"Wovor hast du Angst?" Putin weicht vor Treffen mit Selenskyj zurück
04.03.2022, 19:50 Uhr
Kreml-Chef Putin am Donnerstag in Moskau.
(Foto: via REUTERS)
Der Kreml greift Selenskyj vor allem hinterrücks an: Drei Mordkomplotte sollen in diesen Tagen gescheitert sein, eine Rakete verfehlt wohl sein Privathaus. Heute wird verbreitet, Selenskyj sei nach Polen geflohen. Doch vor einem Gespräch Auge in Auge scheut der russische Präsident Putin zurück.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat in Moskau mitgeteilt, dass der russische Präsident Wladimir Putin derzeit nicht die Absicht habe, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu treffen: "Jetzt ist nicht die Zeit dafür." Alle Kontakte zwischen Russland und der Ukraine sollten über die offiziellen Verhandlungsdelegationen erfolgen. Putin will nach Angaben Peskows derzeit auch nicht mit US-Präsident Joe Biden über den Ukraine-Krieg sprechen.
Selenskyj hatte Putin am Donnerstag zu direkten Gesprächen Auge in Auge aufgefordert. "Wenn Du nicht (mit Deinen Truppen aus der Ukraine) abhauen willst, setz Dich zu mir an den Verhandlungstisch, ich habe Zeit", sagte Selenskyj vor Journalisten. "Aber nicht auf 30 Meter Abstand wie mit (dem französischen Präsidenten Emmanuel) Macron, (Bundeskanzler Olaf) Scholz - ich bin doch ein Nachbar", sagte Selenskyj. "Ich beiße nicht. Ich bin ein ganz normaler Typ. Setz Dich zu mir, sag mir, wovor Du Angst hast."
Nach Angaben des Kreml habe Putin in einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz Dialogbereitschaft signalisiert - zugleich aber auf die Erfüllung russischer Forderungen gepocht. Russland sei offen für Gespräche mit der ukrainischen Seite und allen, die Frieden in der Ukraine wollten, teilte der Kreml mit. "Allerdings unter der Voraussetzung, dass alle russischen Forderungen erfüllt werden."
Rakete auf Selenskyjs Residenz: "Ihr habt mich verfehlt"
Am Nachmittag wurden im Vorgarten des Privathauses des Präsidenten Fragmente einer mutmaßlich russischen Rakete entdeckt. Selenskyjs Sprecher teilte auf Facebook Bilder der Überbleibsel. Das Haus befindet sich in der Nähe der Hauptstadt Kiew. Nach Angaben des Sprechers kommentierte Selenskyj den Vorfall mit den Worten: "Ihr habt mich verfehlt."
Die Ukraine wies außerdem neue russische Behauptungen über eine Flucht von Selenskyj ins Ausland zurück. "Das ist falsch! Der Präsident ist in Kiew. Er ist bei seinem Volk!", teilte der Staatsdienst für Informationssicherheit mit.
Drei vereitelte Mordkomplotts
Am Morgen hatte die britische "Times" berichtet, Selenskyj sei in der vergangenen Woche womöglich drei Attentatsversuchen auf sein Leben entgangen. Bei den Attentätern soll es sich um die russische Söldnergruppe Wagner handeln und eine paramilitärische Einheit von Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow. In den vergangenen Tagen war bereits mehrfach berichtet worden, dass sie in größerer Zahl nach Kiew geschickt wurden, um Selenskyj auszuschalten. Seine Absetzung gilt mit als wichtigstes Kriegsziel Putins.
Gut eine Woche nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine planen beide Seiten für das Wochenende eine dritte Verhandlungsrunde. "Die dritte Runde kann morgen oder übermorgen stattfinden, wir sind in ständigem Kontakt", sagte der ukrainische Unterhändler Mychailo Podoljak.
Bei der zweiten Verhandlungsrunde zwischen der Ukraine und Russland hatten sich beide Seiten auf humanitäre Korridore verständigt, um Zivilisten aus Kampfgebieten herausholen zu können. Eine von Kiew geforderte Feuerpause wurde von den Unterhändlern Moskaus abgelehnt.
Quelle: ntv.de, mau/AFP