Nawalny verliert in Moskau Putin inszeniert Demokratie
09.09.2013, 11:43 Uhr
Alexej Nawalny bei einem Wahlkampfauftritt in Moskau.
(Foto: AP)
In Russland funktioniert die lupenreine "gelenkte Demokratie". Bei der Bürgermeisterwahl in Moskau setzt sich der Kreml-Kandidat zwar für dortige Verhältnisse ausgesprochen knapp durch. Doch das Kalkül des Machtapparats geht damit auf.
Wird in Russland gewählt, sind Überraschungen gemeinhin ausgeschlossen. Der Kreml legt das Ergebnis im Voraus fest, die Wahlkommission bemüht sich dann nach Kräften, das gewünschte Resultat zu liefern. Es ist nahezu unmöglich, dass sie versagt.
Und genau deshalb verblüfft die Bürgermeisterwahl in Moskau: Der Kreml-Kandidat Sergej Sobjanin setzt sich zwar in der ersten Runde gegen den erklärten Putin-Kritiker Alexej Nawalny durch und vermeidet damit eine Stichwahl, doch er bekommt offiziell nur 51,4 Prozent der Stimmen. Dem Rechtsanwalt und Korruptionsbekämpfer Nawalny werden immerhin 27,2 Prozent der Stimmen zugesprochen.
Dieses Ergebnis ist deshalb so erstaunlich, weil der Kreml Sobjanin mit der Wahl die fehlende Legitimität verschaffen wollte. Vor drei Jahren war der damalige Kremlfunktionär auf den Posten des Moskauer Bürgermeisters gehoben worden, nachdem das Tandem Wladimir Putin und Dmitri Medwedew seinen Vorgänger Juri Luschkow nach fast 20 Dienstjahren abserviert hatte.
Echter Gegner nötig
In einem Land, in dem Wahlfälschung zum Prinzip erhoben wurde, stellt sich deshalb die Frage, ob der Machtapparat wenig mehr als 51 Prozent der Stimmen für einen Kandidaten des Kremls tatsächlich für ausreichend legitim hält. Die Antwort: Das tut er.
Schließlich hat Sobjanin offiziell nicht irgendeinen Gegner geschlagen, sondern das größte politische Talent der zersplitterten Opposition. Und er hat nicht in irgendeiner Stadt gesiegt, sondern in Moskau. Damit die Wahlen in Russlands Hauptstadt, der Hochburg der Opposition, zumindest ansatzweise glaubwürdig wirken, musste es einen echten Konkurrenten geben - und das ist Nawalny durchaus. Er hat bei der Organisation der Massenproteste gegen Putin eine erhebliche Rolle gespielt. Sein Anti-Korruptionskampf hat bereits einige Funktionäre das Amt gekostet. Er hat die populäre Bezeichnung "Partei der Gauner und Diebe" für die Putin- Partei "Einiges Russland" geprägt.
Und wenn dieser Putin-Feind fast ein Drittel der Stimmen bekommt, ist das für den Kreml von großem Nutzen. Kann er doch auf dieses Resultat verweisen und es lästigen Nörglern aus dem Ausland als Ausdruck vorhandener Demokratie präsentieren.
So gesehen hat Nawalny aus Sicht des Kremls seine Rolle gespielt. Er hat gekämpft, er hat die Wahl verloren und könnte bald die fünfjährige Lagerhaft antreten, zu der er kürzlich in einem undurchsichtigen Veruntreuungsprozess verurteilt worden war. Das ist für einen russischen Oppositionellen zwar ein Ritterschlag, dennoch ist die Aussicht für Nawalny wenig erfreulich. Die Präsidentschaftswahlen im Jahre 2018 würde er dann wohl eingesperrt erleben.
Der Machtapparat gaukelt – im Gegensatz zur Meinung eines ehemaligen Bundeskanzlers – Demokratie nur vor. Das vergleichsweise gute Abschneiden Nawalnys in Moskau und der Sieg eines Oppositionellen in Jekaterinburg sind Ausdruck des vom Kreml installierten Konzepts der "gelenkten Demokratie". Wie weit sich diese von der westlichen Demokratie unterscheidet? In Moskau hört man gemeinhin die Antwort: so weit wie "elektrischer Stuhl" von "Stuhl".
Quelle: ntv.de