Abhängig von deutschen Importen Pharmafirmen sollen kranke Griechen retten
09.07.2015, 20:09 Uhr
Aufgrund eingeschränkter Lieferungen durch Pharmaunternehmen herrscht an griechischen Krankenhäusern ein Mangel an Material und Medikamenten.
(Foto: AP)
Für viele kranke Griechen ist die Krise zu einer Frage von Leben und Tod geworden. Fast alle Medikamente werden importiert. Manche deutsche Unternehmen wollen ihre Lieferungen nun teilweise einstellen.
"In den vergangenen sechs Monaten konnten mir hier keine Medikamente mehr gegeben werden", sagt Giannis Kaloidas, als er wieder einmal in der Schlange vor einem staatlichen Krankenhaus in Athen wartet. Der 61-jährige Rentner leidet an Knochenkrebs, um die tödliche Krankheit aufzuhalten, braucht er teure Medikamente.
In der Klinik kann Kaloidas sich nur noch ein Formular für die Apotheke abstempeln lassen, damit er die Präparate nicht selbst bezahlen muss. "Meine Tabletten kosten 3500 Euro, meine Rente liegt bei 500 Euro", sagt er. "Wenn ich diese Kosten selbst tragen muss, ist es vorbei." Wie Kaloidas geht es auch anderen chronisch Kranken: In der Krise haben viele Job und Einkommen verloren - und müssen nun noch das Geld für die teuren Medikamente auftreiben.
Krankenversicherung ist in Griechenland inzwischen Luxus. Als letzte Option bleiben nur staatliche Krankenhäuser und Freiwilligenkliniken. Hunderte kommen täglich zum Athener Krankenhaus Elpis - griechisch für "Hoffnung". Dort wird Nicht-Versicherten geholfen.
"Uns geht das Geld aus", klagt auch dort Klinikdirektor Theo Giannaros. Die vorhandenen Gelder reichten nur noch bis zum Monatsende. Er will nicht, dass die Unsicherheit die Qualität beeinflusst und bietet jetzt kostenfreie Betten auf der Intensivstation, die normalerweise 3500 Euro pro Nacht kosten. Druck machen zunehmend auch die Lieferfirmen. "Wir erhalten Schreiben, in denen uns mitgeteilt wird, dass sie uns wegen der Situation nicht mehr beliefern können."
"Leute, sind dabei zu sterben"
Giannaros zufolge tauschen Krankenhäuser schon Material untereinander, um die Engpässe zu überbrücken. Den Europäern wirft er vor, nicht zu wissen, was in Griechenland tatsächlich passiert: "Sie verstehen nicht, dass die Leute dabei sind, zu sterben." Sollte das Gesundheitssystem endgültig zum Erliegen kommen, werde es viele Tote geben.
Durch die Kapitalverkehrskontrollen hat sich die Lage bei der Arzneimittel-Versorgung weiter verschärft. Importeure müssen nun umfangreichen Papierkram für Bestellungen erledigen. Die Bürokratie und die Sorgen vor einem Grexit schrecken ausländische Lieferanten ab.
In Griechenland selbst werden nur wenig Medikamente hergestellt. Ein Großteil wird eingeführt, viel auch aus Deutschland. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warf deutschen Pharmakonzernen vor, sie würden ihre Lieferungen nach Griechenland wegen ausstehender Zahlungsverpflichtungen einschränken. Dies sei "unethisch". "Die Pharmafirmen fahren zum Teil Gewinne von 15 bis 20 Prozent ein", sagte Lauterbach dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Da sollte ein Zahlungsengpass zu überbrücken sein."
Industrie fordert Bürgschaften
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) wies diese Vorwürfe zurück. Es sei immer einfach, anderen unethisches Verhalten vorzuwerfen, erklärte der. Schon jetzt hätten Unternehmen auf Millionenzahlungen verzichtet oder hätten extreme Außenstände. Für einzelne Firmen könne dies betriebswirtschaftlich extrem problematisch werden.
Der Pharmakonzern Fresenius hat bereits erklärt, die Lieferung einiger Medikamente nach Griechenland eingestellt zu haben. "Produkte, zu denen es für die Patienten keine ausreichenden Alternativen gibt, liefern wir weiter nach Griechenland - allerdings ausschließlich über einen griechischen Distributionspartner", sagte ein Unternehmenssprecher.
Obwohl deutsche Unternehmen bereits "auf Millionenzahlungen verzichtet" hätten, suchten die Firmen nach "Wegen, die Versorgung in Griechenland stabil zu halten", heißt es beim Pharmaverband. Die Firmen erwarteten dabei aber "entsprechend Hilfe: Bürgschaften oder andere Lösungen". Lauterbach kündigte an, die Koalition werde sich um eine konzertierte Aktion von Arzneiherstellern und Krankenkassen bemühen. "Jetzt muss humanitär geholfen werden, und zwar im Eiltempo."
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP