenfalls ablehnend. Provokation solle "zum Nachdenken führen". "Das ist doch hier wirklich nicht der Fall", sagte Westergaard, der am Mittwoch in Potsdam von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgezeichnet worden war.
Der ehemalige britische Premierminister Tony Blair verurteilte die Aktion ebenfalls aufs schärfste und rief zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Islam auf. "Statt den Koran zu verbrennen ermutige ich dazu, ihn lieber zu lesen", fügte Blair hinzu. "Als Christ" schließe er sich der Aufforderung an Jones an, die Koranverbrennung abzusagen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts